Ernst Glazik & Holger Kulke Schloss Herzberg: geologisch exponiert, baulich exemplarisch, historisch reich an kaum bekannten Details I. Einleitung Vieles ist schon über das Schloss Herzberg geschrieben worden, vieles ist bekannt, manches muss aufgearbeitet werden und über einige, der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbekannte geologische Betrachtungen, über neuere Baustoffuntersuchungen und einige, zum Teil kuriose Begebenheiten aus jüngerer Zeit wird hier berichtet. Abb. 1: "Herzberg, gez. v. L. Richter, gest. v. A.Dworzack in Wien" aus Blumenhagens "Wanderungen durch den Harz". Dieser Ausschnitt aus dem 15 x 10 cm großen Stich zeigt Schloss Herzberg auf dem damals unbewaldeten Schlossberg. Die Bäume vor dem frontal sichtbaren grauen Flügel stehen im "Lustgarten". Das helle Band dürfte die Gartenmauer sein. Die drei linken Spitzen über dem Dach stellen Schornsteine dar.
350 m südöstlich vom Schloss versteckt sich in einer flachen Senke der versumpfende Ochsenpfuhl-Teich. Er erreicht offenbar nur eine Wassertiefe von wenigen Metern. Sein geringfügig schwankender Spiegel liegt bei etwa 224 m und befindet sich somit wenige Meter unter dem Bett der Sieber, 550 m nördlich an der B243-Brücke. Der fast 7 ha große Jues-See, 0,7 km östlich vom Ochsenpfuhl bzw. 1 km östlich vom Schloss innerhalb von Herzberg gelegen, weist eine (leicht angestaute) Spiegelhöhe von 240,7 m bei einer Wassertiefe von maximal 28 m auf. Diese ungewöhnliche Oberflächengestalt etwa 2 km vor dem südwestwärts abtauchenden Harz-Gebirgskörper weist auf eine junge, noch andauernde geomorphologische und hydrogeologische Aktivität im unmittelbaren Vorland des verfalteten "alten Gebirges" hin. Es manifestiert sich hier eindrücklich eine geologische Grenze, die den Harzwest- bzw. -südrand von Seesen über Osterode, Herzberg, Walkenried und Rottleberode schlussendlich bis zum Mansfelder Becken markiert. Hier lagern, im heutigen Abtragungszustand des sog. Deckgebirges, die im Untergrund des Pöhlder Beckens etwa 200 m "mächtigen" (= dicken) Schichten der Zechsteinzeit (vor etwa 250-270 Millionen Jahren) dem "alten Gebirge" auf. Es handelt sich im Raum Herzberg dabei um einen Schichtstapel aus zwei je mehrere Zehner Meter mächtigen Dolomitabfolgen, zwischen denen ein Anhydritkörper stark wechselnder Dicke eingelagert ist. An der Basis befindet sich der sog. "Zechsteinkalk" (bzw. -dolomit). Ihm folgt der oberflächennah in Gips (CaSO4 · 2H2O) umgewandelte "Werraanhydrit" (Anhydrit: CaSO4) der von der etwa 40 m mächtigen Platte des "Hauptdolomit" überdeckt wird (Abb.3). Letztere bildet die Steilkanten des Schloss- sowie des Nüllberges (289 m), 2 km nordwestlich von Herzberg. Der Werraanhydrit befindet sich im Schlossberg-Sockel. |
Abb. 3: Dieser dreifach überhöhte und etwas geknickte Schnitt durch den Schlossberg von der Sieber über den Mühlengraben (M) im Norden zum Ochsenpfuhl (E) im Südosten des Schlosses stellt seinen geologischen Bau dar. Man erkennt die Schotterfüllung (S) der Siebertalaue und beidseits vom Ochsenpfuhl, die Verkarstung des "Werraanhydrits" (WA), die Klüfte, Höhlen (schematisch angegeben) und sich talwärts neigenden Randbereiche der "Hauptdolomit" (HD)- Platte unter dem Schloss. Schlängelpfeile geben schematisch den Weg der Sickerwässer an. Gerissene Pfeile weisen auf die tendentielle Hangzerreißung hin, DB = Bahnlinie. Dolomitfels ist in geringem, Anhydrit und Gips hingegen in recht hohem Maße (bis etwa 2 g CaSO4/l) wasserlöslich. Die spröden Dolomitschichten wurden im Zuge der Heraushebung und Verkippung des Harzes (hier ca. 5° nach SW) engständig zerklüftet. Dadurch kann die - geologisch gesehen rasche - Auflösung dieser Zechsteinschichten nicht nur nahe der Geländeroberfläche, sondern auch in Tiefen von vielen Zehner Metern, als sog. Subrosion, erfolgen. Dabei bildet sich durch die sog. Verkarstung eine typische Landschaft mit Höhlen, erweiterten Felsspalten, Erdfällen, Dolinen usw. heraus. Die Sieber - mit einem Einzugsgebiet von 84 kmē im niederschlagsreichen Harz oberhalb von Herzberg - erzeugt, ebenso wie die Söse bei Osterode und die Oder unterhalb von Bad Lauterberg, eine besonders intensive Verkarstung der Anhydrit- und Dolomitschichten. In Verbindung mit einer Tieferlegung der Landoberfläche um bis zu mehrere Meter durch "Subrosion" gestaltet diese Verkarstung die hiesige Zechstein-Landschaft seit den Eiszeiten wesentlich mit. Große Mengen besonders von Sieber- und Oderwasser versickern durch den klüftigen, karstigen Zechstein und strömen durch den Untergrund des Pöhlder Beckens innerhalb von 2-3 Tagen der Rhumequelle zu. Diese große Karstquelle (160 m ü. NN) liegt 7 km südlich von Herzberg und knapp 70 m unter dem Herzberger Sieberbett. Dabei unterströmt ein großer Teil des Sieberwassers den klüftigen, offensichtlich von Höhlensystemen durchzogenen Werraanhydrit und Zechsteinkalk im Untergrund des Herzberger Schlossberges (siehe MOLDE, 1998). Zwischen Schlossberg und Nüllberg fließt die Sieber, wenn sie nicht in trockenen Monaten vollständig versickert (Abb. 4), auf mächtigen Schottern, die sie aus dem Harz herabtransportiert hat. Diese nacheiszeitlichen Grauwacke-, Quarzit- und Kieselschiefer- Geröllmassen füllen den durch Subrosion (unter der Oberfläche erfolgende Gesteinsauflösung) stark eingetieften Talzug im Bereich der oberflächennahen Zechstein-Anhydrite und -Dolomite zwischen Herzberg und Hörden.
