Fritz Reinboth
Mitt ArGeKH 1+2/2010

Zur Erforschungsgeschichte der Rotkamphöhle (Lichtensteinhöhle)

Mit der Eröffnung des Höhlenerlebniszentrums am Iberg bei Bad Grund mit einem Nachbau der sog. Lichtensteinhöhle bei Förste hat die Dokumentation über dieses Natur- und Kulturdenkmal eine neue Dimension erreicht. In Fernseh-, Internet- und Presseveröffentlichungen haben Journalisten die Entdeckungs- und ältere Erforschungsgeschichte der Höhle vielfach sehr entstellt wiedergegeben, weil sie offensichtlich mit entsprechend verstellten Pressemitteilungen von interessierter Seite gefüttert wurden. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind demgegenüber korrekter, gehen aber auf diesen Teil der Höhlengeschichte – wenn überhaupt – meist nur kurz ein. Diese Informationslücke soll mit den folgenden Ausführungen geschlossen werden. Subjektive Wertungen möge man dem Autor als Beteiligtem nicht verübeln.
Vorangestellt seien Angaben über eine „Lichtensteinhöhle“, die bei der ersten Aufstellung des Harzer Höhlenkatasters erfasst worden ist 1.

Kat.-Nr. 4227/01 Lichtensteinhöhle
Die nicht eindeutig lokalisierte Lichtensteinhöhle wurde 1951 durch Axel Herrmann bei Feldgängen für seine Dissertation am Lichtenstein aufgefunden. Am 3.1.52 erschien eine präzise Beschreibung im Osteroder Kreisanzeiger, jedoch begreiflicherweise ohne Lageangabe (N. N.: Eine neue Tropfsteinhöhle am Lichtenstein). Vermutlich ging die Höhle inzwischen durch Gipsabbau verloren. Im Steinbruch wurden später mehrfach Höhlen angefahren.

Es sei betont, dass es sich dabei nicht um die heute als „Lichtensteinhöhle“ bezeichnete Höhle handelt. Vielmehr wurde diese nach ihrer Entdeckung 1972 unter dem Namen Rotkamphöhle im Kataster als Nr. 4227/04 erfasst.

Die Entdecker Dieter Friebe, Harry Peinemann und Udo Wagner aus Förste waren auf der Suche nach einem angeblichen unterirdischen Gang der Burg Lichtenstein am 23. April 1972 auf eine Kluft gestoßen, der ein starker Wetterzug entströmte. Sie erweiterten diesen unpassierbaren Spalt mit Hammer und Meißel auf etwa 30 cm Breite, so dass eine nicht zu korpulente Person mit einiger Mühe einfahren konnte. Gleich hinter dem Eingangsspalt erweitert sich die Höhle als mehrfach abknickende, bis zu mannshohe Kluft. Nachdem Kinder in die Höhle eingedrungen waren und dort Schäden verursacht hatten, wurde der Eingang von den Entdeckern mit einer Gittertür verschlossen. Sie informierten am 3. November den Verband deutscher Höhlen- und Karstforscher über die neue Höhle, dessen Geschäftsführer Hans Binder diese Mitteilung am 13. November an mich als damaligen Katasterführer weiterleitete. Ich nahm Kontakt zu Dieter Friebe auf und besichtigte die Höhle erstmals am 10. Februar 1973. Im meinem Höhlentagebuch findet sich unter diesem Datum folgender Bericht:

10.2.73 Höhle im Burghai / Lichtenstein
Die Höhle wurde nach einer vergeblichen Suchaktion nach einem „unterirdischen Gang“ vom Lichtenstein zu einer Quelle durch Dieter Friebe und Gef. entdeckt und freigelegt. Die Höhle folgt Abrissklüften am Lichtenstein-Westhang zur Söse, ca. 5 m über der Flußaue. Zahlreiche (ca. 5) übereinanderliegende Hohlkehlen mit Fließfazetten, Fließrichtung zum Eingang. Die Kehlen sind am Höhlenende zum Teil verworfen, zum anderen Teil ungestört. Gipskristallbildungen u. -sedimente in der ganzen Höhle. Am Ende einziehende Wetter. Vermessung (Grundriß).

