Harzer Holzwaren-Fabrik Gebrüder Lohoff

Ein Kapitel regionaler Wirtschaftsgeschichte

- von Lutz Werner Lohoff -

Die Eisenbahnlinie Northeim / Nordhausen von 1869 war letztlich entscheidend für die Standortwahl am Bahnhof Tettenborn. Bis zu dieser Zeit betrieb der Kaufmann Gustav Lohoff bereits in Benneckenstein ein florierendes Versandgeschäft mit Haus- und Küchengeräten aller Art, die dort von den zahlreichen Holzhandwerkern in Heimarbeit hergestellt wurden.

Das Geschäft wuchs. Die manufakturelle Produktion konnte der steigenden Nachfrage immer weniger gerecht werden. Zumal das Buchenholz mit erheblichen Transportkosten belastet war: Es mußte mit Pferdefuhrwerken von seinem natürlichen Standort im Süd- und Ostharz auf den Hochharz transportiert werden. Die Fertigprodukte wurden über die weitreisenden „Benneckensteiner Handelsleute“ an den Verbraucher gebracht.

Zusammen mit seinem Bruder Emil, Apotheker in Magdeburg, reifte der Plan, dort eine industrielle Produktion aufzubauen, wo das Buchenholz sozusagen vor der Tür liegt. So fiel die Wahl auf Tettenborn mit seinem Gleisanschluß.


Tettenborn-Kolonie, wie es in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ausgesehen hat.
Im Hintergrund ist der Schornstein der Gipsfabrik zu erkennen. Foto: privat

Ein weiterer Aspekt für die lohnintensive Produktion war die Standortwahl im Hinblick auf das benötigte Arbeitskräftepotenzial: In den umliegenden Dörfern lebten viele Familien, deren kleine Landwirtschaft nur für das Lebensnotwendigste ausreichte. Bei einer Arbeitszeit von 6 Uhr in der Frühe bis 14.30 Uhr blieb den fleißigen Holzwerkern im Sommer genügend Zeit für Acker, Wiese und Vieh. Von Benneckenstein kamen etliche erfahrene Männer mit hinunter in den Südharz, um mit ihren Familien in Tettenborn-Kolonie zu siedeln und ihr Wissen und Können mit einzubringen.


Blick in die Bügelfertigung im Hauptbetrieb, als 1953 das 50jährige Firmenjubiläum gefeiert wurde. Links Otto Amhardt mit Werkmeister Otto Böttcher aus Neuhof. Foto: privat

Familiennamen wie Gropp, Großheim, Hartung, Ließmann, Hecht, Hendrich, Heyder, Hintze, Wedler u.a. geben uns noch heute Zeugnis vom Pioniergeist und schöpferischen Fleiß, lassen uns die Aufbruchstimmung der Gründerjahre - und die Liebe zum Harzgebirge erahnen, das Heimat und Rohstoffquelle zugleich war.

Am 3. Oktober 1903 wurden erstmalig die beiden Wolffschen Dampfmaschinen angefahren. Zwei mächtige Dampfkessel, jeder in den Dimensionen einer schweren Güterzug-Lokomotive. Geheizt wurden sie ausschließlich mit den reichlich vorhandenen Holzabfällen. Über Transmissionsräder, -wellen und -riemen wurde der gesamte Betrieb, inklusive der schweren Gattersägen, mit mechanischer Energie versorgt. Mit der überschüssigen Wärmeenergie beheizte man vor allem mehrere Trockenkammern, in welchen dem an der Luft vorgetrockneten Schnittholz die restliche Feuchte entzogen wurde. Mit der Entwicklung der Elektrizitätstechnik stellte man die Produktion schrittweise auf Stromantrieb um. Mittels Holzgasgenerator erzeugte man den Strom aus Produktionsabfällen. Ein Verfahren, welches im 21. Jahrhundert zu neuen Ehren kommt und zu „nachhaltigem“ Wirtschaften verhelfen soll.
 

Mit der Teilung begann der Niedergang

In den dreißiger Jahren wurde die Stromproduktion zentralisiert (Reichsenergiegesetz). Seit dieser Zeit mußte die Harzer Holzwaren-Fabrik den Strom aus Bleicherode beziehen. Dies bedeutete einen ersten Rückschlag für die Gesamtrentabilität.

Von Tettenborn in die ganze Welt
Die Kriegswirtschaft und die Teilung Deutschlands brachten weitere Rückschläge. Von ca. 350 Beschäftigten, anfangs der dreißiger Jahre, waren noch etwa 55 Arbeitsplätze am Ende der fünfziger Jahre übriggeblieben. Allerdings verlangte auch die Entwicklung auf dem Weltmarkt von Anbeginn eine kontinuierliche Produktivitätssteigerung.

Es war in erster Linie dem Erfindungsreichtum des Drechslermeisters Louis Hendrich aus Benneckenstein zu verdanken, einem Bruder des Kunstmalers Hermann Hendrich, dass durch patentierte Produktionsverfahren Millionen von Federklammern und Kleiderbügeln in alle Welt exportiert werden konnten. Um die Jahrhundertwende wurde annähernd der gesamte Weltbedarf dieser Artikel erst in Benneckenstein - und ab 1903 in Tettenborn-Kolonie erzeugt, was Tettenborn den Beinamen „Klammerode“ einbrachte! Das „Hendrichstal“ erinnert uns noch heute an den genialen Konstrukteur und Erbauer zahlreicher Spezialmaschinen, der nach mehreren Firmengründungen in Amerika hier im Harz als Ingenieur seine Bestimmung fand.


Eigene Fuhrwerke gehörten zum Betrieb. Die mächtigen Stämme wurden von kräftigen Kaltblütern gezogen. Diese Aufnahme aus dem Jahr 1929 zeigt ein solches Gespann mit dem Vorarbeiter Oskar Heimbuch senior (links) und Walter Riechel (rechts). Foto: privat


Im Jahr 1910 machte die Belegschaft der Harzer Holzwaren-Fabrik einen Betriebsausflug nach Stolberg im Harz. Die Aufnahme entstand am Tettenborner Bahnhof. Foto: privat

Rückschläge durch Krieg und Teilung
Im Endeffekt war die Teilung Deutschlands die Ursache für Mitte der sechziger Jahre das Ende des Unternehmens. Das angestammte Absatzgebiet und die Leipziger Messe konnte nicht mehr bedient werden. Dem jährlichen Ausstoß von bis zu 15 Millionen Kleiderbügeln stand ein reduzierter Absatzmarkt gegenüber, welcher mit traditionellen Wettbewerbern beworben werden mußte. Steigende Rohstoff­ und Arbeitskosten verschärften zusätzlich die Situation.

1965 kam das Ende
Überdies hatte der nachwachsende Rohstoff Buchenholz durch den Kunststoff Konkurrenz erhalten. Im Jahre 1965 rief die weithin zu vernehmende Dampfpfeife die Beschäftigten ein letztes Mal zur Arbeit. Die Feuer in den Kesseln erloschen nach 63 Jahren endgültig.

Glücklicherweise erwachsen aus Trümmern auch neue Chancen: Die Firma Wilhelm Wedler betreibt heute auf dem Gelände ihr modernes Einrichtungsunternehmen.

Quelle: HarzKurier

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N 51.5767° E 10.5479°

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