„Befestigungsanlagen im und am Harz von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit“ 213. Hohnstein, Burgruine. Neustadt und Hohnstein, Kr. Nordhausen (Ilfeld), Bez. Erfurt (Hildesheim). Name: Hohnstein. Meßtischblatt: 2526/4431 Stolberg; N 12,7; W 1,7. Allgemeine Lage: Am Südharzrand zwischen Ilfeld und Stolberg (Helmegau). Örtliche Lage: 380-408 m NN auf steilem, nach Westen vorspringendem Felssporn, 0,5 km nördlich Neustadt (Ortsmitte 260 m NN). Baugrund: Porphyrit des Rotliegenden. Baumaterial: Porphyrit als Quader und Bruchstein in Gipsmörtel, Werkstücke aus Alabastergips, Gips-Estrichböden. |
Beschreibung: Großartige Burganlage, 12./16. Jh., bestehend aus Oberburg (Kernburg), auf schmalem, Ost-West streichendem Felsgrat errichtet; Mittelburg nördlich und östlich derselben, 5-10 m tiefer, auf Terrasse angelegt; Unterburg südlich, 15-20 m tiefer, auf geräumiger Terrasse entwickelt. Östlich vor Mittel- und Unterburg ein Zwinger mit halbrundem Mauerturm und Torbollwerk, bestehend aus rundem Geschützturm und Außentor (Tor I); nach Osten vorgeschobene kleine zungenförmige Vorburg, vom Halsgraben gegen das weitere Gelände abgeschlossen. Der Aufgang von Tor I (380 m NN) beschreibt eine volle Spirale durch Unter- und Mittelburg bis in die Oberburg, wobei stets die rechte, ungedeckte Schwertseite gegen den Verteidiger weist. Gesamtausdehnung der Burganlage ca.70X200 m. Zugang von Osten auf breitem Burgweg dem Bergrücken folgend. Rechts Halsgraben und Plateau der Vorburg, Ringmauerrest. Eintritt in die Burg durch Tor I. Dasselbe bildet mit dem Geschützturm gekoppelt ein wuchtiges Torbollwerk (15./16. Jh.). Tor stichbogig überwölbt bei 3 m Mauerdicke, der Geschützturm rund, mit 14 m Durchmesser und dem Tor entsprechend 3 m Mauerdicke. Eine Zwillings- und zwei Drillingsscharten bestreichen Burgweg und Vorgelände. Hangaufwärts zur Mittelburg der obengenannte Zwinger mit Halbrundturm als Fortsetzung des Torbollwerks. Unmittelbar auf dieses folgend das spitzbogige Tor II (14. Jh.) im Zuge der älteren Ringmauer. Dieselbe kommt als Flügelmauer nördlich von der Oberburg herab, knickt hinter Tor II rechtwinklig nach Westen um und umfriedet die Unterburg, die sich breitgelagert vor den felsigen Südabfall der Oberburg legt. Unterburg ca. 25X120 m, eine Quermauer mit dem zerstörten Tor III scheidet sie in einen größeren Ost- und kleineren Westteil. Im Ostteil Grundmauern des Torwachthauses an der hier fast 2 m dicken Ringmauer. Neuzeitliches Gasthaus an die Quermauer angelehnt. Im Westteil Reste von Wohn- und Wirtschaftsbauten und der kreisrund gemauerte verschüttete Burgbrunnen. An ihrem Westende läuft die Unterburg in eine vorspringende Bastion aus, in der ein größeres Gebäude mit Kamin stand. Von der Nordwestecke der Unterburg aus zieht ein Torzwinger weiter aufwärts zur Mittelburg, Gewändspuren deuten auf ein hier vorhanden gewesenes Tor IV. Der Zwinger wechselt auf die Nordseite des Felskammes über und leitet vor das in die Mittelburg führende Tor V. Vor dem Tor früher Zugbrückengrube. Entsprechend dem Torbollwerk der Unterburg riegelt Tor V mit quadratischem Seitenturm und Flügelmauer den Mittelburgkomplex in geschlossener Front ab. Tor als Gewölbe ausgebildet, ca. 2X6 m i. L. mit Tonne, darüber Torhaus; der Seitenturm, mit dem Torhaus als Baukörper zusammengezogen, hat ca. 6X7 m Außenmaß, im Innern tonnengewölbtes Untergeschoß, nur von oben durch Mannloch zugänglich, als Verlies gedeutet. Hinter Tor V der schmale, lange Innenhof der Mittelburg, südlich begrenzt durch die Oberburgfelsen und einen das Bild beherrschenden quadratischen Renaissance-Treppenturm, der den Winkel zwischen Torbau und Oberburgfels einnimmt und einen später (16. Jh.) hinzugefügten repräsentativen Aufgang zur Oberburg darstellt. Nördlich des Hofes ein