Dicht vor dem Steilhang des westlichen Schlossberges, nahe des Herzberger Bauhofs, wurden etwa 25 m derartiger Flußkiese erbohrt (MOLDE, 1998). Aus diesem gut durchlässigen, weitgehend grundwassergefüllten Schotterkörper heraus erfolgt auch heute noch auf großer Fläche eine Auflösung der Zechsteinschichten. Daher ist der nördliche Schlossberghang so steil und mit Erdfällen und kleinen Hangrutschen garniert, da seine Basis andauernd langsam durch Lösung südwärts zurückweicht. Der nördliche Osthang des Schlossberg-Spornes wird unterirdisch von jenem Sieberwasseranteil angelöst und somit steil gehalten, der am Ochsenpfuhl vorbei der Rhumequelle zuströmt. Dabei benutzen diese Sickerwässer anfangs z.T. einen Schotterkörper, der von einem älteren, schon während der letzten Eiszeit verlassenen Sieberlauf stammt (RICKEN, 1982). Dieser bildete die gradlinige, südwestliche Verlängerung des Harzer Siebertales bis zur Oder bei Auekrug. Auf seinen Schottern verläuft heute die B 27. Dort, wo Zechsteinschichten das Sieberbett unterlagern, bildeten sich gelegentlich durch unterirdische Dolomit- und Anhydrit-Auflösung Erdfälle und Subrosionssenken bzw. Dolinen, die schon während ihrer Entstehung durch Kiesmassen verfüllt wurden und somit oberflächlich nicht in Erscheinung treten. Die Subrosionssenken des Jues-Sees und des Ochsenpfuhls entgingen dieser Auffüllung, da sie erst entstanden, als sich die Sieber in ihr heutiges, weiter nördlich verlaufendes Bett verlagert hatte. Nach der Erörterung dieser besonderen geologischen Begebenheiten in und um Herzberg lässt sich die spezielle Baugrundsituation des Schlosses leichter verstehen (Abb. 3): 1. Der unmittelbare Baugrund der Schlossflügel ist weitgehend problemlos. Zwar lässt sich der "gewachsene" Untergrund wegen der wohl 1-2 m mächtigen Deckschicht aus Auffüllmaterial (wohl vorwiegend Kelleraushub-Lockermassen und Bauschutt) weder im Schlosshof noch außen um den Baukörper herum ohne technischen Aufwand direkt untersuchen. Jedoch ließ 1977 eine Aufgrabung im Keller im Winkel zwischen Sieber- und Grauem Flügel plattigen "Hauptdolomit" im Kelleruntergrund erkennen (freundl. persönliche Mitteilung von Dr. H. Jordan, BGR Hannover). Dieser Kellerboden liegt fast 4 m unter dem Schlosshof. Es lässt sich daher vermuten, daß die Kellerfundamente mindestens teilweise diesem zwar klüftigen aber festen Dolomitfels aufsitzen. Im ursprünglichen Zustand dürfte der Schlossbergsporn bis zu einige Meter dick durch Zechstein-Verwitterungsprodukte und Lösslehm überdeckt gewesen sein. Vielleicht lag unter dem Löss auch noch etwas früheiszeitlicher Schotter eines Ur-Sieberlaufes, der westlich anschließend die sog. Hauptterrasse bildet. 2. Weit ungünstiger ist die Gesamtsituation des Burgbergsporns unterhalb der Fundamente. Er ist durch die tiefgründige Verkarstung und Subrosion des unter seinem Sockel lagernden "Werraanhydrit" als auch der "Hauptdolomit"-Platte, die seine Hänge bildet, grundsätzlich destabilisiert (Abb. 3). Das Kluftsystem, welches die Dolomitschichten netzartig zergliedert, fördert das talwärtige Abkippen bzw. Abrutschen von randlichen Felspartien (Abb. 2). Zugleich gleitet die gesamte ca. 40 m dicke und an ihrer Oberfläche nur etwa 100 m breite Felsplatte sehr langsam in Richtung der Steilhänge auseinander. Diese Hangzerreißung wird begünstigt durch eine bis 1 m dicke Tonlage, die als "Rotbrauner Salzton" den "Werraanhydrit" vom "Hauptdolomit" trennt (z. B. JORDAN, 1995). Dort, wo Dolomitfelsen aus dem Nordhang heraustreten, zeigen sie - entgegen ihrer geologischen Lagerung - eine deutliche nordwärtige Kippung (Abb. 2). Hauptsächlich wegen der Anhydrit-Subrosion im Untergrund stürzen in großen Zeitabständen schmale, hohe Felsschollen ab oder rutschen den Steilhang - mangels eines Widerlagers an ihrem Fußpunkt - herab. Die wellig-stufige Oberfläche des Schlossberg-Nordwesthanges die besonders in der geologischen Kartierung von SEYBOTH (1995) erfaßt wurde, bildete sich durch diese Vorgänge. Hangrutsche größeren Ausmaßes hingegen sind am felsigen Schlossbergsporn nicht zu erwarten. Sie tragen aber immer wieder, durch Subrosion ausgelöst, zur Gestaltung des Nordhanges am sog. Burghals, zwischen Schloss- und Nüllberg, bei. Die dort lagernden lockeren Sedimente wie rote, sandige Tone des Unteren Buntsandsteins, sandig-tonige Schotter der sog. Oberterrasse und Löss ließen zuletzt um 1990 herum eine etwa 0,5 Hektar große bewaldete Scholle oberflächennah zahlreiche Meter hangab gleiten. 