Historische Gipsverarbeitung

Vom Beginn der Gipsindustrie in Walkenried

Die Hebung der Industrie im Herzogtum Braunschweig und die Ausbeutung bisher ungenutzter Bodenschätze gehörte zu den Versuchen Herzog Carls I. (1713 - 1789), neue Geldquellen zu erschließen. Ein Bodenschatz, der im Gegensatz zum Südharzer Eisenerz bis heute seine Bedeutung behalten hat, sind die Gipsvorräte im äußersten Süden des ehemaligen Herzogtums Braunschweig bei Walkenried und Neuhof. Allerdings war um die Mitte des 18. Jahrhunderts von diesen Bodenschätzen in Walkenried so gut wie nichts gehoben.

Da im Stiftsamt Walkenried großer Bedarf an Baugips vorhanden war, der meist durch Einfuhren aus Ellrich gedeckt wurde, beauftrage die herzogliche Kammer in Blankenburg 1750 den Zorger Oberfaktor Balcke mit der Erstellung eines Gutachtens: „ob ein ordentlicher Gipsofen in Walkenried selbst zu bauen sei oder ob jemanden die Konzession zum Betrieb eines solchen Gipsofens zu erteilen sei.“ In Walkenried wurde zu jener Zeit bei Bedarf aus lose herumliegenden Gipssteinen in Meilern Gips gebrannt; einen geregelten Steinbruchbetrieb gab es also derzeit noch nicht.

Balckes Gutachten empfahl abschließend, die Gipsbrennerei mit einer Ziegelbrennerei zu verbinden und den Nordhäuser Ziegelbrenner Johann Matthias Siebert mit dem Betrieb zu beauftragen. Der älteste Beleg für den Gipsofen am Röseberg datiert vom Mai 1753.

Der Name „Röseberg“ kommt im lokalen Zusammenhang mit Gips- und Kalklagerstätten sehr häufig vor; er leitet sich vom schon im Mittelalter in Meilern oder Stadeln praktizierten „Rösten“ der Gips- und Kalksteine ab.

Wie lange die Gipsbrennerei auf herrschaftliche Kosten betrieben wurde, ließ sich bisher nicht ermitteln, zumindest wurde die Gipsbrennerei in den darauffolgenden Jahrzehnten als Pachtbetrieb weitergeführt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass bereits im 19. Jahrhundert das Thema der Rekultivierung von Steinbrüchen eine Bedeutung hatte. Behördlicherseits wurde angemerkt, dass der Steinbruch eine „durch regellos aufgestürzte Steinhaufen verwüstete betrachtliche Fläche“ darstellt und demzufolge rekultiviert werden müsste. Insofern entstand bereits 1839 ein Abbau- und Rekultivierungsplan.

Als sich 1864 mit dem Hütteneleven Albrecht Meier ein technisch wie auch wohl kaufmännisch versierter Gipshersteller in Walkenried niederließ, begann eine neue Ära der Gipsherstellung. Nachdem Albrecht Meier die Gipsbrennerei 1868 übertragen wurde, führte er im so genannten „Meier‘schen Ofen“ das Verfahren ein, dass der Gips nur noch durch die Brenngase erhitzt wurde und nicht mehr mit dem Brennmaterial direkt in Verbindung kam.

Hierdurch wurde die Gefahr des reduzierenden Brennens bei mangelhafter Luftzuführung eliminiert; der Brand war überdies gleichmäßiger.

Albrecht Meier machte auch Versuche mit ausschließlicher Verwendung von Gips im Hausbau und errichtete zu diesem Zweck u.a. die Villa auf dem Betriebsgrundstück.


 

Nachdem Albrecht Meier 1904 verstarb, erwarb Fritz Rode die Walkenrieder Gipsfabrik und erweiterte diese 1905 durch eine moderne Gipskocherei, 1906 durch eine Dampfmaschine, 1908 einen Gleisanschluss und 1925 durch den ersten Drehofen in der Südharzer Gipsindustrie. Ende der 1970er Jahre verkaufte sein Sohn die Gipsfabrik an die Firma Börgardts. Im Oktober 1979 wurden alle Produktionsgebäude der Walkenrieder Gipsfabrik nach über 225-jähriger Tradition abgerissen.

[ Fritz Reinboth: Aus der Geschichte der Walkenrieder Gipsindustrie ]

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