Am 18. März 1973 hatte Dieter Friebe die Entdeckung dem Landkreis Osterode als Unterer Naturschutzbehörde gemeldet und um Sicherstellung als Naturdenkmal ersucht. Am 31. März wurde von der ArGefnH Harz (Wieda) anstelle der inzwischen aufgebrochenen provisorischen Tür eine mit Inbusschlüssel an raffiniert versteckter Stelle zu öffnende Stahltür eingesetzt, deren Türblatt Gerd Graenert (Wahlsburg) organisiert hatte. Potentielle Einbrecher wurden durch einen funktionslosen Schlosszylinder irregeführt. Um diesen Türeinbau rechtlich zu abzusichern, bat ich in einem Schreiben an den Oberkreisdirektor Böttcher mit eingehender Begründung nochmals um die Sicherstellung als ND. Da es keinerlei Reaktion gab, wies Udo Wagner, einer der Entdecker, am 18. April in einem Brief an den Oberkreisdirektor nochmals eindringlich auf die Schutzwürdigkeit der Höhle hin.
Darauf ersuchte der Landkreis Osterode Firouz Vladi aus Hamburg, mit dem damaligen Kreisnaturschutzbeauftragten Dr. Mathieu die Höhle zu begutachten. Eine Besichtigung fand aber m. W. nicht statt. Am 6. Dezember 1973 übersandte ich erneut Unterlagen für die Sicherstellung an den Landkreis und erstellte am 20. Februar 1974 auf Ersuchen der Naturschutzbehörde vom 25. Januar ein eigenes Gutachten. Am 14.10.1974 – 1 1/2 Jahre nach dem ersten Antrag von Dieter Friebe – erfolgte endlich die einstweilige Sicherstellung als Naturdenkmal 2.

Inzwischen war der bis dahin provisorisch als „Höhle im Burghai“ bezeichneten Höhle von den Entdeckern auf meinen Vorschlag hin die Bezeichnung Rotkamphöhle beigelegt worden. Das Rotkamp liegt unmittelbar vor der Höhle in der Förster Feldmark. „Burghaihöhle“ wäre sprachlich unschön gewesen; der naheliegende Name Lichtensteinhöhle wurde bewusst nicht gewählt, weil er wie oben beschrieben bereits vergeben war.

Am 9.11.1974 besichtigte der damalige Dezernent für Naturschutz beim Regierungspräsidenten in Hildesheim, Herr v. d. Osten, gemeinsam mit Herrn Bierhals von der TU Hannover und dem Verfasser die Höhle. Die Tür wurde aufgebrochen vorgefunden. Herr v. d. Osten zeigte sich von den Kristallbildungen in der Höhle beeindruckt und bat um möglichst umgehende Reparatur der Tür. Diese erfolgte bereits am folgenden Tage mit schwierigen Schweißarbeiten durch Peter und Herbert Kamphenkel und den Verfasser, die sich bis zum Einbruch der Dunkelheit hinzogen und natürlich wegen des unvermeidlichen Feuerwerks beim Schweißen beobachtet wurden.

Nun erschien zunächst auf dem benachbarten Feldweg am Rotkamp eine männliche Gestalt mit Hund, bald nach deren Abgang der VW einer Polizeistreife. Einer der beiden Polizeibeamten ging unter Feuerschutz (!) mit einem Scheinwerfer auf die Baustelle zu, verhedderte sich aber im Gestrüpp. Als ich ihm deshalb entgegengehen wollte, glitt ich auf dem Steilhang aus, was den Beamten zu dem scharfen Ruf veranlasste: „Halt! Stehenbleiben!“ Wir konnten die Beamten aber davon überzeugen, dass wir in behördlichem Auftrage tätig waren. Wir sollten aber beim nächsten Mal lieber vorher Bescheid sagen…
Am 11.11.1974 wurde der Landkreis Osterode über die Reparatur der Tür unterrichtet. Die Kosten übernahm der Landkreis als Untere Naturschutzbehörde.