3. Durch die andauernde Subrosion im "Werraanhydrit" im Untergrund des Schlossberges sackt dieser sehr langsam ab (vermutlich mit Beträgen von einigen mm/Jahrzehnt). Solang dieser Absenkungsvorgang gleichmäßig abläuft, ist er nur durch ein aufwendiges Fein-Nivellement festzustellen und beeinflußt das Schloss nahezu nicht. Vom Institut für Markscheidewesen der TU Clausthal zur Überwachung der Schlossberg-Bewegungen 1993 im Schlosshof angebrachte Höhenbolzen konnten bisher leider aus Aufwands- und Kostengründen nicht neu feinvermessen werden. Sinken jedoch einzelne Dolomitschollen innerhalb des Kluftmosaiks, z. B. durch Einsturz einer Höhle, unregelmäßig ein, würden sich gefährliche Zug- und Druckspannungen im Gebäudekomplex ergeben. Die zahllosen senkrechten Klüfte im Schlossbergsporn leiten viel Niederschlagswasser in den Berg hinein. Dies gilt auch für jene Spalten, die durch Erdreich oder lockere Aufschüttungen im Schlosshof oder um das Schloss herum verdeckt sind. Solche Sickerwässer fördern dabei in einem sich sehr langsam selbst verstärkenden Prozess das Fortschreiten der Verkarstung. Mehrere Kleinhöhlen, die noch vor Jahrzehnten an den Schlossberg-Hängen von spielenden Kindern erkundet wurden, zeugen von diesen geologischen Vorgängen. Aus Sicherheitsgründen wurden diese Klufthöhlungen übrigens längst oberflächennah verfüllt (freundl. persönl. Mitteilung von Herrn Geßner, ehem. Direktor des Amtsgerichtes Herzberg). Diese zuvor geschilderten Zerfalls- und Abbauprozesse am Schlossberg schreiten aus menschlicher Sicht zwar überwiegend sehr langsam voran. Sie gefährden daher auch nur in einem recht geringen, aber schwer vorhersehbaren Ausmaße das exponiert gelegene Schloss. Die Hangzerreißungen betreffen schon seit langem in geringem Maße den Gebäudekomplex, besonders den südöstlich gelegenen Grauen Flügel. In seinen Kellern hat sich ein kompliziertes System von Dehnungsrissen entwickelt. Aufgerissene Übersetzungen oder gerissene ältere Gipsmarken zeigen die Andauer der zerrenden Beanspruchung. Ihre genaue Vermessung erweist, dass diese wenige Millimeter bis reichlich 2 cm breiten Risse in einem klaren Bezug zum Kluftsystem des Untergrundes stehen (STEMANN & KULKE, 1994). Der Sieberflügel zeigt fast keine Risse. Im Keller des Stammhausflügels erwähnt GRÜNEBERG (1993) Risse, die sogar einen der Gewölbepfeiler beeinflussten. Er wurde durch einen Ringanker gesichert. Diese Risssysteme gehen auf sehr langsame Bewegungen im tieferen Untergrund zurück. Sie sind daher mit technischen Maßnahmen kaum zu verhindern. Nur in Ausnahmefällen haben sie einen bisher geringen Einfluß auf die Statik, der durch Verankerungen usw. minimiert werden kann. BÜCHNER (1991) untersuchte die Gefährdung von Bauwerken durch Erdfälle im Vorland des Westharzes. Seine Tabelle zur Abgrenzung unterschiedlicher Erdfallgefährdungen im Gipskarst beinhaltet zwar nicht Sonderfälle wie schmale Bergrücken über tiefliegendem, stark in Lösung befindlichem Gips bzw. Anhydrit. Dennoch lässt sich Schloss Herzberg in eine mittlere Gefährdungsstufe (Kategorie 3 von 7) einordnen. III. Die historischen Baustoffe, ihre Qualitäten und Schwächen Die vier den großen Innenhof umfassenden Schlossflügel entstammten ursprünglich weitgehend dem Wiederaufbau nach dem verheerenden Brand von 1510. Nur die dicken Mauern des Stammhausflügels widerstanden offenbar weitgehend der Zerstörung (GRÜNEBERG, 1993, S. 109). Der Sieberflügel wurde erst von 1648-1660 wiedererrichtet. Der renaissancezeitliche Graue Flügel wurde etwa 1860 abgetragen und auf dem alten Kellergeschoss 1861 als spätklassizistischer Repräsentationsbau neu erstellt. Die großen kreuzgratgewölbten Keller unter dem Sieber- und Stammhausflügel sind aus ihrer Bauweise heraus schwer zu datieren. Gegen eine Bretterschalung mit Gipsmörtel gemauerte, sich rechtwinklig durchdringende Tonnengewölbe wurden in der Harzregion schon in der Romanik errichtet, wie es z.B. die Krypten der Stiftskirche zu Gernrode zeigen. Derartige Kellergewölbe wurden aber auch Jahrhunderte später häufig erbaut. Aus der Renaissance entstammt das besonders große, gipsgemörtelte Tonnengewölbe des Hauptkellers von Schloss Sondershausen / Thüringen. Mit 10 m Breite, 33 m Länge und einer Scheitelhöhe von 8,3 m übersteigt es die ebenfalls beeindruckenden Ausmaße (9,2 m Breite, 22 m Länge, heute: 3,8 m Scheitelhöhe) des großen Kellers (heute Heizkeller) unter dem südlichen Drittel des Sieberflügels (siehe KULKE, 1999a. S. 112). Die Herzberger Kreuzgratgewölbe ruhen auf etwa 1 m dicken, rund 1,5 m hohen Pfeilern. Diese sind aus flachen Buntsandstein-Quadern gemauert und wurden schon vor langem durch verschraubte Schmiedeeisenbänder (z. B. 5,5 x 2 cm im Querschnitt) vor Belastungsrissen geschützt (Abb. 5). Bohrkerne aus Horizontalbohrungen, die 1992 vom Keller des Sieberflügels in die Fundamente des Uhrenturms getrieben worden waren, enthielten im leicht rötlichen Gipsmörtel aus der Erbauungszeit
