Kaum eine zweite Karsterscheinung des Südharzes hat soviele Chronisten, Schriftsteller und Wissenschaftler zum Schreiben angeregt, wie der Bauerngraben. Die widerspüchlisten Meinungen wurden vertreten und selbst in unserer Zeit werden falsche Meinungen und Hypothesen vorgetragen, obwohl nach den Vorgängen beim Vortrieb des Tiefen Breitunger Stollens 1760 die wahren Vorgänge ziemlich klar erwiesen wurden. Zwischen 1953 und 1961 beschäftigte sich VIETE eingehend mit dem Bauerngraben. Mit Wasserfärbungen wies er nach, was 1765 schon vermutet wurde und einen langjährigen Gerichtsstreit hervorbrachte. Trotz dieses Erfolges gerieten auch die Ergebnisse schnell wieder in Vergessenheit. Es wundert also niemand, wenn man von den Einheimischen hört und in den meisten einschlägigen Publikationen lesen kann, daß das Geheimnis um den Bauerngraben immer noch nicht gelöst ist. Jahrelange Beobachtungen des Bauerngrabens, Vergleiche mit ähnlichen Erscheinungen der näheren Umgebung, die Verallgemeinerung der Erkenntnisse bei der Erforschung der in der Umgebung liegenden „Schlotten“ und ein intensives Archivstudium ermöglichten es uns, wieder einmal eine Schrift über dieses Karstphänomen vorzulegen. Wir hoffen damit, die modernsten Erkenntnisse zu publizieren und andererseits jedem Interessierten historische Fakten zu erschließen, die bisher in dieser Form noch nicht vorgestellt wurden. Der Bauerngraben ist eine etwa 10 bis 15 m tiefe Senke, welche nach Süden durch einen 60 m hohen Steilabfall begrenzt wird. Er liegt zwischen den Ortschaften Breitungen und Agnesdorf, etwa 4 km nördlich von Roßla. Das Becken ist etwa 350 m lang und 100 m breit. In das Becken mündet ein Bach, der sogenannte Glasebach, der in den Gesteinen des Harzpaläozoikums seinen Ursprung hat.
Man kann kurze Zeit nach einem erfolgten Besuch das Becken in einem ganz anderen Zustand wiederfinden. Statt des grünen Grases und der Bachwindungen ist das Becken plötzlich wassergefüllt. Bei 3,4 ha Größe kann der See einen Wasserinhalt von etwa 200000 m³ erreichen, bei extremer Füllung noch mehr. Dieses Rätsel beschäftigte die Gemüter seit Jahrhunderten. Was wurden nicht alles für Erklärungen für die Füllung und Leerung des Beckens gegeben!
Für diese Senke gibt es nicht nur einen Namen. Geläufig sind auch die Bezeichnungen Glasebach, Hunger-See, Periodischer See. Der Name Hunger-See gibt in der Literatur immer wieder zu Verwechslungen Anlaß.