Nun protestierte ein Herr Degener, Vorsitzender der Forstgenossenschaft Lichtenstein in Dorste, gegen den unerlaubten Einbau einer Tür in derem Walde. Der Landkreis leitete diese Beschwerde am 18.3.1975 an die ArGefnH (Harz) weiter (!). Dazu muss man wissen, dass die Dorster Waldbesitzer wegen Gipsabbau am Lichtenstein schon mit der Firma Rigips verhandelt hatten.

Am 6.4.1975 schrieb mir Dieter Friebe, dass die Tür erneut mit größter Gewalt – vermutlich mit einem Traktor – aus der Verankerung gerissen sei. Über den Täterkreis darf spekuliert werden. Am nächsten Tage teilte ich dem Landkreis den neuerlichen Einbruch mit und bat um einen formellen Auftrag zur Reparatur der Tür, um gegen eine abermalige Klageandrohung der Forstgenossenschaft Lichtenstein abgesichert zu sein. Da dieses Schreiben ohne Antwort blieb, erinnerte ich am 24.4.1975 schriftlich an den Vorgang.

Bei einer Befahrung am 10.5.1975 mit dem tschechischen Speläologen Otto Ondrousek (Brünn) wurden Beschädigungen der Gipssinterbildungen durch Mineraliensammler festgestellt. Deshalb wurde am 24.5.1975 von Gernot Möbus, Herbert Kamphenkel, Bodo Göllnitz (alle Wieda) und dem Verfasser – ohne Formalitäten abzuwarten – eine neue Tür mit innenliegendem Vorhängeschloss eingebaut. Schlüssel wurden am 5.6.1975 dem Landkreis, Herrn Degener (Forstgenossenschaft Lichtenstein) und der ArGefnH-Gruppe Hamburg ausgehändigt. In den folgenden fünf (!) Jahren wurde die Höhle aber – soweit bekannt – lediglich von der ArGe Wieda zu Kontrollzwecken besucht. Die Angabe „In der Folgezeit waren die geologischen Besonderheiten der Höhle immer wieder Anlass für Besuche von Wissenschaftlern und Höhlenforschern“ 3 ist also sehr zu relativieren.

Am 29.2.1980 drang Kathrin v. Ehren (Hamburg) bei einer Befahrung der Höhle mit Firouz Vladi ein Stück in die für unschliefbar gehaltene Spalte am bisherigen Höhlenende ein. Dabei sah sie am Ende der Spalte einen Knochen liegen. Dieser Fund gab Anlass zur näheren Überprüfung. Die Engstelle wurde in mühsamer Arbeit durch Bernd Schuhose erweitert. Ernst Schuhose, Uwe Fricke und Firouz Vladi gelang am 15.3.1980 der erste Vorstoß in die Fortsetzung der Höhle mit der spektakulären frühgeschichtlichen Fundstätte.

Die langjährige Betreuung der Höhle durch die damalige Gruppe Wieda war damit beendet. Das 1975 eingehängte Schloss wurde umgehend durch den Landkreis ausgewechselt. Sogar der von den Entdeckern gewählte Name der Höhle wurde in „Lichtensteinhöhle“ geändert, weil sie zu Dorste, das Rotkamp aber zur Gemarkung Förste gehöre. Pikanterweise sollen jetzt in Förste – also nicht in Dorste – zwei Nachkommen der in der Höhle Bestatteten durch DNA-Analysen nachgewiesen sein. Man darf abwarten, ob die als wissenschaftliche Sensation propagierte Hypothese einer ununterbrochenen Ahnenreihe seit der Bronzezeit (!) – d. h. Kontinuität der Besiedelung über die Völkerwanderungszeit hinweg – wirklich Bestand haben wird. Wer es genauer nachlesen möchte, findet dazu u.a. eine Kurzmitteilung in den ArGeKH-Mitt. 1+2/2007 und die Dissertationen der Göttinger Wissenschaftler im Internet.