Das Schloss erlaubt daher, in den Kellern und im nur bereichsweise freiliegenden aufgehenden Mauerwerk einige Jahrhunderte herrschaftlicher Bauweise bezüglich der verwendeten Materialien zu studieren. Dabei ergibt sich, dass bis zur Neuerrichtung des Grauen Flügels ganz überwiegend lokales Baumaterial Verwendung fand. Somit besteht in der Bauweise kein grundsätzlicher Unterschied zu den Bürgerhäusern in Herzberg. Ursprünglich waren offenbar alle Mauerflächen - wie auch heute wieder auf den innenhofseitigen Wänden - verputzt. Daher wurden die Mauern ziemlich grob unter Einsatz aller verfügbaren Steine als Mischmauerwerk hochgezogen. Viel Baumaterial dürfte dabei den Großbrand-Ruinen entstammen. Die weithin durch Putzabplatzung steinsichtige, talseitige Erdgeschosswand des Sieberflügels lässt auf einigen Zehner Quadratmetern exemplarisch die Bauweise und die eingesetzten Materialien erkennen. Sie wurde im Rahmen einer geologischen Diplomarbeit von Frau U. Stemann untersucht. Die Ergebnisse liegen im Bericht von STEMANN & KULKE (1994) vor. Sieber- bzw. Flussterrassen-Geröllsteine: Soweit nicht überputzt oder durch jüngere Reparaturen verdeckt, bilden recht große Geröllsteine den Hauptbaustein sowohl der Kellerwände und -gewölbe als auch des aufgehenden massiven Mauerwerks der drei alten Flügel, aber auch des talseitigen Sockelgeschosses des Grauen Flügels. Es handelt sich dabei um unterschiedlich stark abgerundete Gerölle (vergl. Abb. 4), deren Länge meist zwischen 20 und 30 cm liegt. Wegen ihrer für Bauzwecke ungünstigen, unregelmäßig rundlichen Form wurden sie mit reichlich Gipsmörtel vermauert bzw. im Gewölbebau auch vergossen (vergl. KULKE, 1995). Die Gerölle bestehen aus den widerstandsfähigsten Gesteinen des Sieber - Einzugsgebietes im Harz. Folgende Lithologien (= Gesteinsarten) wurden verbaut, wobei die Prozentzahlen die ungefähre Häufigkeit im Mauerwerk wiedergeben: 80 % Grauwacke: zähharter, stark verfestigter, unreiner Sandstein; mittel- bis grobkörnig, z. T. auch feinkiesig; dicht (= nicht porös), schmutzig graugrün, z.T. auch graubraun. 10% Quarzit: splittrig hart, fein- bis mittelkörniger Quarzsandstein; sehr stark durch Quarz (SiO2)-Bindemittel verfestigt, dicht; meist fast weiß oder lichtbeige, gelegentlich braunrot gefleckt. Er stammt vom "Kammquarzit" des Bergzuges Auf dem Acker. 5% Kieselschiefer: splittrig hartes, meist schwarzes, sehr feinkristallines SiO2-Gestein; aus winzigen Planktonskelettchen gebildet; Reste der verkohlten organischen Substanz erzeugen die tiefschwarze Farbe. Extrem verwitterungsbeständig, daher in alten Schottern selektiv angereichert. 2% Diabas: zähfestes, dichtes vulkanisches Gestein, das in Gangspalten erstarrte; oft tief dunkelgrün, manchmal mit heller Verwitterungsrinde. 2% Granit: mittelfein kristallin, rosa, leicht angewittert. Er entstammt der südwestlichen Randzone des Brockengranits im Umfeld von St. Andreasberg. 1% Milchquarz: weiß, splittrig hart; aus Quarzklüften stammend. Grauwacke, Quarzit, Kieselschiefer haben ein Unterkarbon-zeitliches Alter; der Granit erstarrte gegen Ende des Karbons vor etwa 290 Millionen Jahren in wenigen Kilometern Erdtiefe. Diese Geröllarten weisen alle eine hohe Verwitterungsbeständigkeit im Bauwerk auf. Fast nur die Grauwacke neigt bei ungünstiger Witterungsexposition zu geringfügigen "Abschalungen". Das sind sehr dünne, oberflächliche Abplatzungen, die durch das sog. "hygrische Quellen" bei häufigen Wechselbefeuchtungen auftreten können. Ursache dafür ist der geringe Tongehalt dieser Sandsteinart. Vermutlich wurde ein wesentlicher Anteil der verbauten Gerölle aus dem Sieberbett (Abb. 4) herangeschafft. Ein gewisser Teil besonders der Verwitterungsbeständigsten, besteht wahrscheinlich aus freigespülten Geröllen alter, hochliegender Flussterrassen, die auf dem westlichen Schlossbergrücken zu finden sind. Dolomitstein: In den Wänden der drei alten Schlossflügel tritt Dolomit als Bruchstein sehr untergeordnet und zwischen die Gerölle eingemauert auf. Diese lichtgraue, z.T. kalkhaltige Gesteinsart entstammt wahrscheinlich dem Schlossberg-Felsen. Die Brocken weisen wegen der Klüftigkeit der Hauptdolomit-Platte eine ähnliche Größe wie die Geröllsteine auf. Dieser Dolomit ist recht porös und zeigt häufig beim Betrachten mit der Lupe ein feinstkugeliges "oolithisch-onkolitisches" Mikrogefüge (Abb. 6). Am 1861 erbauten Grauen Flügel wurde ein ähnlicher Dolomitstein in großen, wohlbehauenen Blöcken verwendet. Der Sockel, die breite zweistufige Freitreppe, die mit Schattenfugen versetzten Quaderflächen beidseits der Tür als auch die Fensterlaibungen der Hofseite bestehen aus lichtgrauem "Nüxeier Dolomit". Talseitig ist die Südostwand dieses unteren Wohngeschosses ebenfalls aus diesem Material erbaut. Dieser wenig poröse, leicht feinkörnig wirkende Baustein dürfte in den bekannten Steinbrüchen bei Nüxei gebrochen worden sein. Sie liegen 4 km westsüdwestlich von Bad Sachsa und fast 15 km ostsüdöstlich von Schloss Herzberg.
