So war es früher

ABGELASSEN

Die Vorzüge und Annehmlichkeiten eines beheizten und mit einer Umwälzanlage ausgestatteten Freibades lernt man leichter zu schätzen, wenn man die Umstände kennt, die vor der Modernisierung des Bades im Jahre 1970 herrschten.
Für uns Kinder war es damals die schönste Freizeitbeschäftigung nach der Schule, an heißen Sommertagen" in die Badeanstalt " zu gehen. Wie furchtbar enttäuschend war es an manchen Tagen, wenn Freunde die schon eher Schule aus hatten, einem auf halben Wege entgegenkamen und schon aus einiger Entfernung riefen: "Könnt umkehr'n, is' abgelassen!"

"ABGELASSEN", dieses Wort hatte immer dann seine unheilvolle Daseinsberechtigung, wenn der Bademeister, trotz reichlicher Behandlung des Wassers mit Chlormilch, die hygienischen Verhältnisse des Wassers nicht mehr vertreten konnte. Aus dem sonst sauberen Badewasser wurde nämlich im Laufe der Zeit, je nach Witterung früher oder später, eine mehr oder weniger grüne Flüssigkeit, die selbst hartgesottene Badegäste davon abhielt, Erfrischung im Freibad zu suchen. Im Gegensatz zu Naturteichen fehlt in solch einer großen "Badewanne" natürlich der Selbstreinigungseffekt durch die Wasserpflanzen. So mußte alle drei bis vier Wochen "Abgelassen" werden.

Wenn das "Große" dann entleert war, fand man am Grund eine Masse aus Schmutz, Laub und anderem Dreck. Aber auch so einiges an Geldmünzen, die aus der Badebekleidung der Gäste in die undurchdringlichen Tiefen entschwanden. ( Bademeister Jockel - heute Fachangestellter für Bädertechnik - erzählte mir mit glänzenden Augen: "Das war manchmal 25 Mark, die wir mit dem Wasserschlauch aus dem Dreck spülten, damals viel Geld.")

Nachdem das ungeflieste, Betonbecken gereinigt war, wurde wieder "Eingelassen". Das Wasser kam direkt aus der nahen Oder und wurde in einem jetzt nicht mehr existierenden Pumpenhäuschen gefördert. Das dauerte zwei bis zweieinhalb Tage. Der Einlaß für das Frischwasser befand sich an der Südseite der Anlage. Das Frischwasser lief durch das ganze Becken und füllte zuerst die 3,5 m tiefe Sprunggrube an der Nordseite. Da konnte man schon wieder planschen, aber es war sehr kalt. Auch bereitete es viel Spaß, die Schrägen in den nächst tieferen Abschnitt hinabzurutschen, sehr zum Leidwesen der Mütter ( "Du brauchst ja schon wieder eine Badehose, diese ist total durchgerutscht, wie machst du das?" ). Nach und nach füllte sich dann das Becken und die heile "Hattorfer Welt" war wieder hergestellt - bis zum nächsten ABLASSEN !

Detlef Tront


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