Es ist unmöglich, alle historischen Quellen zu zitieren, in denen diese geheimnisvolle Karsterscheinung genannt wird. Alle hier zitierten Quellen bilden nur eine bescheidene Auswahl. „ … Gleichwie nun dieses See-Gewässer zu keiner gewissen Zeit, sondern offtmahls nur in sechs, acht, weniger oder mehr Jahren ankömmet, also pfleget auch dasselbe keine gewisse Zeit daselbst zu verbleiben, nachdem es öffters nur etliche Wochen, zu Zeiten aber über ein Jahr, auch länger, welches doch selten geschiehet, gestanden, sich wieder durch den Ort, da es heraus gequollen, entweder in geschwinder Eile, oder doch in kurtzer Zeit, wieder zu verlaufen und sich zu verlieren, wobei dasselbe vor denen ausgehöleten Stein-Felsen einen ziemlich starcken Strudel oder Wirbel verursachet, indem solches mit Gewalt durch deren Löcher zurück fället. Hernach wenn der Bauren-Grabe wieder trocken worden, wird die darinnen befindliche Länderei von denen Besitzern derselben mit Sommer-Früchten besäet, massen die Winter-Früchte daselbst nicht auffkommen können, weilen jährlich im Früh-Jahr viel Schnee- und Regen-Wasser sich der Orten versammlet, und die Winter-Saat ersäuffet oder ersticket .“ BEHRENS erwähnt die durch Überflutung und plötzliche Wasserfüllung vernichtete Ernte, denn der Boden des Bauerngrabens wurde bewirtschaftet. Auch in den späteren Jahren kann man die Frage, ob der See gefüllt oder geleert war, an den Ernteregistern ablesen. Er versucht auch eine Erklärung zu geben, wie sich der See füllt und leert. „ … Die Ursache dieses Sees ist mehrentheils das unterirdische Wasser, dessen es in selbiger Gegend, wie in diesem und nachfolgendem Capitel unter dem Titel von Brunnen und wässerigen Erd-Fällen zu ersehen, viel giebet, wie denn auch der Bauren-Grabe an sich selbst nichts anders als ein grosser flacher und trockener, so wohl von dem unterirdischen als auch jährlich im Früh-Jahr darinnen vorhandenen Schnee- und Regen-Wasser verursachter Erd-Fall, zu sein scheinet. Dieses Wasser wird durch verborgene unterirdische Canäle und Wasser-Gänge zu- und abgeführet, ob man schon nicht eigentlich weiß, wo solches herkömmet.“ Es folgt nun eine umständliche Beschreibung, wie sich der See füllen und leeren könnte. Der Übersichtlichkeit halber haben wir diese Beschreibung in ein Bildschema umgesetzt, die Gedanken BEHRENS sind so auf einen Blick übersichtlich dargestellt. Füllung und Entleerung des Bauerngrabens nach früheren Ansichten Am Ende dieses Erklärungsversuches, der nicht der schlechteste ist, bekennt BEHRENS bescheiden: „ … Dieses sind nun meine wenige und unmasgebliche Gedancken und Anmerckungen über den Hunger-See: Solte aber ein anderer etwas besser aus denen Fundamentis Hydrotechnicis derer Herren Mathematicorum auff die Bahn bringen, will ich gerne von meinen Gedancken abstehen, und demselben Glauben beimessen.“ BEHRENS kannte eine Beschreibung des im europäischen Maßstab bedeutenden Karstsees, des Zirknitzer Sees in Jugoslawien, die durch Baron VALVASOR 1669 und 1689 angefertigt wurde. Er verglich den „Hunger-See“ mit dem Zircknitzer See und führte einen lustigen Unterschied an: „ … Der Unterschied aber zwischen diesen Seen bestehet mehrentheils darinnen, daß der Hunger-See bei seiner Ergiessung keine blinde und nackichte Enten, und fast gar keine, oder doch nicht so viele Fische, als der Zircknizer-See, mit sich bringet, auch das Wasser nicht so hoch, als derselbe, über sich wirffet: dahero man auch dem Zircknizer-See gerne den Vorzug gönnet. Unterdessen ist doch nicht zu leugnen, daß der Hunger-See nicht auch ein sehr curieuses Werck und merck-würdiges Wunder der Natur sei; Denn man dergleichen weit und breit nicht viel findet…“ Die Erklärung nach dem Heberprinzip