Dieser lichtgraue bis hellbeige Werkstein ist erfreulich verwitterungsbeständig und war schon in der Frühgotik zum Bau des Klosters Walkenried verwendet worden. Noch heute wird dieser Dolomit, der dem "Hauptdolomit" des Schlossberges altersgleich ist, in geringem Maße z.B. zu Fassadenplatten gesägt. Die Hof-Fassade des Grauen Flügels wird übrigens oberhalb des Sockels durch zwei Lagen rotbraunen Quarzit-Sandsteins - vermutlich Harzer Provenienz - farblich gegliedert. Sandsteine: Sie treten als Mauerstein nur sehr untergeordnet und unter die Geröllsteine gemengt auf (Abb. 7). Es handelt sich fast nur um Bruchsteine eines wechselnd intensiv rotbraun gefärbten, feinkörnigen Buntsandsteines. Da er z.T. tonig "zementiert" (= gegenseitige Verbackung der Sandkörner) ist, unterliegt er an Außenwänden einer intensiven "Absandung". Dadurch wittert dieser Sandsteintyp stark gegenüber seiner Umgebung zurück. Derartiges Material wurde in der ottonisch-vorromanischen Bauperiode reichlich, zusammen mit Gipsmörtel, in der ehem. Klosterkirche Pöhlde (5 km südlich von Herzberg) verwendet. Es zeigt dort dasselbe starke Schadensbild (KULKE & LENZ, 2000). Es könnte also am Schloss Herzberg möglicherweise dem Abrissmaterial eines frühen Vorgängerbaus entstammen. Die Herkunft dieses im Außenbau ungeeigneten Sandsteins dürfte im Rotenberg-Zug, am Südrand des Pöhlder Beckens, zu suchen sein. Flache Quader (vermutlich der größte: 90 x 40 x 27 cm) einer ähnlichen, etwas weniger tonhaltigen Buntsandsteinart wurden zur Errichtung der stämmigen Kreuzgratgewölbe-Pfeiler in den Schlosskellern verwendet (Abb. 5). Im frostfreien Kellerklima hat sich dieser feinschichtige, feinkörnige, rotbraune Stein gut gehalten. Die Tür- und Fensterlaibungen an den drei älteren Schlossflügeln bestehen aus großen, z.T. fein bearbeiteten Sandstein-Werksteinen. Es handelt sich dabei überwiegend um blassroten, mäßig porösen Buntsandstein mittlerer Festigkeit. Dieser Stein könnte in der Göttinger-Wald-Region gebrochen worden sein. Am 1722 fertiggestellten Harzkornmagazin in Osterode wurde ein sehr ähnlicher Sandstein für die Architekturplastik aus dem Weserbergland herbeigeschafft (GRANZIN, 1989, S. 21). Gemäß WOLF (1967) wurde - wohl vorwiegend für die feinen Steinmetzarbeiten - auch der leicht bearbeitbare, sehr poröse Hilssandstein aus dem Brüchen bei Lutter am Barenberge (nördl. von Langelsheim. Lkrs. Goslar) verwendet. Starke Verwitterungsschäden an den Türbekronungen und Wappen erforderten schon seit langem Reparatur- und Steinaustausch - Maßnahmen. WOLF (1967) berichtet von einer Verfestigung mit Kaliumsilikat-Lösung ("Wasserglas") der vermürbten Steinoberflächen vor einer "Wiederherstellung der Steinplastik im Schlosshof" (Abb. 8). Der teilweise Ersatz beschädigter Fensterlaibungen auf der talseitigen Wand des Sieberflügels durch "Steinersatzmasse" ist auf Abb. 7 ersichtlich. Andernorts, z.B. am Erdgeschoss des Uhrenturms, wurden beschädigte Fensterbänke in jüngster Zeit durch solche aus dem lichtbeigen, gut verwitterungsbeständigen Obernkirchener Sandstein aus den Bückebergen ersetzt.