Renaissance-Schloßflügel, ca. 10X35 m, dreigeschossig, mit achsialen Fensterteilungen und reicher, innerer Unterteilung in Keller-, Treppen-, Vorrats- und Wohnräume. Mächtige äußere Strebepfeiler sichern den Bau gegen den abrutschgefährlichen Hang. Östlich des Schloßbaues erweitert sich der Hof, nördlich begrenzt durch die in Winkeln geführte Ringmauer und einen nicht zu deutenden Bau mit zwei symmetrischen Vortreppen; auf der schmal auslaufenden Ostspitze trapezförmiger Wehrturm, ca. 5X7 m, mit Strebepfeilern an seinen Kanten. Er beherrscht den Ostzwinger. An der südöstlichen Ringmauer der Mittelburg Sockelmauer einer schmalen Kemenate, ca. 4X10 m i. L., mit Estrichfußboden und Kamin, die runden Alabastersockel der Kaminsäulchen waren noch 1910 vorhanden, seitdem verschleppt. Unmittelbar neben der Kemenate das Tor VI, gleich Tor V als Gewölbegang mit Torhaus ausgebildet. Tor im Grundriß trapezförmig verzogen, im Mittel ca. 2X5 m i. L., schräg in die ältere (12. Jh.?) Tormauer einschneidend mit nach spätgotischer Art abgetreppt verzogener Bogenlaibung. Neben dem Torgewölbe Wachraum, ebenfalls trapezförinig, ca. 3X5 m, von rippenlosen Kreuzgewölben überspannt, mit Kamin und Abortnische. Eine außen westlich sichtbare Baufuge und der verschachtelte Grundriß weisen auf Umbau von Tor VI aus älterer, vielleicht romanischer Anlage. Austritt aus Tor VI in die Oberburg. Hof, ca. 11X16 m, südlich von der Ringmauer begrenzt, östlich der Torbau VI, nördlich durch alte Ringmauer. Westlich auf drei übereinander folgenden schmalen Terrassen entwickelt, der Palas, ca. 16X16 m, Zugang vom Oberburghof durch Tor VII mit Gewölbegang und dem gewölbten Toraufgang VIII zur obersten Terrasse. Kellergewölbe. Vor der Nordostecke des Palas der quadratische Bergfried, 7X7 m, mit rippenlosem Kreuzgewölbe im Erdgeschoß, das unmittelbar von außen betreten wird. In der Nordwestecke der von der Mittelburg heraufkommende Renaissancetreppenturm. Östlich des Bergfrieds ein ebenfalls dem 16. Jh. angehörender Freitreppenaufgang von der Mittel- zur Oberburg über gewölbten Bogennischen. Erhaltene Mauerreste, 1-10 m hoch, sämtlich infolge des vergrusenden Porphyrits in unaufhaltsamem Verfall begriffen, trotz aufwendiger, um 1900 ausgeführter Sicherungen. Die starke Verwitterung erschwert auch genaue Differenzierung der Bauperioden. 100 m östlich des Vorburg-Halsgrabens Grundmauer eines runden Wartturms, daneben Keller; sog. Hohnsteinwarte (vgl. dortselbst). Ca. 150 m Luftlinie südlich der Burg, 65 m tiefer als dieselbe, stehen an dem nach Neustadt als Hohlweg verlaufenden Burgweg die Ruinen eines ehemals unterkellerten Hauses und einer Scheune, vermutlich Reste des zur Burg gehörigen Gehöftes. Vom Volksmund unzutreffend als Burgpfarrhaus und Burgkirche bezeichnet. Geschichte: Erbaut vermutlich zu Anfang des 12. Jh. als Reichslehen. Konrad v. Hohnstein verstorben 1145 ohne männliche Erben. Erlöschen des ersten Hohnsteiner Geschlechtes. Als Erbschaft an Konrads Schwiegersohn, den Grafen Heske v. Orlamünde, wiederum ohne Sohn. Durch Heirat der Tochter mit Adelger v. Ilfeld fiel der Hohnstein nunmehr an die v. Ilfeld, die sich fortan Grafen v. Hohnstein nennen und das zweite Hohnsteiner Geschlecht begründen. Die Burg scheint schon damals mehrfach umgebaut und erweitert worden zu sein. 1413 fällt die Burg durch Kauf an die Grafen v. Stolberg. Sitz der Hohnsteinschen Macht fortan Burg Lohra auf der Hainleite (vgl. dort). Unter Stolberg aufwendige Umbauten zum wehrhaften Renaissanceschloß. 1627 Zerstörung durch den kursächsischen Obersten Christian Vitzthum v. Eckstädt. Seitdem Ruine. Funde: Keramik, Eisenzeug (Art und Verbleib unbekannt), gußeiserne Ofenplatten. Lit. u. Abb.: Ebhardt, 1939 mit Text u. Gr.; Meyer, ZHV 4 1871 S. 284; Tillmann, S. 424; Hoffmann, 1836 S. 78 ff. Abb. GPS-Koordinaten |