Von den Hölen oder Zwerg-Löchern zwischen Elbingerode und dem Rübelande 
Von den Hölen oder Zwerg-Löchern zwischen Elbingerode und dem Rübelande.

Man findet zwischen dem albereit gedachten Ambt und Stadt Elbingerode und dem Rübelande auch Hölen, welche die Zwerg-Löcher heissen, wovon ich ingleichen so wenig als von vorigen dem curieusen Leser einen vollkommenen Bericht ertheilen kan; massen die Ein- und Ausgänge derselben ebenfalls ruiniret und verfallen sind, weilen ich aber im Vorhergehenden allbereit etlicher Zwerg-Löcher gedacht habe, auch unter denen Curiosis ein und andere Meinung von solchen Löchern vorhanden sind, so habe insonderheit solchen curieusen Streits wegen derselben alhier gedencken wollen, denn es halten etliche mit denen gemeinen Leuthen davor, daß vor Alters in allen denen vorbesagten Zwerg-Löchern ohnfehlbar Zwerge ihre Wohnungen gehabt, wie denn auch etliche von denen jetzt gemeldten Hölen erzehlen wollen: daß sie von alten Leuthen gehöret hätten, wie vormahls Zwerge in denenselben sich auffgehalten, von welchen denen Einwohnern zu Elbingerode alle Güte erzeiget worden, denn wenn daselbst Hochzeiten vorgefallen, so wären die Eltern oder Anverwandten derer Verlobten nach solchen Hölen gegangen, und hätten von denen Zwergen meßingene und küpfferne Kessel, eherne Töpffe, zinnerne Schüssel und Teller, auch andere nöthiges Tisch- und Küchen-Geschirr verlanget, auch so bald bekommen, als sie nun ein wenig zurück gegangen, massen von denen Zwergen gleich darauf die verlangten Sachen vor den Eingang derer Hölen gesetzet worden, alsdenn diejenigen, so solches begehret, sich wieder hinzu gemachet, und dasselbe abgeholet hätten; wenn nun die Hochzeiten vorbei gewesen, habe man alles Geborgete wieder dahin gebracht, und zur Danckbarkeit etwas Speise darbei gesetzet. Andere aber wollen durchaus nicht gestehen, daß darinnen Zwerge gewohnet hätten, weilen man daran zweifele, ob es jemahls gantze Völcker oder einzelne Familien von rechten Zwergen gegeben habe und noch gebe, sondern es wären solche Hölen vormahls nichts anders als Retiraden und Schlupff-Löcher zu Krieges-Zeiten gewesen, darinnen das Volck aus denen kleinen und andern unverwahrten Städten, wie auch aus dem offenen Lande ihre Güther in Sicherheit gebracht, und sich daselbst vor dem Feinde verborgen und auffgehalten hätten; in diesen Gedancken stehet der Autor der alten Sächsischen Chronike fol. 81 und Zacharias Rivander in seiner Thüringischen Chronica, wie auch M. Cyriacus Spangenberg in seiner Mansfeldischen Chronica cap. 115 fol. 104 & seq. ingleichen Herr Valvasor in der Beschreibung Crain Tom. 3 libr. & cap. 10 fol. 195 als welche vermeinen, daß solches zu der Zeit geschehen sei, als der Hunnen oder Ungarn König Attila oder Ezel genannt mit seinen barbarischen und Blut-gierigen Soldaten, Beyern, Francken, Thüringen, Sachsen und den Hartz durchstreiffet und verwüstet hätte, und käme es daher, daß solche Hölen die Zwerg-Löcher genennet würden, weilen die Völcker derer vor gemeldeten Länder gegen die Hunnen nichts anderes als Kinder oder Zwerge geschienen, für welchen sie sich auch dieserwegen sehr gefürchtet, und in dergleichen Löcher wie die armen Mäuslein verkrochen und verborgen hätten, zumahl da die Hunnen etliche Leute geschunden und gebraten, auch sonst auff andere Weise sehr unmenschlich und greulich mit denenselben umgangen wären. Ob nun schon bewuster massen man von allen alten Dingen nicht allezeit genugsamen Bericht geben, und die rechte Ursache aller alten Historien oder Geschichte vollkömmlich darthun kan; dennoch so halte unmasgeblich davor, daß beide Partheien auff gewisse masse recht geredet haben, und man derselben Meinung leicht vereinigen könne: Denn was die Zwerge anbetrifft, so weiß man zwar wohl, daß unter andern Strabo in seiner Geographie libr. 2 gäntzlich geleugnet habe, daß jemahls Zwerg-Völcker und Familien in der Welt wären gefunden worden: Es ist aber derselbe auff solche Meinung des wegen kommen, weilen davon die Poeten, sonderlich Homerus iliad. libr. 1 Ovidius libr. 6 Metamorph. und Juvenalis Satyr. 