Edwin Anding

Hattorf und seine Umgebung in der Ur- und Vorgeschichte

In dem 1952 herausgegebenen Heft "1000 Jahre Hattorf" stellt der Verfasser bei dem Abschnitt "Vorgeschichtliche Besiedlung" die Frage: Wie lange schon mögen Menschen dort unten im Tale wohnen? Außer einem allgemeinen Abriß der Urgeschichte kann er wegen Mangel an Material nur wenig zur Vorgeschichte des Odertales von Scharzfeld abwärts beitragen. Abgesehen von den Gräbern auf dem Rotenberge zeigte hier die archäologische Karte einen weißen Fleck, für Forschungen also praktisch Neuland. Die letzten Jahre brachten bei mehreren kleineren Grabungen erste Ergebnisse zur Beantwortung der oben gestellten Frage. Man wird deshalb noch keine abschließende Arbeit erwarten. Es kann sich zunächst nur um eine Bestandsaufnahme und einen Arbeitsbericht handeln, der neben einer Orientierung über den gegenwärtigen Stand um Verständnis und Unterstützung bei der weiteren Arbeit werben will.
Schon landschaftlich gesehen mußte das hier breite Odertal mit dem allmählich ansteigenden Nordhang, der von mehreren kleinen Bächen gegliedert ist, für den frühen Menschen dieselbe Anziehungskraft gehabt haben, wie die erweiterten Talbecken der Söse zwischen Lasfelde und Dorste und der Aue südlich des Kahlberges im Amt Westerhof. Siedlungsmäßig lag gerade hier die günstigste Stelle des Odertales für fast alle Geschichtsperioden. Ehe der Mensch regulierend eingriff, beherbergte das weite Sumpfgebiet des Odertales mit seinen zahlreichen Wasserarmen Sumpf- und Wassergetier aller Arten und Größen. Auch das Großwild des Höhengeländes mußte hierher regelmäßig zur Tränke kommen. Für die frühen Ackerbaukulturen bot die Lößdecke der hochwasserfreien Flußterrassen ideale Siedlungsmöglichkeiten, da die Ackernahrung durch Weide auf den Bergen, Jagd und Fischerei ergänzt werden konnte. Unverständlich blieb daher das Fehlen von Zeugnissen aus der Altsteinzeit, wie auch die nur wenigen Feuersteingeräte aus der Mittel- und Jungsteinzeit, unverständlich auch die bis vor wenigen Jahren vollständige Siedlungslücke in der vorchristlichen Eisenzeit zwischen Scharzfeld und der Pipinsburg. Auffallend war dagegen die plötzliche Siedlungsdichte im Mittelalter. Neben Hattorf gab es nach Sohn 5 weitere Niederlassungen, von denen einige sogar Kirchen hatten. (Verzeichnis der Wüstungen im Kreise Osterode, Heimatkalender des Kreises Osterode, Jhg. 1955).
Intensive archäologische Forschungen in unserer engeren und weiteren Umgebung haben in den letzten Jahrzehnten das Bild der Vorgeschichte bedeutend erweitert, und durch neue Funde ist nun auch Hattorf in einen engen Zusammenhang mit seiner Umwelt gestellt worden. Das scheint vor allen Dingen die Siedlungslücke in der vorchristlichen Eisenzeit zu betreffen. Die heute rasch fortschreitende Technisierung der Landwirtschaft ermöglicht bei der Feldbearbeitung größere Pflugtiefen. bei günstigem Boden bis unter 0,30 m. Dadurch wurden bisher ruhende Bodenschichten mit Hinterlassenschaften früherer Kulturen an die Oberfläche gebracht. Lehrer Reiff, Hattorf, ist es zu verdanken, daß, soweit es sich um vorgeschichtliche Scherben handelt (und das ist fast das einzige Fundgut), sie nicht durch schnelle Verwitterung verlorengingen. Durch regelmäßige Begehung der Felder und Weckung des Interesses einer breiteren Öffentlichkeit für vorgeschichtliche Bodenfunde konnten diese für die Auswertung gerettet werden. Es wurde aber auch klar, daß vermeintliche Siedlungslücken in einem solchen Raume mehr Forschungslücken sind, deren Ausfüllung freilich von besonderen Glücksumständen abhängt, die bei ihrem Eintreten auch genutzt werden müssen.

