Neuer Erdfall bei Steigerthal eingebrochen

Wieder einmal beweist die Gipskarstlandschaft, dass sie einer ständigen Dynamik unterliegt. Direkt am „Eingang“ zum Waldgebiet des Alten Stolberg in Steigerthal hat sich ein neuer, kreisrunder Erdfall inmitten einer Ackerfläche aufgetan...

Nahe des Karstwanderweges kann dieses Zeugnis einer bewegten Erdgeschichte besichtigt werden. Der Erdfall ist ein Beispiel dafür, dass die Auslaugungsvorgänge des in Wasser löslichen Gipsgesteins auch unterirdisch weiter voranschreiten. Unweit dieses Geschehens versinkt der Steigerthaler Bach durch ein Ponor (Schluckloch) ebenfalls in den Untergrund.

Es bedarf keines geschulten Auges, um zu erkennen, dass der Dorfbach das stark belastete häusliche Abwasser des Ortes aufnehmen und transportieren muss. Vorbei an einem gut frequentierten Spielplatz und schon aus hygienischer Sicht äußerst fragwürdig, wird diese Umweltbelastung seit Jahrzehnten von den zuständigen Stellen toleriert. B90/Grüne kritisiert diesen Zustand und erwartet von den für diesen Zustand verantwortlichen Gremien eine zeitlich fixierte Lösung.

Die Planungen für eine dem Stand der Technik entsprechende Abwasserreinigung kann nicht auf Jahre hinaus verschoben werden. Insgesamt ist die Situation äußerst prekär, schließlich werden die Abwässer direkt in den Untergrund und damit in das Grundwasser eingeleitet. Auf grund der hydrogeologischen Gegebenheiten tritt ein Teil des eingeleiteten Abwassers an unterhalb liegenden Quellen wieder zutage. Unmittelbar am stark frequentierten Karstwanderweg gelegen, bietet sich dem Betrachter nicht nur ein unschönes Bild, sondern so mancher Wanderer fragt sich auch, wer diese Situation eigentlich zu verantworten hat.

B 90/Grüne werden die Umweltbelastung im Steigerthaler Bach auch im Interesse der Gefahrenabwehr einer möglichen Trinkwasserbelastung im Auge behalten.

NNZ-online.de , Februar 2007



Die Hirschweghöhle

Dieser Ponor ist eigentlich keiner, oder besser gesagt, ein vom Menschen provozierter. Er befindet sich im Sulfatkarst des Südharzes im Kreis Nordhausen, in der Gemeinde Steigerthal. 1907 erhielt die Gemeinde Steigerthal eine Trinkwasserleitung. Der Überlauf des Hochbehälters lief ab und zu über und erreichte das benachbarte Gehöft. Die Anwohner hackten eine schmale Rinne, und das Wasser versickerte nach wenigen Metern in unmittelbarer Nähe des Hochbehälters. In kürzester Zeit entstand ein unterirdischer Abfluß, eine künstliche Schwinde.

SCHUSTER schrieb darüber:
". . . Die Schlotte hatte bereits die Form als Kluft, kurz nach dem ersten Weltkrieg. Weil also die Kluft frei war, wollten die Kinder einsteigen, Tiefe 23 m. Man wollte einen alten Wagen dazu nehmen und am Hinterrad ein Seil befestigen. Als man hinkam, war das Loch zu. Es war eine große Anhydritplatte darüber gelegt worden. Im Oktober etwa war die abdeckende Steinplatte zusammengebrochen.
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg war es erneut eingebrochen, es hatte wochen-lang offen gestanden. 1938 war es 21 m tief. . ."

Dieser Schacht wurde ständig mit Müll und Schutt des Dorfes verfüllt. Aber das Wasser arbeitete weiter. Der Überlauf des Hochbehälters gab dazu die Möglichkeit. So brach 1974 der Müllpropfen in die Tiefe und das Loch war wieder offen.