Anläßlich der Suche nach einem vielleicht verschütteten alten Zugang hatte ich am 3.5.1980 zusammen mit Helmar Spier Gelegenheit, die neuen Teile zu befahren. Mein Tagebuch enthält eine kurze Beschreibung der damaligen Fundsituation.

3.5.80 Rotkamphöhle. Befahrung der neuen Teile mit Helmar Spier.
Durch die außerordentlich enge, stark mäandrierende Fortsetzung des Hauptganges der alten Rotkamphöhle kommt man unter akrobatischen Verrenkungen in die erste Grabkammer, wo in der Ecke - dort, wo der Schluf heraufkommt - bereits ein wirrer Knochenhaufen liegt. Auf der rechten Seite liegen einige große Knochen und ein Schädel, aber offenbar nichts im Verband. Etwas oberhalb ein weiterer Schädel, völlig unter Gipssinter. Die Knochenmasse scheint aufgelöst. Stellenweise liegen einige Bronzedrahtringe. In der Fortsetzung („Horstspalte“) weitere Knochen, ein Drahtring und ein münzähnliches Bronzeplättchen. Der „Torsionsschluf“, den Helmar im 1. Ansatz nicht schaffte (linkes Bein bräuchte ein weiteres Gelenk) führt in eine zweite, voller Knochen liegende Kammer. Die Knochen sind auch rechts in einen abwärts führenden Schluf gerollt. Weiter hinten links unter flacher Firste ein weiterer, nicht versinterter Knochenhaufen, dabei ein Hasenschädel. Von dort durch weitere, aber bequeme Engstelle in den letzten Raum. Hier liegen einige Schädel und der Rest eines Fuchsskeletts sowie Tierexkremente. Von hier fanden wir einen aufwärts führenden Spalt, der 6 m hochführt und oben Ruf- und Sichtverbindung
zu einer kleinen Höhle hat. Unter der Spalte ein Lehmkegel. Die Schädel können hier hereingerollt sein. Auch der Fuchs ist wahrscheinlich hier abgestürzt.


Abb. 1: Hohlkehlen, Fließfacetten und Gipskristalle
am Ende des alten Teils der Rotkamphöhle (Lichtensteinhöhle),
Foto F. Reinboth 1973

An den weiteren Arbeiten und Veröffentlichungen waren dann weder die Entdecker noch Mitglieder der früheren ArGefnH Wieda beteiligt.
Die ersten anthropologischen Untersuchungen erfolgten durch Wissenschaftler der Georg August-
Universität Göttingen. Ohne Höhlenerfahrung bewältigten sie die extremen Engstelle am Ende des alten Teils; den heutigen Stollen gab es ja noch nicht. Diese Leistung verdient besondere Anerkennung.