13 viele wunderliche und unglaubliche Sachen fabuliret oder gedichtet haben, denen auch die Historien-Schreiber getreulich nachgefolget sind, wie denn Münsterus in seiner Cosmographia von denen Zwergen schreibet, daß solche im 3. oder 5. Jahre Kinder zeugeten, im 7, 8 oder 9ten aber stürben, und mit denen Kranichen oder Störchen beständig Kriege führeten, auch ihre Nester oder Häuseleien von Leimen, Federn und Eier-Schalen erbauet hätten, auch was dergleichen Fabel-Werck mehr ist; Wodurch ebenfalls Albertus Magnus bewogen worden, nicht zu glauben, daß es vormahls rechte kleine Zwerg-Menschen gegeben habe, massen er gäntzlich davor hält, daß alle diejenigen Creaturen, welche die Autores vor Zwerge ausgegeben hätten, nichts anders als eine Gattung Affen wären; Allein es ist auch dessen ohngeachtet denen Gelehrten zur Gnüge bekannt, daß es viel mehr Autores gebe, die das Gegen-Theil statuiren, und gäntzlich vermeinen, daß vor Alters dergleichen Zwerg-Menschen angetroffen worden, ja es finden sich hierunter etliche, die gar davor halten, daß es noch heutiges Tages solche kleine Völcker und Familien gebe, ob dieselben schon rar wären, wovon Casper Schottus in seiner Physica Curiosa part. 1 lib. 3 cap. 7 § 1 pag. 421 & seq. kan gelesen werden, als welcher daselbst ausführlich von dieser Materie handelt, und nicht allein viele Autores anführet, so voriges affirmiren oder bejahen, sondern auch ihre dieserwegen habende argumenta defendiret, weilen er selber solcher Meinung beipflichtet, und davor hält, daß, wenn dasselbe geleugnet würde, man auch nicht glauben und zugeben könne, daß es vormahls Riesen gegeben habe, welches doch wider die Heilige Schrifft lauffe, als welche bezeuget, daß man zu der Zeit solche grosse Leuthe und Völcker im gelobten Lande und folglich auch in der Welt gefunden habe, welche Gedancken auch mit der gesunden Vernunfft überein kommen, denn da die Natur zu der Zeit im gelobten Lande excediret und grosse Riesen zuwege gebracht, so ist es auch keine unmügliche Sache, daß sie nicht eben zu solcher Zeit, auch hingegen in andern Oertern hätten in defectu pecciren, und Zwerge generiren können, sonderlich da dasselbe noch auff den heutigen Tag geschiehet, indem man an unterschiedenen Orten nicht allein sehr grosse Leute, sondern auch Zwerge antrifft, hieraus ist nun zu schliessen, daß vor Zeiten Zwerge so wohl auff- als auch muthmaßlich in der Erden gewohnet haben; Ob aber dieselben noch biß hieher sich in einer gewissen Landschafft auffhalten, ist eine Frage, so eigentlich nicht hieher gehöret, doch will ich denen Curiosis zu Liebe kürzlich darauff antworten, daß es scheine, wie vor gedachter Schottus nicht der Meinung sei, weilen er an gedachtem Ort § 4 pag. 429 auff die Instantz: daß nemlich nunmehro die gantze Welt genugsam erkundiget, und doch darinnen keine Zwerg-Völcker und Familien angetroffen worden, die Antwort giebet, wie die Autores nicht sageten, daß man dergleichen noch in der Welt finde, sondern daß sie vormals darinnen gefunden worden; hingegen hält Herr Jobus Ludolfus in seiner Historia Æthiopica libr. 1 gäntzlich davor, und will beweisen, daß die Zwerge nicht allein wahrhafftig vor diesem gewesen und noch wären, wie denn auch Johann Ludwig Gottfried in seiner Historia Antipodum part. 1 fol. 139 gedencket, daß sich noch Zwerg-Völcker in Brasilien als einer in dem mittägigen oder Peruvianischen America gelegenen grossen und wüsten Landschafft auffhielten, welche von denen Landes-Einwohnern Tadyguiren genennet würden, wovon ich diejenigen will urtheilen lassen, so an solchen Oertern gewesen sind, und von derselben Beschaffenheit eine genaue Kundschafft bekommen haben. Dieses ist nun dasjenige, was die Autores von gedachten Zwergen berichten, welche kleine wahrhafftige Menschen sind. Es gedencket aber auch Paracelsus in seiner Epist. ad Athen. oder de occulta Philosophia, ingleichen der dem Paracelso getreulich nachaffende Kornman, in seinem Tractatu de monte Veneris cap. 9 pag. 119 einer andern Sorte oder Gattung derer Zwerge, so keine rechte ordentliche Menschen, sondern ein sonderbahres Geschlecht sein sollen, massen dieselbe vorgeben: daß solche Zwerge nicht allein Menschen, sondern auch zugleich Geister wären, welche von GOtt ausserhalb Adams des ersten Menschens Nachkommen erschaffen worden, es hätten aber solche