Konnte bereits der Mensch in der letzten Kälteperiode (Würmeiszeit) am südlichen Harzrand leben? Sehen wir ihn als Wanderjäger, der seinen Beutetieren auf den jahreszeitlichen bedingten Wanderungen folgte, besteht die Wahrscheinlichkeit. Die klimatischen Schwierigkeiten verstand er zu meistern, und die Nahrungsgrundlage? Wenn auch das Wollhaarnashorn, dessen Skelett bei Wulften in 8 m Tiefe gefunden wurde, nach den Fundumständen eines natürlichen Todes gestorben sein mußte, so beweist es doch ebenso wie die zahlreichen Überreste eiszeitlicher Großsäuger bei Scharzfeld, Pöhlde und in den Gipsbrüchen bei Osterode, Badenhausen, Förste und Dorste, daß der Eiszeitmensch hier sicher ausreichende Nahrung vorgefunden hat. Nur ist es Glücksache und der Aufmerksamkeit und dem Verständnis der Finder zu danken, wenn bei der damals sehr geringen Bevölkerungszahl und nach so vielen Jahrtausenden sein Dasein durch eindeutige Funde zu belegen ist, wie es bei Scharzfeld und Förste in unserer engeren Heimat möglich war. Selbst auf die Anwesenheit mittel- und jungsteinzeitlicher Menschen, deren Zeugnisse in anderen Teilen des Kreises reichlich anfallen, kann nur durch wenige Streufunde geschlossen werden. Im Hinblick auf Gegenden mit gleichen Lebensbedingungen (Söse- und Auetal) drängt sich die Vermutung auf, daß durch starke Bodennutzung die Reste vergangener Kulturen immer wieder gestört oder zerstört worden sind, wie wir es gerade in der Gegenwart in einem noch nie gekannten Ausmaße erleben. Erst für die Bronzezeit (1800 - 800 v.Chr.) bietet sich eine sichere Grundlage für eine Zeitbestimmung in den rd. 50 noch erhaltenen Grabhügeln auf dem Rotenberge. Diese an sich schon dauerhafteren Denkmäler liegen zum Glück in einem wenig fruchtbaren Waldgelände. Aber zahlreiche Wölbäcker deuten an, daß dort ebenso wie im Krücker der Pflug schon in früherer Zeit manches Grab zerstört haben kann. Beispiele von überpflügten Grabhügeln schon im Mittelalter gibt es auch im Kreise. Die Hügel des Rotenberges liegen meist in Gruppen beiderseits des Fastweges zwischen Pöhlde und Wulften und konnten dadurch den Bestand des Fastweges schon für die Bronzezeit andeuten. 2 von Dr. Claus untersuchte Hügel bei Pöhlde gehören nach den Beigaben in die frühe Bronzezeit, also in deren Anfangsperiode 18-1600 v.Chr. In diese Zeit gehört auch die geflügelte Pfeilspitze, die an der Flurgrenze zu Schwiegershausen gefunden wurde. Einige abweichende Hügelformen können auch in späterer Zeit entstanden sein. - Die Anwesenheit von Menschen der osthessischen Hügelgräbergruppe für die mittlere Periode der Bronzezeit (bis 1200 v.Chr.) am südlichen Harzrand wird sichtbar durch je ein Absatzbeil aus Bronze von Oldershausen, Badenhausen und Bad Lauterberg sowie die Spiralplattenfibel aus der Einhornhöhle. Man wird die Hattorfer Gegend auch ohne gravierende Fundstücke in ihren Lebensraum einbeziehen müssen. - Der zeitlich nächste Fund bringt uns schon in die jüngere Urnenfelderzeit. Es ist ein Steinkistengrab aus der Übergangsperiode zur frühen Eisenzeit, das auf einem flachen Höhenrücken dicht östlich von Hattorf "An den Fuchslöchern" beim Pflügen auf dem Felde des Bauern Lohrengel entdeckt wurde. Es enthielt Bruchstücke einer dickwandigen Urne mit Leichenbrand, 3 kleine Beigefäße und 1 Stück gebogenen Bronzedraht. Der damals in Hattorf anwesende Dr. Schirmer konnte den Befund aufnehmen und die Fundstücke dem Landesmuseum in Hannover übergeben. Dr. Claus, der das Fundmaterial in den "Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte" 35/1966 veröffentlicht hat, vermutet, daß der Tote einer nordthüringischen Bevölkerungsgruppe angehört hat. Damit deutet sich bereits hier eine Ausbreitung mitteldeutschen Einflusses am südlichen Harzrand an, der dann durch die Grabungen auf der Pipinsburg und auf dem großen Gräberfeld bei Altgandersheim bestätigt wurde. In dieser Zeit scheint durch den Vorstoß von Volksgruppen aus Thüringen eine Kulturphase eingeleitet worden zu sein, die über Jahrhunderte dem südlichen Niedersachsen ihren Stempel aufdrückte.