Schrifttum

 S.Kempe & F. Vladi: Die Lichtenstein-Höhle – Eine präholozäne Gerinnehöhle im Gips und Stätte urgeschichtlicher Menschenopfer am Südwestrand des Harzes. – Heimatbl. südwestl. Harzrand 44 (1988), S. 1-12
B.
Herrmann: Erste anthropologische Befunde aus der Lichtensteinhöhle bei Dorste. – Heimatbl. südwestl. Harzrand 44 (1988), S. 13-15
R.
Nielbock & H.-G. Kohnke: Die Lichtensteinhöhle bei Osterode – Bemerkungen zum Stand der Erforschung der postglazialen Höhlenbegehung und -nutzung im südlichen Niedersachsen und nordwestlichen Thüringen. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 37 (1991), S. 20-22
S.
Flindt: Die Lichtensteinhöhle bei Osterode, Landkreis Osterode am Harz. Eine Opferhöhle der jüngeren Bronzezeit im Gipskarst des südwestlichen Harzrandes. – Die Kunde N. F. 47 (1996), S. 435-466
S.
Flindt: Die Lichtensteinhöhle bei Osterode, Ldkr. Osterode am Harz. Eine Opferhöhle der jüngeren Bronzezeit im Gipskarst des südwestlichen Harzrandes. – Ber. Denkmalpfl. Nieders. 16 (1996), H. 2, 41-43
S.
Flindt: Die Lichtensteinhöhle. Eine Opferhöhle der jüngeren Bronzezeit aus Niedersachsen. Internationale Archäologie 38 (1997): 177–188
S.
Flindt & C. Leiber: Kulthöhlen und Menschenopfer im Harz, Ith und Kyffhäuser. – Osterode 1998 (=Archäologische Schriften des Landkreises Osterode am Harz 2)
U.
Fricke: Zur Entdeckung der bronzezeitlichen Funde in der Lichtensteinhöhle bei Osterode am Harz im Jahr 1980. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 45 (1999) 3, S. 128-131
S.
Flindt (Hrsg.): Höhlen im Westharz und Kyffhäuser. – Osterode 2001 (=Archäologische Schriften des Landkreises Osterode am Harz 3)
B.
Ringewaldt: Licht ins Dunkel bringen. Opferritual oder Familiengrab? Ein neues DNA-Verfahren der Universität Göttingen läßt den Knochenfund in der Harzer Lichtensteinhöhle in einem anderen Licht erscheinen. – RegJo I/2001, S. 93, Göttingen


Abb. 2: Stalaktitischer Gips (rechte Wand) im alten Teil der Rotkamphöhle (Lichtensteinhöhle),
Foto F. Reinboth 1973


1 vgl. Quellenanhang
2 Die Angabe „[die Höhle] steht seit 1981 als Naturdenkmal unter Schutz“ (Kempe & Vladi 1988) trifft so nicht zu.
3 Flindt & Leiber 1998, S. 52


Anhang I

Fritz Reinboth (ArGe für niedersächsische Höhlen, Gruppe Harz)

Gutachten über die Rotkamphöhle am Lichtenstein (Gemarkung Dorste)
Die Rotkamphöhle liegt am nordwestlichen Abhang des Lichtensteins etwa 5 m oberhalb der Niederterrasse der Söse. Der Eingang, ursprünglich eine ungangbare Spalte, wurde künstlich erweitert, da ihm ein außerordentlich starker Luftzug entströmte, der Fortsetzungen vermuten ließ. Die Höhle besteht aus einer 50 Meter langen, relativ engen Abrißkluft, die parallel zum Steilhang des Gipsmassivs streicht (vgl. den Grundriß). Diese Kluft ist korrosiv erweitert, wie sog. Fließfacetten (durch fließendes Wasser gebildete Dellen) und Hohlkehlen zeigen.

Die Hauptbesonderheit der Höhle ist ein ungewöhnlicher Reichtum an idiomorphen Gipskristallen, welche - bis auf den durch eingedrungene Kinder beschädigten Eingangsteil - alle Höhlenwände und den Boden überkrusten. Das beigefügte Foto zeigt einen Teil dieser Kristallbildungen. Eine außerordentliche Seltenheit ist das Vorkommen stalaktitisch gebildeten Gipses im Bereich dieser (bisher in diesem Umfang noch nicht beobachteten) Kristallrasen. Tropfsteine bilden sich in der Regel nur in kohlensaurem Kalk. Die Untersuchungen zur Erklärung dieses auffallenden Höhlenschmuckes sind noch nicht abgeschlossen.
Parallelbeobachtungen deuten auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Bewetterung
der Höhle, d.h. auf den starken Luftzug.
Die Rotkamphöhle verdient wegen ihrer Eigenschaft als ausgeprägte Kristallhöhle besonderen Schutz, insbesondere auch vor unseriösen Mineraliensammlern, die bereits verschiedene kleinere Schäden verursacht haben. Die Höhle wurde daher am 31.3.73 mit einer Stahltür gesichert. Weiterhin ist die Höhle schutzwürdig durch die dort ausgebildeten Kleinformen (Fließfacetten und Hohlkehlen), die hier exemplarisch ausgebildet sind.
Die Sicherstellung als Naturdenkmal wird empfohlen.