SCHUSTER schrieb dazu:
". . . Gelotete jetzige Teufe am Samstag, den 15. März
1974 = 24,30 m . . ."

schrieb aber an anderer Stelle

". . . Tiefe: 23,40 m . . ."

GRAF schrieb über diese Bildung:
". . . Befahrung nur mit Hilfsmitteln möglich. Die Tiefe beträgt 25,1 m. 3 m vom Mundloch entfernt befinden sich Obstbäume zum Befestigen der Seile bzw. Seilleitern. Zeitweise schüttet das in die Höhle entwässernde Überlaufrohr des Hochbehälters bis zu 0,5 l/s Wasser, wodurch die Befahrung beeinträchtigt werden kann. . ."

Die Hirschweghöhle wurde erneut verfüllt, die Ursache für ihre Bildung aber nicht beseitigt. Zuvor befuhr GRAF mit seiner Nordhäuser Forschergruppe die Höhle und fertigte eine Vermessung an.
Im Oktober 1979 öffnete sich der Schacht wiederholt. Durch die ständige Senkung war das Wasserleitungsrohr mit durchgebrochen und hatte nun seinerseits dafür gesorgt, daß ein großer Einbruchskrater entstanden war.

C. VÖLKER schrieb darüber:

". . . Durch die Bundesfreunde BRÜNING und KÜHLEWINDT der Fachgruppe Nordhausen erfuhren wir, daß sich in der Nähe der ehemaligen zugeschütteten Hirschweghöhle ein neuer Ponor durch einen Rohrbruch im Hochbehälter der Wasserversorgungsanlage von Steigerthal aufgetan hatte. Schnell war ein Termin zur Befahrung dieses Schachtes vereinbart. So trafen sich am 31.10.1979 Bernd Brüning, Herr Kühlewindt und Christel und Reinhard Völker in Steigerthal.
Wir hatten alles vorbereitet. Vorsorglich lagen 40 m Seilleitern und 2 Seile bereit. Die alte Hirschweghöhle sollte eine Tiefe von immerhin 24 m gehabt haben. An Ort und Stelle angekommen, erschraken wir erst einmal über die Müllberge, die uns die Sicht versperrten. Dann sahen wir die Bescherung. Unmittelbar hinter dem Überlauf des Hochbehälters hatte sich ein 4 m tiefer und 4 m breiter, 10 m langer Krater gebildet. Anstehendes Material war ein grauer Ton. Im Erdfall verschwand das Wasser der Wasserleitung. Neben diesem Krater war ein tiefer Schacht mit einem Durchmesser von ca. 2 m zu sehen.
Aus diesem Schacht drang das Geräusch fließenden Wassers. Diesen Schacht wollten wir befahren...
Seilleitern und Sicherungsseile waren bald befestigt und ich machte mich zur Befahrung fertig, ich durfte zuerst einfahren. Während der ersten Minuten spürte ich nur, daß sich mindestens ein Zentner Lehm und kleine Steinchen über mich ergossen.
Ich konnte kaum die Augen öffnen und kletterte die Sprossen der Leiter rein mechanisch. Die Intensität dieses Lehmregens ließ aber bald nach, und ich erblickte eine wunderschöne geologische Orgel.
In einer Tiefe von 16 m konnte ich mit den Füßen festen Boden erreichen. Ich stand auf einem Müllkegel. Es roch ekelhaft! Nachdem ich mich aus dem Seil ausgehakt und die Lampe angemacht hatte, betrachtete ich meine Umgebung. In Richtung des neuen Erdfalles befand sich eine phantastische, ungefähr 3 m hohe Grotte, aus der wie ein kleiner Wasserfall das im Erdfall verschwindende Wasser wieder zum Vorschein kam. Man sah die bizarrsten Formen, die im Gips nur gebildet werden können. In etwa 16,5 m Tiefe hatte sich ein gleichmäßiger Wasserspiegel eingestellt. Man sah deutlich, daß sich der Schacht ungefähr von Wasserspiegelhöhe an konisch nach unten erweiterte. Der Durchmesser betrug 4 m . . ."