Weitere Bausteinarten treten in den Schloss-Außenmauern kaum auf. Die Druckentlastungs - Segmentbögen über den Fensterstürzen am talseitigen Sieberflügel sind aus Ziegelsteinen gemauert. Einzelne Ziegel wurden gelegentlich als Füllstein in Zwickel zwischen Geröllsteine eingefügt. Die vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Seitenmauern, welche die Zufahrt über den hier zugeschütteten Schlossgraben zwischen Torhaus und Schlosstorweg begrenzen, enthalten einige größere Naturgips-Bruchsteine. Die starke Rissigkeit dieses Materialtyps lässt sie bröckelig zerfallen. Gipsmörtel- und Gipsputz: Diese für das historische Bauwesen des Südharz - Randes so charakteristischen Gips-Hochbrand-Produkte sind, bzw. waren, auch am Schloss Herzberg allgegenwärtig (KULKE, 1998). Gipsmörtel, grob- oder feinstückig und üblicherweise von hoher Festigkeit, wurde als alleiniges Bindemittel sowohl für das geröllstein-geprägte Mauerwerk der Keller als auch der massiven aufgehenden Wände eingesetzt. Sein nahezu einziger Nachteil gegenüber dem - oft mürben - Kalkmörtel und dem Kalkzementmörtel ist die gewisse Löslichkeit des Gipses. Diese kommt aber eigentlich nur an schlagregen-belasteten Wänden bauschädigend zum Ausdruck. Der beim renaissance- bzw. barockzeitlichen Schlossbau verwendete Gipsmörtel ist ziemlich feinstückig und meist hellrosa gefärbt. Seine geringe Feinblasigkeit ist materialtypisch. Zumindest bei der Errichtung des Sieberkellers, die bei den Gewölben gegen eine gewissenhaft gezimmerte Bretterschalung erfolgte (Abb. 5), wurden öfters Brocken festen Altgipsmörtels (siehe vorne) dem reichlich verwendeten Gipsmörtelbrei zugesetzt. Dieses "recycling''-Material entstammte Abrissmaßnahmen und diente - wie gelegentlich auch Ziegelstücke - dazu, die großen Zwickel zwischen den Geröllsteinen zu verringern. Gipsputz war vermutlich ehemals an allen massiven Innen- und Außenwänden (mit Ausnahme der Sockel sowie der Tür- und Fensterlaibungen) und auch auf den Fachwerk-Gefachen angebracht (vergl. REUTHER, 1963). Am hofseitigen Obergeschoss des Sieberflügels konnten bei notwendigen Restaurierungsarbeiten einige Gipsputzgefache erhalten werden. Heute ist derartiger Gipsputz, der möglicherweise der Erbauungszeit des Sieberflügels (1648 - 1660) entstammt, noch an dessen talseitiger Erdgeschosswand in einer zusammenhängenden Fläche von etwa 10 mē und einzelnen kleineren Flecken erhalten (Wandkartierungs-Faltblatt in STEMANN & KULKE (1994) (Abb. 7). Dieser fast schneeweiße Putz haftet heute noch gut gut auf dem rauen Mauerwerk, z.T. klingt er aufgrund einer wechselnd starken Ablösung hohl. Hier ist eine rasche restauratorische Wieder-Anbindung an die Wand erforderlich, um diesen ehemals bautypischen, jetzt selten gewordenen Befund zu sichern. Die Dicke dieses Gipsputzes liegt um 2 - 3 cm. Im unteren, feuchteren Wandbereich ist er ziemlich vermürbt und weist eine leicht schmierig-pulverige Oberfläche auf. Höhere Bereiche hingegen sind noch ziemlich hart und können kaum mit dem Fingernagel geritzt werden. Es ist übrigens anzunehmen, dass die Putzflächen ehemals durch eine Farbfassung(= Anstrich) gestaltet und somit auch in gewisser Weise vor der Witterung geschützt waren. An Bruchflächen erkennt man, dass dieser Gipsputz in weitverbreiteter traditioneller Weise mit kurzen Tierhaaren spärlich aber gleichmäßig durchsetzt ist. Derartiger Haargips weist eine überraschend gute Zugfestigkeit und damit auch eine gegenüber rein mineralischem Gipsputz stark verminderte Rissanfälligkeit auf (vergl. KULKE, 1999a, S. 104: dünner barockzeitlicher Haargips-Feinputz im Zellerfelder "Dietzelhaus"). An derartigen, der Feuchte ziemlich exponierten, selten gut austrocknenden Nordostwänden laufen im porösen Gipsputz äußere und innere Anlösungsprozesse ab, die über lange Zeit die ursprünglich gute Einbindung der Kälber-Haare in die Gipsmasse schwächen (Abb. 9).
Mörtelschäden durch Magnesiumsulfat-Ausblühungen: An den Gewölben des heutigen Heizkellers unter dem Sieberflügel traten - in den letzten Jahren vermehrt - während der Heizperiode watteartige, sehr lockere, weiße Ausblühungen auf dem Gipsmörtel und auf Rissen der Geröllsteine auf. Es handelt sich dabei um bitter schmeckende MgSO4-Schadsalze (mit sechs Molekülen eingelagertem Wasser: Hexahydrit, mit 7H2O pro MgSO4 im Kristallgitter: Epsomit oder Bittersalz). Sie bildeten sich im Hochbrand-Gipsmörtel aus der thermischen Zersetzung eines erhöhten Dolomitgehaltes im unreinen Rohgips. Im winters sehr trockenen Heizkeller diffundieren diese leicht löslichen Salze mit der Mauerfeuchte langsam zur Mörteloberfläche und scheiden sich dort aus. Im sommers feuchten Kellerklima lösen sie sich teilweise auf (Abb. 10) und ziehen sich etwas im porösen Mörtel zurück, der sich dadurch langsam auflockert und in kleinen Stückchen aus dem Gewölbefugen herabbröckelt (KULKE, 1999b). Gips- und auch Kalkmörtel, die aus ungeeignetem, dolomitreichem Rohgestein gebrannt wurden, können besonders unter wechselfeuchten Raumklimabedingungen dieses Schadensbild entwickeln. Im Außenbereich könnten derartig leichtlösliche Schadsalze unter günstigen Randbedingungen oberflächennah ausgewaschen werden.