Die Füllung des Sees durch Verbruch 1717 nannte ZEITFUCHS in der „Stolbergischen Kirchen- und Stadthistorie“ auch den Bauerngraben: „ … Unter den Curieusen Seen ist nicht so wohl der Rottleberoedische wässerige Erdfall als der ohnweit Angsdorf gelegene Bauren-graben und Bauren-stein mit seinem Hungersee in beschauungswürdige Consideration zu ziehen. Bleibet er trucken, so hat Breitungen daran theil; Fällt er aber der ungewöhnlich grosse Hungersee ein, welches zu meiner Zeit einmahl in 3 Jahre gewähret, und mit Fischen besetzt wurde, so geniesset solche die Roßlaische Gemeinde. Auch bei KRANOLD stehen die „Launen des Sees“ im Mittelpunkt der Beschreibungen. 1740 schrieb er in seiner Chronik „Die landschaftlichen und geschichtlichen Merkwürdigkeiten der güldenen Aue“ über den See: „ … Mit diesem Bauern-Graben hat es folgende Bewandniß wenn er voll Wasser ist, wie denn solches manchmal etliche Jahre sehr hoch steht, so pflegt die Gemeinde oder die Bauern zu Roßla ihn mit Fischen zu besetzen; trocknet er aber aus, so gehört der Grund und Boden als eine Ackerfläche nach Breitungen, und zwar dem dortigen Pfarrer, welcher darin säet und erntet, meistens Sommerfrucht, wie Gerste, Hafer, Erbsen, Bohnen, Flachs, welche oft guten Ertrag gegeben, weil der Boden sehr fett ist. Freilich ist es auch schon geschehen, daß schon die Mandeln darin standen, und des anderen Tages, wenn die Erntewagen hinausfuhren, die Frucht einzubringen, da schwamm alles lustig im Wasser, das des Nachts wieder eingetreten. So sagte Magister Grüzmann zu Breitungen, als er einstmal ein schönes Stück Bohnen darin bestellt, und solches vor dem Einernten unter Wasser gesetzt fand, scherzend zu seinen Leuten: er hätte eine große Bohnensuppe gemacht…“ 1723 berichtete das Ernteregister des Pfarrers von Breitungen, daß der Magister Grützmann im Bauerngraben 22 Schock Gerste und 18 Schock Hafer geerntet hat.
Seit dem 12. Jahrhundert wurde urkundlich nachweisbar im Sangerhäuser Revier Kupferschieferbergbau betrieben. Auch in der Flur um Agnesdorf und Breitungen findet man viele alte Pingen und Kleinsthalden, welche sich am Ausgehenden des Kupferschieferflötzes entlangziehen. So ähnlich dürfte es auch im Breitunger Revier aussehen 1760 hatten sie 812 1/8 Lachter vorangetrieben und dabei 12 000 Taler investiert. Sieben Lichtlöcher wurden abgeteuft. Der Stollen stand die ersten 850 m im Buntsandstein, weitere 730 m wurden im Zechstein durchfahren. Noch 500 m waren bis zum Flöz voranzutreiben. Beim Abteufen des 7. Lichtloches und beim weiteren Auffahren des Stollens brach aber Wasser über die Bergleute herein. (7) „Bei Absinkung des 7. Lichtloches sind zu Anfange des sogenannten 1760sten Jahres, die Wasser dermaßen aufgegangen, daß selbige garnicht zu bewältigen gewesen, vielmehr der fernere Betrieb des Lichtloches dadurch verhindert worden. Indem zwischen dem Breitunger und Agnesdorfer Felde eine Vertiefung F, D befindlich, welche der Glasebacher- und contracte Glase-Grund genannt wird, in welchen sich die wilden Wasser so die Glase-Gründer Wasser insgemein genannt zu werden pflegen, sammeln, und von da ihren Abfluß über den Agnesdorfer Weg auf ein dem Stolln-Orte zur rechten gegenüber liegenden Feld, C, der Bauerngraben genannt, nehmen, daselbst stehen bleiben, in dem allda befindlichen Kalkgesteine wegfallen und solchermach in der Teufe, vor Stolln-Orte B durch eine Schlotte übermäßig aufgehen, und bei starken Wassergießungen am Tage sehr viele Triebe, Stoppeln und dergleichen mit auswerfen, daß also hierauf als das denklichste erscheint, daß die vor Stolln-Ort B abgehenden Wasser lediglich von dem Einflusse der Glase-Gründer wilden Wasser F. D in den Bauerngraben C herrühren…“ Die Breitunger Bergwerksunternehmer wandten sich 1765 in einem 31seitigen Brief an ihren „durchlauchigsten königlichen Prinzen“, den sächsischen König, mit der Bitte, die Wasser des Glasebaches abzuleiten und nicht mehr in den Bauerngraben abfließen zu lassen. Darin sahen sie die einzige Chance, den Tiefen Breitunger Stollen weiter betreiben zu können. Diese Bitte hatten sie schon am 29. Mai 1760 an das Bergamt gestellt. Am 11. August 1760 fand dann auch eine Generalbefahrung der Örtlichkeiten statt.