Aber nach der Bronzezeit kam für den Hattorfer Raum scheinbar die große Siedlungslücke. War die Gegend wirklich für 1 1/2 Jahrtausende siedlungsleer, während ringsum Hallstatt- und Latenezeit eine Blütezeit erlebten? Die Antwort darauf kam erst in den letzten Jahren, zwar nur stückweise, aber diese in rascher Folge hintereinander. Hamburger Höhlenforscher stießen 1969 bei Bodenuntersuchungen in der großen und kleinen Jettenhöhle bei Düna auf vorgeschichtliche Scherben, die von Fachleuten als hallstatt- und latenezeitlich eingestuft wurden. Eine Veröffentlichung über das Material und die archäologische Untersuchung der Fundstellen liegt zwar noch nicht vor. Doch läßt die Lagerung der Scherben den Schluß zu, daß sie in die kleine Jettenhöhle durch einstürzendes Erdreich gelangten, die in der großen auf Kulthandlungen hindeuteten, wie sie Prof. Behm-Blancke nach Befunden in den Gipshöhlen des Kyffhäuser rekonstruieren konnte. Damit war für uns die zunächst noch nicht zu beantwortende Frage gestellt: von woher kamen die Menschen zur Verehrung ihrer unterirdischen Gottheiten? Von den bisher bekannten früheisenzeitlichen Siedlungsstellen hatte Scharzfeld Höhlen (latenezeitliches Grab in der Einhornhöhle, der Behm-Blancke auch Kultcharakter zuschreibt), und der Pipinsburgbevölkerung lag der dem Hainholz geologisch gleichgeartete Lichtenstein näher. Ein Hinweis, der uns der Antwort näher brachte, kam rascher als erwartet. In Hattorf wurde 1971 die Brunnenstraße im östlichen Teile des Dorfes ausgebaut und dabei die Steigung im mittleren Bereich ausgeglichen. Lehrer Reiff entdeckte in der östlichen Böschung vorgeschichtliche Scherben. Die sofortige Untersuchung erfaßte noch einen beachtlichen Rest eines Scherbenlagers von rd. 50 Stück verschiedener Größe und Stärke. Es befand sich in 0,40 - 0,60 m Tiefe am abfallenden Hang der Unterterrasse zur Oder hin. Die zugehörige Wohnstelle kann nicht weit davon auf dem hochwasserfreien Teil gelegen haben, der aber wegen Bebauung nicht untersucht werden konnte. Die dicht bei und übereinander liegenden Keramikreste von mindestens 10 verschiedenen Gefäßen gehörten durchweg zur üblichen Gebrauchsware. Anscheinend war es ein Abfallhaufen in einer alten Lehmkuhle. Die Ränder der Stücke waren z. T. mit Finger- oder Stäbcheneindrücken verziert, manche Wandflächen trugen auch Kammstrichmuster. Nach Form und Dekor glichen sie der Keramik der Pipinsburg und wurden als früheisenheitlich eingeordnet. Die Fundstelle mit der Bezeichnung Kockelshöfe ist erst später im alten Ortskern aufgegangen. Der Name deutet auf eine kleine Gruppe von Einzelhöfen, die einmal außerhalb des Dorfes lag. Wieweit sich solche Kleinsiedlungen später zu Wüstungsdörfern entwickelt haben, wäre siedlungsgeschichtlich sehr interessant. - In vorgeschichtlicher Hinsicht wurde daraus der Schluß gezogen, daß sich die aufgelockerte Siedlungsweise auf der nur zwischen Hattorf und Wulften gut ausgeprägten Unterterrasse wiederholt haben könnte. Lehrer Reiff beobachtete daraufhin die dort liegenden Felder und stellte das Vorkommen früher Keramikreste an mehreren Stellen bis fast nach Wulften hin fest. Die Annahme einer solchen Siedlungsart schien sich zu bestätigen.