Um die Dynamik dieses bauschädlichen Phänomens wesentlich zu verringern, wurden im Spätherbst 1999 alle lockeren MgSO4-Ausblühungen im Keller abgesaugt. Ein besonders stark geschädigter Gewölbebereich wurde mit hochgebranntem Gipsmörtel, der von Werner Binnewies (Osterode-Förste) und Partnern nach historischem Vorbild gebrannt wurde, neu verfugt. IV. Bauunterhaltung und -erhaltung der letzten 150 Jahre
Neben diesen bedeutenden baulichen Veränderungen wurden natürlich im Laufe der Zeit auch viele, viele kleinere Umnutzungen von Räumen und Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Manchmal sind es auch kuriose Dinge oder interessante Kleinigkeiten, die das Baugeschehen begleiten und von denen ich hier einige mitteilen möchte. Die Brandbekämpfung und das Vorbeugen gegen Feuerbrunst spielt bei einem solchen fachwerkgeprägten Gebäudekomplex natürlich eine sehr große Rolle, zumal das nächstgelegene natürliche Wasservorkommen, die Sieber, weit weg ist. Schließlich war ja auch das gesamte Schloss 1510 durch Feuer vernichtet worden. Aus den zugänglichen Akten (jetzt im Hauptstaatsarchiv Hannover) konnte entnommen werden, dass 1841 von der königlich-hannoverschen Domainen Cammer die Weisung kam (nachdem es wenige Tage zuvor im Schloss mal wieder gebrannt hatte), künftig die Dachflächen nicht mehr mit den allgemein üblichen Strohdocken zwischen den Dachziegeln abzudichten, sondern dafür nur noch Kalkverstrich zu verwenden. Interessant ist auch das von 1855 stammende Verzeichnis der Feuergeräte auf dem Schloss Herzberg: 1 große Feuerspritze; dabei 1 Leitrohr, 7 lederne SchläucheErst seit 1887 wurden diese Geräte offiziell vom vormaligen Verwaltungsamt dem Amtsgericht übereignet. Bis dahin durften sie (gnädig) mitbenutzt werden! In den Folgejahren sind dann offenbar diverse Feuerlöscher angeschafft worden, jedenfalls teilt das Amtsgericht im Januar 1929 dem Oberlandesgericht mit, dass man von den 2.000 Stck. Wolldecken, die im Schloss lagern (Bestimmung unbekannt - vermutlich noch aus den Lazarettzeiten) 20 Stck. genommen habe, um die Feuerlöscher vor dem Einfrieren zu schützen. Viele sind aber trotzdem eingefroren, weil der Winter so hart war, dass im Gebäude bis zu -17° C gemessen wurden. Nach Rückfrage bei Fa. Minimax teilt diese mit, sie habe auch ein frostsicheres Modell bis -30° C, dass von der Reichswehr in Königsberg ausprobiert worden sei und selbst die hohen Kältegrade des ostpreußischen Winters aushalte. Mit Zerstörung und Feuer hat auch der Schriftwechsel aus dem Jahr 1940 zu tun, als das Staatshochbauamt vom Regierungspräsidium aufgefordert wird zu berichten, ob das hochgelegene Schloss infolge seines hellen Anstrichs als Anflugspunkt und Ziel für feindliche Flugzeuge dienen könne. Sinngemäß antwortet der damals bereits fast 70-jährige Leiter des Staatshochbauamtes, Baurat Thurm: Ja, das Schloss ist ein leicht festzustellender Richtungspunkt für feindliche Flieger die Verursachung für evtl. Feindangriff ist aber darin zu sehen, dass in die frühere Kunstseidenfabrik Borvisk AG am Fuße des Schlossberges ein Rüstungswerk (Tellerminen) als beliebtes Feindziel verlagert worden ist. Dies sei die Ursache möglicher Feindangriffe und wegen des über 900 Jahre alten Schlosses, des nahen Krankenhauses, der Gasanstalt und mehrer Privathäuser eine grobe Fehlplanung. Herr Thurm empfiehlt in Absprache mit dem Luftgaukommando XI in Hamburg das Schloss grün, am besten in Tarnfarbe zu streichen und fordert eine so große Menge an Farbe an, dass die Aktion schon daran scheitern musste. Auch noch im 2. Weltkrieg, nämlich in der Zeit von März 1943 bis Mai 1944 sollten die Dachkonstruktionen des Schlosses zum Schutz gegen Brandbomben im gesamten Dachbereich mit einem Feuerschutzanstrich versehen werden. Der Schriftwechsel dazu ist exemplarisch für die Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung und Ausführung eigentlich einfacher Handwerksarbeiten, er wird hier stark gekürzt wiedergegeben:
In jüngster Zeit wurde das Schloss mit einer Brandmeldeanlage ausgestattet und es gibt neben der normalen Löschwasserversorgung aus dem Netz zwei Löschwasserzisternen sowie eine Vielzahl von modernen Handlöschgeräten. Neben dem Großbrand von 1510 nach dem nahezu das gesamte Schloss neu errichtet werden musste, sind es die beiden Weltkriege gewesen, in denen auch das Schloss Herzberg stark gelitten hat. Im 1. Weltkrieg und in der Inflationszeit war es das fehlende Geld, durch das die Gebäude nach und nach verkommen sind und trotz vielfältiger zusätzlicher Nutzung, z.B. als Winterschule und als Lazarett des Vaterländischen Frauenvereins keine baulichen Erhaltungsarbeiten erfolgten. Erst 1927 wurde wieder etwas Geld zur Schadensregulierung bereitgestellt. 1930 bekam das Schloss eine koksbefeuerte Zentralheizung. Nachdem sich die Mieter beklagt hatten, dass die alten Kriegsleitungen aus Zinkdraht noch nicht einmal die Benutzung eines elektrischen Plätteisens erlaubten, wurde 1931 die Elektroanlage erneuert. Ende 1933 weist der Provincial-Konservator auf den schlechten Zustand des Turmes hin und gibt zu bedenken, ob man aus techn. Gründen die welsche Haube nicht mit Kupfer eindecken sollte. Vom Sachbearbeiter für Denkmalpflege beim RP Hildesheim wird 1934 ein Gutachten über den allgemeinen Gesundheitszustand des Turmes angefertigt:
