Die St. Nikolai-Kirche zu Bad Sachsa

Die St. Nikolai-Kirche ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. So finden sich im Inneren weder Bilder der vier Evangelisten noch von Martin Luther - aber dafür kann die Kirche mit zwei Adlern aufwarten. Einer davon thront gar in 27 Metern Höhe direkt auf der Kirchturmspitze.

Dabei handelt es sich bei dem stählernen Vogel nicht etwa um den christlichen Auferstehungsadler, sondern um das preußische Hoheitszeichen. Im Jahr 1823 wurde der Adler erstmals als Wetterfahne auf dem Kirchturm installiert - zehn Jahre nach der Völkerschlacht. Damit brachten die Sachsaer ihre Freude zum Ausdruck, nach der napoleonischen Besatzung wieder zu Preußen zu gehören. Der Adler hatte jedoch nicht lange Bestand. 1834 wurde er durch ein neues Exemplar ersetzt - der alte war im Überschwung der patriotischen Gefühle zu groß geraten und vom Sturm heruntergerissen worden.

Der Zweite lebte dann auch etwas länger - bis ihn 1905 ein Blitz traf. Danach dauerte es bis 1950, bis erneut ein Adler auf der Kirchspitze befestigt wurde - allerdings mit der falschen Jahreszahl. Anstatt 1823 hatte der Neue nun sein Baujahr 1950 unter den Füßen. Die Erinnerung an das Völkerschlacht-Jubiläum wurde verwischt.

Da der Stahl so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch noch nicht die beste Qualität hatte, fiel der Adler dem Rost anheim und wurde 1989 erneut ersetzt - diesmal aus rostfreiem Stahl; einen Blitzableiter gibt es mittlerweile auch.

So außergewöhnlich ein weltliches Hoheitszeichen auf einem Gotteshaus ist - der preußische Adler auf St. Nikolai ist nicht alleine. Auf der Kanzel im Inneren der Kirche befindet sich ein weiteres, älteres Exemplar. In den Krallen hält der gekrönte Adler die Initialen "FR" - Fridericus Rex. Friedrich I. ließ sich 1701 zum ersten König in Preußen krönen. Als die Kanzel zehn Jahre später errichtet wurde, waren die Sachsaer als Bewohner der Grenzregion zum Herzogtum Braunschweig und dem Fürstentum Hannover wohl so stolz auf ihre Zugehörigkeit zum neuen Königreich, dass sie das Wappentier der Statue des auferstandenen Christus zur Seite stellten.

Der Grundstein für die seit dem Jahr 1525 evangelische Kirche wurde vermutlich im ausgehenden 12. Jahrhundert gelegt. Den schlichten Stil des "Harzer Bauernbarocks" prägten in den folgenden Jahrhunderten wohl vor allem durchfahrende Künstler, deren Namen nicht überliefert sind.

Zu den Werken unbekannten Ursprungs zählt auch das Altarbild, in dessen Zentrum das letzte Abendmahl steht, umrahmt von der Ankündigung Jesu Geburt, Kreuzigung und Auferstehung. Während der Schöpfer unbekannt ist, hat sich der Stifter des Altars in St. Nikolai verewigen lassen: Das unterste Bild des Altars zeigt den damaligen Bürgermeister Hans Hartmann mit Pfarrer Caspar Friedeland und weist ersteren im Jahr 1595 als Stifter aus.

Auch der Fachwerkanbau ist der Großzügigkeit, beziehungsweise dem Geltungsbedürfnis der lokalen Politik zu verdanken. So stifteten die Ratsleute im Jahr 1691 den Seiteneingang, um vor den auf den Kirchenbänken sitzenden Gemeindemitgliedern entlang ins Chorgestühl zu ziehen - "sehen und gesehen werden..."

Ein besonders auffälliges Exemplar findet sich an der von einer Moses-Statue getragenen Kanzel aus dem Jahr 1711: Während die anderen freundlich dreinschauen, blickt einer der Engel grimmig in den Raum.

Kurze Zeit zuvor, im Jahr 1680, wurde der Altarraum um zwei Emporen ergänzt. An ihnen sind auch einige der mehr als 30 Engel angebracht, die das Kircheninnere zieren.

Auch an den Türgriffen und im 1725 entstandenen Deckengemälde sind Engel zu sehen. Dort flankieren sie den offenen Himmel und Gott - zumindest im übertragenen Sinne. Denn der Maler hielt sich an das Bildnisverbot und stellte Gott als Dreifaltigkeits-Dreieck dar, in dessen Zentrum das hebräische Wort "Jahwe" steht.

Ob es sich auch bei dem aus der romanischen Zeit stammenden Vierkopf an der Decke im Vorbau um Engel handelt, oder die vier Köpfe vielmehr die Evangelisten, die Himmelsrichtungen oder etwas ganz anderes symbolisieren, ist bis heute unklar.

Foto: Florian Renneberg

Heilige sucht man in St. Nikolai auf jeden Fall vergebens - allein der Namensgeber Nikolaus von Myra erinnert an den Kreis der Heiliggesprochenen. Die Kanzel mit dem grimmigen Engelskopf stammt aus dem Jahr 1711.

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