Eine Stelle in dem bezeichneten Gelände machte eine Ausnahme. Etwa 1,5 km westlich des Ortsrandes häuften sich auf einem sanft nach Süden geneigten Hang mit Scherbenkonzentrationen verbundene Bodenverfärbungen. Hier schien eine größere Häusergruppe gestanden zu haben. Begrenzte Bodenverfärbungen, gemischt mit Scherben an der Ackeroberfläche, deuten auf einen schon erfolgten Eingriff des Pfluges in verhältnismäßig flach liegende Kulturschichten. Um einer vollständigen Zerstörung zuvorzukommen, wurde sofort mit einer Probegrabung begonnen. Ausgewählt wurde eine Scherbenstelle mit hellbrauner Bodenfärbung, die durch einen grauen Kern von etwa 2 m² Größe besonders auffiel. Dabei sollte geklärt werden, wieviel von einer vermuteten Kulturschicht noch vorhanden war und was die Graufärbung im braunen Lößboden bedeuten kann. Maßgebend bei der Wahl war auch die Erfahrung, daß Anhäufungen von Scherben meist eine Hausstelle anzeigen, man also auch in diesem Falle mit einer solchen rechnen könne. Ein Graben von 2 m Länge und 1 m Breite schnitt den Rand des grauen Bodens rechtwinklig an der dem Hang zugekehrten Seite. Unter dem 0,30 m hohen Ackerboden stand ungestörter Löß.
Die angenommene Kulturschicht mußte demnach bereits völlig zerstört und die darin befindlichen Hinterlassenschaften zerstreut worden sein. Nur in der Nordwestecke des Schnittes lagen in dieser Tiefe einige Steine aufgereiht (Löß ist steinfrei! Eine Anzahl waren aber schon an der Oberfläche aufgefallen). Sie lagen am Rande einer tieferreichenden Graufärbung, die gerade noch vom Schnitt erfaßt worden war. Nach Erweiterung des Schnittes nach Westen um 0,30 m bekam die scharf begrenzte, zum Teil noch mit Steinen eingefaßte Graufärbung eine Ausdehnung von 0,98 m und schien sich nach Westen fortzusetzen.
Eine 0,05 m hohe Schicht der Grauerde wurde vorsichtig abgetragen und ergab etwas Holzkohle, 1 kleine vorgeschichtliche Scherbe und viel rotgebrannten Lehm in Stücken von unterschiedlicher Größe. Eine weitere Untersuchung wurde unterlassen, um für eine spätere Grabung einen ungestörten Befund zu hinterlassen. Die Annahme einer Hausstelle schien durch Hüttenlehm, Holzkohle, ortsfremde Steine und die anderen Merkmale bestätigt. Mit vollkommen zerstörten Kulturschichten mußte freilich gerechnet werden. Aber alle tiefer reichenden Teile eines Hauses wie Pfostengruben und eingetiefte Herdstellen (eine solche wurde angenommen) schienen erhalten zu sein. Bei einer größeren Grabung könnte man vielleicht noch Größe und Bauart der Häuser klären.
Diese wurde schon für den Herbst des Jahres vorbereitet. Widrige Umstände wie verspätete Ernte auf dem vorgesehenen Felde und Terminschwierigkeiten beim Sachbearbeiter des Landesamtes für Bodendenkmalpflege zwangen zum Ausweichen auf eine noch nicht nachgeprüfte Stelle eines anderen Feldes, das bereits wieder bestellt war. Wegen Unergiebigkeit wurde die Grabung vorzeitig abgebrochen. Zwar ergab der 10 x 2 m große Schnitt einige vorgeschichtliche Scherben und im Ostteil die schwache Andeutung einer Graufärbung mit wenig Keramik, etwas Holzkohle und ortsfremden Steinen in größerer Anzahl, im ganzen aber zu wenig, um eine Grabung zu rechtfertigen.