Der vom Landeskonservator vorgeschlagene Bildhauer Buhmann, Hannover wird aufgefordert sich den Turm mal anzusehen, er gibt später einen Kostenanschlag für die Instandsetzung des gesamten Turmes einschl. Ausbesserung der Bleieindeckung für 9.500 RM ab. Auch eine Spezialfirma für Metalldächer (Söhlmann, Hann.) gibt zwei Angebote für die Neueindeckung der welschen Haube ab:
Das Hochamt beantragt für die Instandsetzung des gesamten Turmes 12.600 Reichsmark. Im Juni 1934 wird vom RP mitgeteilt, dass bei der äußersten Knappheit an Haushaltsmitteln nicht daran zu denken ist, eine derartige Maßnahme durchzuführen. Es werden schließlich 1.000 RM für die dringendsten Instandsetzungsarbeiten zugewiesen. In den folgenden Jahren wurde es wieder immer schwerer, Geld und Material zu beschaffen. Hier einige Beispiele: Im Dezember 1934 schreibt das Amtsgericht an das Hochbauamt, dass das gesamte Pflaster zwischen den Toren und im Hof in so schlechtem Zustand sei, dass man es nur mit erheblichen Schwierigkeiten begehen kann. - Ausführung dieses Bauantrages 44 Jahre später im Jahre 1978!! Das Leck an einem Kesselglied der Heizung und sein Ersatz durch ein neues Kesselglied im Gewicht von 170 kg Grauguß und die damit verbundenen Beschaffungsschwierigkeiten zeigen 1939 den Beginn einer Materialzuteilungsära, die wir uns zum Glück heute nicht mehr vorstellen können. "Das Kesselglied" Selbst die Beschaffung von 2 Minimax-Nassfeuerlöschern zum Preis von je 47 RM ist problematisch. Ansich ist auch dafür wieder eine "Kennziffer-Zuteilung" aus dem Baueisenkontingent über 0,015 t erforderlich - die ist diesmal überhaupt nicht zu bekommen. Durch Zufall konnten noch zwei alte, zuteilungsfreie Feuerlöscher aufgetrieben werden. "Die Glocken" "Die 3-Öfen-Geschichte"
"Buntmetall" Schließlich wurden die beiden Behördenleiter Dr. Holtzheimer (Amtsgericht) und Hallermann (Staatshochbauamt) bei den britischen Besatzungsbehörden vorstellig und wiesen darauf hin, dass das Schloss Herzberg immerhin als Wiege des britischen Königshauses zu betrachten sei, weil hier der Vater von Georg I. geboren wurde. Aber auch das hat wohl nur bedingt geholfen. Den Winter 1945/46 über stehen große Teile der Schlossdächer offen und die darunter liegenden Räume nehmen großen Schaden. Am 18. Oktober flattert dem Sthba bereits ein Schreiben vom Baulenkungsamt OHA auf den Tisch, dass die Baumaterialien, die nach der Baufreigabe-Urkunde bereitstünden, beschlagnahmt wurden, wenn nicht unverzüglich mit den Bauarbeiten begonnen würde. Anfang November 1946 kann endlich, nachdem das Geld zugewiesen worden ist, mit den Bauarbeiten begonnen werden. Eine weitere Beschaffungsgeschichte dieser Zeit soll noch berichtet werden: Sie hat sich im Febr./März 1946 zugetragen: Rückfrage beim AG (wahrscheinlich ironisch gemeint): Welche Fa. könnte denn wohl die 7 Öfen liefern? In den Jahren 1946 bis 1951 werden die Kriegsschäden nach und nach beseitigt und im Oktober 1947 denkt man darüber nach, was man mit dem leeren Stammhausflügel machen könne. Die Planung, die Grenzpolizei dort einziehen zu lassen, kommt nicht weiter, dagegen wird ein Entwurf mit Kostenanschlag für die Einrichtung einer Rechtspflegeschule für 30 Rechtspflegeranwärter mit Unterkunft und Verpflegung gemacht. Auch ernsthafte Überlegungen, dort das Finanzamt unterzubringen, gab es. Nun können sich die Mitarbeiter des FinA fragen, ob es schöner gewesen wäre, von oben auf die Stadt zu blicken oder aus dem Finanzamt hinauf zum Schloss. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist mit vielen kleinen Veränderungen, umfangreichen Bauunterhaltungsmaßnahmen und den vorne erwähnten großen Baumaßnahmen erfüllt (z. B. HELBICH, 1994). Eine genaue Aussage zur Gesamtsumme, die nach dem Krieg für das Schloss zur Verfügung gestellt worden ist, kann nicht gemacht werden, sie wäre auch müßig, weil 1 DM im Jahr 1960 einen weit höheren Wert hatte als sie das heute hat. Gemessen am heutigen Wert der Deutschen Mark sind es aber etwa 20 bis 25 Millionen DM, die im Schloss verbaut worden sind und die Aufwendungen zur Erhaltung und Verschönerung des Schlosses gehen weiter ... V. Ausblick Seine geologisch kritische Lage und seine historischen Baumaterialien ließen es für die Bauforschung zu einem überregional wertvollen Untersuchungsobjekt werden. In unserem Bericht werden exemplarisch für die letzten 150 Jahre die Schwierigkeiten der Bauunterhaltung vorgestellt. Es ist sehr zu bedauern, dass das Schloss für die Herzberger und für Besucher durch die hohe, urwaldartige Bewaldung und Verwucherung des Schlossberges nur bedingt in seiner beherrschenden Lage wahrzunehmen ist. Hier wären größere forstliche Maßnahmen einer optischen Wieder-in-Wert-Setzung des Komplexes vom Tal her sehr förderlich (vergl. Abb. 1). Ebenso ist es wünschenswert, dass der stadtseitig unter dem Grauen Flügel gelegene ehemalige "Lustgarten" künftig wieder als Bestandteil der Gesamtanlage erlebt werden kann. Heute ist er weitgehend verwuchert und wird von hohen Bäumen beschattet. Die Bedeutung des Schlosses für die Stadt und ihre Besucher könnte durch derartige landschaftspflegerische Maßnahmen und verbesserte Fußwege deutlich erhöht werden. Literaturverzeichnis ASELMEYER, G. & KULKE, H. 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