Im gleichen Jahr wurde dieser Schacht durch das Karstmuseum und die Gruppe Nordhausen mit einer Eisentür verwahrt.

Spätere erneute Wassereinbrüche und dadurch provozierte Erdfälle in der Ortslage Steigerthal zeigten die unterirdische Abflußrichtung des Wassers. Das führte zur Außerbetriebsetzung des Hochbehälters.
GRAF war der Meinung, daß sich unter der schwachen Tonbedeckung aus Auslaugungsrückständen im darunter liegenden Hauptanhydrit geologische Orgeln bilden. Diese Tatsache wurde schon von HAEFKE geäußert. Diese Orgeln wurden durch das Trinkwasser, welches besonders korrosionsfähig ist, wiederbelebt. Die Verfasser sind der Meinung, daß es dieser Orgeln nicht bedurfte. Aus anderen, ähnlichen Erfahrungen ist ersichtlich, daß das Trinkwasser in der Lage ist, solche Formen in kürzester Zeit zu bilden.
Dies bewiesen die ähnlichen Vorgänge am Überlauf des Hochbehälters der Gemeinde Tilleda, wo innerhalb von wenigen Wochen ein etwa 15 m tiefer Schacht entstand.
Ob mit oder ohne Orgel, das Trinkwasser bildete einen aktiven Ponor, der einen etwa 25 m tiefen, senkrechten Schacht im Verlaufe weniger Jahre ausbildete.
In 25 m Tiefe ging das vertikal einfließende Wasser in eine horizontal fließende Bahn über. Das ist der typische Übergang von der vadosen zur phreatischen Zone.
GRAF fand auch bei seiner Erstbefahrung im unteren Teil des Schachtes wunderschöne phreatische Fließformen. Der obere Teil des Schachtes zeigte die typischen vadosen Kleinformen von Schachthöhlen. Der phreatische, also horizontale Fließweg des Wassers ließ sich durch Oberflächeneinbrüche kleineren und größeren Ausmaßes noch 200 m weit verfolgen. Diese Einbrüche führten schließlich dazu, daß dieser "künstlich" entstandene Ponor stillgelegt wurde.
Wassermarkierungen wurden nicht durchgeführt, der phreatische Bereich dürfte mit Ton, Müll und Bauschutt leider völlig versetzt sein.
Die wunderschön, fein ziselierten Formen an der Schachtwand können nur durch Kontakt eines durchfeuchteten Lehmpfropfens mit dem Anhydrit erklärt werden.
Dieser wurde durch den etwa 0,5 m starken, bedeckenden Ton gebildet, der ständig mit eingeschwemmt wurde. Dazu kommen tonige Reste des Unteren Buntsandsteins. Von Zeit zu Zeit sackte der Lehmpfropfen in den angelegten phreatischen Bereich und damit wurde der vadose Schachtbereich wieder geöffnet. Das an der Schachtwand zwischen Lehmpfropfen und Anhydrit herablaufende Wasser korrodierte nicht nur.
In seiner Übersättigung kristallisierten im Lehm auch Gipskristalle in Form von Marienglas aus.
Diese waren beim Durchrutschen des Lehmpropfens überall im Lehm zu finden. Der in der Zeichnung dargestellte untere Raum war nach GRAF ebenfalls völlig mit Marienglas ausgeschlagen.
Die Öffnung des Schachtes im Jahre 1979 hat den unteren Raum nicht wieder freigegeben. Das einfließende Wasser hatte jedoch eine phreatische Abflußbahn angelegt, die man etwa 10 m weit in Richtung Dorf verfolgen konnte. Passierbar war sie aber nicht.


Frischer Einbruch (15 m tief) im Frühjahr 1980 infolge
des unverminderten Wassereintritts in die Hirschweghöhle

VÖLKER, Christel & VÖLKER, Reinhard (1988): Ponore des Südharzes.- Mitt. Karstmus. Heimkehle 18:56-63u.65, Uftrungen

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