Geist-Menschen ihre Wohnungen nicht auff sondern in der Erden, wären denen rechten Menschen nicht abgünstig, und denenselben an Gestalt nicht gar ungleich, trügen auch ebenfalls Fleisch und Bein an sich, welches aber so subtil wäre, daß sie durch Mauren und Wände damit gehen könten, dessen ohngeachtet genössen dieselben so wohl Speise und Tranck, und zeugeten Kinder als andere Menschen, sonst brächten dieselben in der Erden die allerköstlichsten Sachen als Schätze und dergleichen zusammen, und verfertigten die künstlichste Arbeit von Metall und Steinen, und was des Fabulirens mehr ist. Es ist aber von denen gedachten Geist-Menschen kein Buchstab in der Heiligen Schrifft zu finden, und dieserwegen solche gottlose wider die gesunde Vernunfft lauffende Meinung von gemeldeten Schotto lib. 1 cap. 38 pag. 197, ingleichen von Abraham Seideln in seiner pnevmatologia oder Bericht von denen Geistern, sonderlich in der 14, 15, 16 und 17 Frage genugsam widerleget und dargethan worden: daß solche erdichtete Geist-Menschen und Zwerge nichts anders als der Teuffel selber sei, welcher sich also verstelle; denn solche Zwerge keinen rechten, sondern nur einen angenommenen Leib von einem Aas hätten, und dieserwegen würcklich keine Speise genössen, sondern diejenigen, so ihnen vorgesetzet würden, nur deswegen annehmen, damit die Einfältigen glauben möchten, daß sie rechte Menschen und keine Geister wären, auch möchten dieselben sich so gut stellen als sie wolten, so sei denenselben doch nimmermehr zu trauen, denn des Teufels Trug und Bosheit darhinten stecke, und sie zuletzt mehr Schaden zufügeten, als sie vorher erzeiget hätten. Was die andere Meinung von denen ZwergeLöchern anbelanget, so ist gewiß, daß sich zu Kriegs-Zeiten die Benachbarte in solche und andere Hölen mit dem Ihrigen salviret haben, massen bekannt ist, daß solches auch noch in dem vergangenen dreißig-jährigen Kriege geschehen sei: Ob aber von denen Benachbarten des Hartz-Waldes die gemeldete Flucht aus Furcht vor dem Attila vormahls vorgenommen worden, wie gedachter Rivander mit dem Spangenberg vermeinet, lasse ich zwar dahin gestellet sein, weilen Attilæ Krieges-Zug und Geschäffte in Thüringen sehr ungewiß sein soll, wie Sagittarius lib. 2 cap. 5 vom Thüringer Königreich weitläufftig darzuthun sich sehr bemühet; Doch halte ich davor, daß vor gemeldete und andere glaubwürdige Historici solches ohne Fundament schwerlich werden geschrieben haben, und es sich leicht habe zutragen können, daß die documenta, worauff sie sich fundiret gehabt, nach ihrem Tode verlohren gegangen, und also dem Sagittario nicht zu Händen kommen sind, über das ist eine ungewisse Sache nicht gleich unmüglich, massen es wohl sein kan, daß zu solcher Krieges-Zeit, ob schon nicht der Attila selber, doch etliche starcke Parteien von desselben Kriegs-Heer in Thüringen und nach dem Hartze zu gestreiffet haben, denn solche weite Streiffereien die Ungarn, ihrer leichten Rüstung und sehr schnellen Pferde wegen, gar leicht zu verrichten vermocht, und noch heutiges Tages bekannter massen bei ihnen sehr im Gebrauch sind. Wenn man nun vorige alles recht überleget, so erhellet daraus, daß beide von denen Zwerg-Löchern vorgebrachte Meinungen bestehen können, weilen es keine unmügliche Sache ist, daß sich erstlich in vorigen Zeiten Zwerge darinnen auffgehalten haben, so entweder rechte Menschen oder in menschlicher Gestalt verstellte Erd-Geister gewesen, welches letztere in denen zwischen Elbingerode und dem Rübelande gelegenen Zwerg-Löchern wohl kan geschehen sein, wenn anders die Fabel wahr ist, welche davon erzehlet wird, massen der Teuffel zu Zeiten derer Alt-Väter dergleichen Spiel mehr angerichtet hat. Nachdem aber nachgehends die Zwerge sich aus solchen Hölen verlohren, haben dieselben auch im Fall der Noth denen flüchtigen Hartz-Län dern und andern Benachbarten zu einer Retirade dienen können, zumahl da dergleichen Zwerg-Löcher an und auff dem Hartz, als ein wenig unter Stolberg im grossen Thal nahe bei der Land-Strasse und andern Orten mehr, vorhanden sind, derer Zu- und Ausgänge aber nunmehro von denen herab fallenden Steinen gäntzlich verstopffet worden.

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