Gegen einen Verzicht auf weitere Untersuchungen sprachen zu viele positive Anzeichen. So wurde eine weitere Probegrabung nach beendeter Ernte auf dem zuerst untersuchten Felde vereinbart. Durch Bodensondierungen wurde in der Nähe der ersten Probegrabung eine Fläche mit sehr festem Untergrund gefunden und freigelegt. Hier ergaben sich gegenüber früher wesentliche Unterschiede. Die Grauerde, das war die harte Stelle, lag dichter unter der Oberfläche und zeigte sich als länglicher Rücken, den der Pflug nur an einer Seite geritzt hatte, sonst aber darüber hingeglitten war. Die Form, keine Spur von Steinumrandung, keine Scherben, Kohle oder roter Lohm darin enttäuschten. Daß die Grauerde aber mit der ursprünglichen Lößbildung nichts zu tun hatte, bewiesen neben der größeren Härte auch die sich scharf abhebende Färbung. Diesmal mußte nun trotz der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit auf einen eindeutigen Befund hingearbeitet werden. Die zunächst abgedeckte Fläche maß je 1,75 m in Länge und Breite. Der erhöhte graue Rücken wurde bis auf Pflugtiefe, hier 0,23 m abgeschürft. Die Graufärbung hatte nun 0,83 m in WO und 0,67 m in SN. Auffallend waren einige schmale Verzweigungen in Hangrichtung. Da der bisherige Abtrag der Grauschicht nichts ergeben hatte, was Schlüsse auf ihre Herkunft erlaubte, wurde sie mit 0,75 m Länge und 0,35 m Breite in NS-Richtung geschnitten. Das Profil an der Westseite des Schnittes ergab folgende Breiten für die Grauschicht: in 0,23 m Tiefe 0,70 m, bei 0,35 m Tiefe 0,32 m, und bei 0,45 m Tiefe 0,24 m. Von da an bis zum unteren Ende bei 0,61 m blieb die Breite gleich, wurde aber von einem schmalen, senkrechten Band brauner Schlieren in 2 gleiche Teile getrennt. Im Profil der Ostwand hatte die Grauschicht bei 0,23 m Tiefe 0,49 m, bei 0,35 Tiefe noch 0,33 m Breite. Von da an erreichte sie bei 0,53 m im Süden und bei 0,56 m Tiefe im Norden bei gleichbleibender Breite ihr Ende. Wegen einer runden Verfärbung im Bodenplanum des Schnittes blieb im Nordteil ein Sockel von 0,10 m stehn. Sie war das etwas gerundete Ende eines Pfahles von 0,11 m Durchmesser. Im Westprofil wurde am Südende der Grauschicht ein zugespitztes Pfahlende von 0,12 m Höhe und 0,11 m Durchmesser sichtbar. Wahrscheinlich steckte in der Nordwand des Schnittes ein weiteres Pfahlende, das wegen beschränkter Zeit nicht mehr untersucht wurde. Die tiefreichende Graufärbung mußte als Pfostengrube gedeutet werden mit Verkeilungen durch dünnere Hölzer. - Eine beschränkte Erweiterung der Grabungsfläche nach Osten sollte den Verlauf der grauen Verzweigungen klären. Diese Fläche wurde bis auf die ungestörte Schicht in 0,25 m Tiefe abgedeckt. In den grauen Schlieren. die hier fast alles bedeckten, hoben sich 2 Kernpunkte (Pfostenlöcher?) von 0,20 und 0,18 m Durchmesser ab. Sie blieben unberührt. Diese Probegrabung hatte die Vermutung bestätigt, daß die Feststellung von Hausgrundrissen möglich sein müßte.

Was aber bedeutete die Grauerde als Füllung und Überdeckung der Pfostengrube? Bei der ersten Probegrabung hatte man sie als Asche der Herdstelle angesehen. Nun kamen Bedenken. 2 Proben der Grauerde aus 0,23 und 0,60 m Tiefe wurden im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung untersucht. Es war keine Asche, wahrscheinlich eine Einschlämmung. Das würde bedeuten, daß Vertiefungen und Hohlräume im Lößboden (Pfostenlöcher, Tiergänge usf.) unter bestimmten Bedingungen durch Absätze aus fließendem Wasser (Regengüsse) mit einem helleren Material ausgefüllt werden können. Ähnliche Erscheinungen waren schon bei anderen Grabungen in Lößboden beobachtet worden, doch nie in diesem Ausmaße.
Wichtig für die Siedlungsgeschichte kann noch eine andere Scherbenfundstelle werden. Im Gegensatz zur Tallage der bisher genannten befindet sie sich am oberen Ende des Langen Grundes etwas unterhalb der Wasserscheide des Klusberges. Durch leichte Bodenfärbungen mit wenig Holzkohle konnten mehrere Wohnplätze festgestellt werden. Von solchen kann man sprechen angesichts der erheblichen Menge grober, dickwandiger Keramik von großen Vorratsgefäßen.