20. 2.1974
(gez. F. Reinboth)


Anhang II

Bericht über die Entdeckung der Lichtensteinhöhle in der Osteroder Zeitung vom Donnerstag, 3. Januar 1952

Eine neue Tropfsteinhöhle am Lichtenstein
OSTERODE. Immer wieder einmal öffnet die Natur denen, die sich tagaus - tagein mit der Erforschung und Deutung ihrer Geheimnisse befassen, das Tor zu einem ihrer intimsten Bereiche. So gelang es einem jungen Geologen bei seinen Feldbegehungen, am Lichtenstein eine neue Höhle in den dortigen Gipsfelsen zu entdecken.
Zusammen mit einem Interessenten aus Badenhausen wurde mit Grubenlampen und unter vorschriftsmäßiger Anseilung die erste Begehung durchgeführt. Schon der Vorraum der Höhle, zu dem noch letzte Reste des Tageslichts Zugang haben, ist mit einem Teppich von prächtigen Kalkrosetten ausgelegt.
Zahllose Einzelkristalle sind hierbei blumenkohlartig ineinandergefügt und sitzen meist auf einem kurzen Stiel; in hunderten von Exemplaren bieten diese Wuchsformen ein überwältigendes Bild von der unendlich variierten Gestaltungskraft der Natur.
Durch eine sehr schmale und enge, gerade einen Menschen durchlassende Öffnung kommt man in den eigentlichen Höhlenraum. Er erstreckt sich bei einer Höhe und Breite von nur einem Meter etwa 12 bis 15 Meter in nordsüdlicher Richtung und birgt in seinem mittleren Teil wundervolle Tropfsteine. Diese entstehen durch Regenwasser, welches auf Spalten des Gesteins versickert, dabei den Kalk an einer Stelle löst, um in an anderer Stelle wieder abzusetzen. Neben girlandenartigen, auf Fugen des Gipsgesteins aufsetzende Formen fallen traubenartige, bis einen halben Meter Länge erreichende sinterartige Gebilde ins Auge, während echte Stalaktiten, das sind von oben herabhängende Zapfen, höchstens Fingerlänge erreichen und durch Quergips in den Strudellöchern an der Decke ihren Ansatz fanden.
Neben diesen eigenartigen Formen ist für den wissenschaftlichen Erforscher besonders interessant,
daß hier Kalksinter in einer Gipshöhle auftritt. Gips und Kalk sind zwei chemisch verschiedene Verbindungen und können auf natürlichem Wege nicht ineinander überführt werden. Der im Gips als Verunreinigung enthaltene Kalkanteil ist gerade hier sehr gering, so daß der Herkunftsort der kalkabscheidenden Wässer woanders gesucht werden muß. Wahrscheinlich kommen Kalkhorizonte in den den Gips überlagernden Tonen hierfür in Betracht.
Nur diesen stellenweise vorhandenen Kalken ist es also zu verdanken, daß dieses augenscheinliche Paradoxon in der Natur geschaffen werden konnte.


Wir danken der Schriftleitung der Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag ebenfalls veröffentlichen zu dürfen. Weiterer Nachdruck oder Veröffentlichung bzw. Verbreitung in anderen elektronischen Medien nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung.

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