Als weitere Bestätigung dafür wurde dort ein vorgeschichtlicher Mahlstein ausgepflügt. Beides deutet auf den Dauerwohnplatz von Menschen mit Ackerbau. Hier fehlen aber noch die typischen Scherben, die eine Altersbestimmung ermöglichen würden.
Von den neuen Fundstellen liegt bisher nur Keramik vor, die aber in ihren Verzierungen meist so wenig typisch ist, als daß man sie einer eng begrenzten Kulturstufe zuordnen könnte. Feste Zeitpunkte geben bis jetzt nur die beiden untersuchten Hügelgräber auf dem Rotenberge und das Grab aus der jüngeren Urnenfelderzeit, das schon in die Hallstattzeit (B) zu stellen ist. Man wird für die übrigen Fundstellen vorläufig bei der mehr allgemeinen Bezeichnung frühe Eisenzeit bleiben müssen, die ungefähr das letzte Jahrtausend v. Chr. umfaßt. Dabei ist ein Übergang in die römische Kaiserzeit, wie er sich schon bei neuen Funden in der Einhornhöhle, in Pöhlde und Northeim andeutete, durchaus möglich. In die frühe Eisenzeit gehören auch die Kulturstufen der Pipinsburg.
Natürlich war Hattorf in dieser Periode nur Teil eines Kulturbereiches, der das ganze Südniedersachsen mit umfaßte und eng mit Thüringen verbunden war.
Es liegt deshalb nahe, Hattorf in ein Wegenetz dieser Zeit einzuordnen. Wichtigster Punkt der Gegend war natürlich die Pipinsburg als Kultur- und Handelszentrum mit weitreichenden Beziehungen zum mittel- und süddeutschen Raum. Man kann bestimmt mit einem sehr frühen Wege aus dem westlichen Thüringen über Duderstadt, Hattorf und den Krücker rechnen. Hier wurden um 1870 mehrere römische Münzen aus der Zeit um 100 n. Chr. gefunden (Sohn, 1000 Jahre Hattorf). Prof. Mecke vermutete vom Krücker aus die Fortsetzung zur Pipinsburg. Das Gelände ist günstig dafür. Nach einem schmalen Talübergang bieten sich der langgestreckte Rücken des Schmachtberges und die Wasserscheide zwischen Ührde und Beierfelde als Höhenweg mit Anschluß an die Harzrandstraße an, die ebenfalls als Höhenweg die Harzrandsenke auf ihrer Südseite begleitete und den nordthüringischen Raum mit dem unteren Leinetal verband. Als sicher wird auch anzunehmen sein, daß ein Weg von den früheisenzeitlichen Niederlassungen bei Scharzfeld über Hattorf nach Northeim und den nächsten Siedlungen des mittleren Leinetales führte. Er wird durch die neuen Fundstellen bei Hattorf markiert. Der Fastweg über den Rotenberg, sicher auch in dieser Zeit Teil einer Fernstraße, berührte den Ort zwar nicht unmittelbar. Trotzdem wird ein Einfluß nicht auszuschließen sein. Südniedersachsen mit seinen kleinen Siedlungskammern zwischen ausgedehnten Höhenzügen war immer nur Durchgangsland. Als solches kam es im Laufe der Geschichte mit vielen Kulturströmungen der benachbarten Großräume in Berührung. Durch seine Lage am Schnittpunkt früher Fernstraßen kann Hattorf vielleicht noch manchen Beitrag zur Klärung solcher Fragen liefern. Für den engeren Bereich kann es die Kenntnis über die früheisenzeitliche Besiedlung des südlichen Harzrandes wesentlich erweitern.
Zum Schluß sei allen herzlich gedankt, die direkt oder indirekt am Zustandekommen der Grabungen beteiligt waren, besonders den Besitzern und Pächtern der betroffenen Grundstücke, den Herren Wilhelm Beushausen, Günter Öhne, Reinhold Mallon, August Böttcher und Heinz Lohrengel für ihr freundliches Entgegenkommen.

Quelle: ANDING, Edwin (1972): Hattorf und seine Umgebung in der Ur- und Vorgeschichte.- Heimatbll. Harzrand, H.28, 63-71, Osterode

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