Um 1760 gab es aber bestimmt keine hydrologischen Beweise dafür. Man verglich die Landschaft des Bauerngrabens mit der bei Questenberg und stellte Ähnlichkeiten fest. Warum sollten sich die Schlotten nicht in Richtung Questenberg weiterziehen und damit die hydrologische Verbindung ermöglichen? Beide Seiten suchten nun nach Beweis und Gegenbeweis. Diese Begründungen sollten uns interessieren. Alle anderen Vorwürfe und Gegenvorwürfe wollen wir bei diesem Streit an die Seite stellen. Die Breitunger schrieben 1765 zu diesem Einwand der Wickeröder Gesellschaft: (7) „ …Der zweite vermeintliche momentum und gravamen beruht nun vollend auf noch viel elendern und so gar von aller Wahrscheinlichkeit entfernten Stützen. Die wilden Wasser, welche aus dem Glase Grunde F-D ihren Ausfluß in den Bauerngraben C nehmen, und dasselbst sich versammeln und stehen bleiben, haben zu Tage aus ganz und gar keinen Abfluß, sondern versinken in dem daselbst befindlichen schlottigen Kalkgestein und gehen vor Stoll-Ort B aus, mithin streitet es wider die Sinne, daß man diesen Bauerngraben C , die 1½ Stunden weit davon gelegene Wickeröder Hütten Wasser erhalten oder durch dessen Ableitung ihr Wasser benommen werden könnte und sollte…“ Dem ausführlichen Bericht ist ein Grundriß des Geländes beigefügt, von JOHANN CARL EISFELD angefertigt. Aus der Legende dieser Karte seien noch 3 Punktbeschreibungen zitiert:
Am 12. März 1766 legte nun die Wickeröder Seite dem „durchlauchigsten königlichen Prinzen und gnädigen Herren“ ihre Meinung vor. Ein 10seitiger Brief fixierte die Gegenmeinung. Dem König wurde aber auch gleich klargemacht, auf welche Seite er sich in diesem Streite zu stellen habe. (7) „ …Höchsten Schutzes um so zuversichtlicher getrösten, jemehr wir und unser Vorfahren zu allen Zeiten weder Mühe noch Kosten gespartet, das Wickeröder Werk in solche Umstände zu bringen, und dergestalt zu erhalten, daß auch noch jetzt und bei dem nicht ganz glücklichen Zustande desselben, dennoch jährlich an die 400 Taler, an halben zwanzigsten und Lande Accis an die Kurfürstlich Sächsischen Kassen abgeliefert werden können, der Bau bei der Breitunger Hütte hergegen noch immer auf einem ungewissen Ausgange beruhet…“ Die Wickeröder bestanden auf ihr Recht, daß die Berggrenze nicht verletzt werden dürfe. Besonders aber betonten sie, daß die Wickeröder Hüttenquelle stark gefährdet sei, wenn das Wasser des Bauerngrabens umgeleitet werden würde. (7) „ …So sehr nun also die Abfangung oft besagter Glasegründer Wasser unseren Gerechtsamen zuwider ist, eben so sehr ist solche auch dem Fortbau unseres Werks selbst nachteilig, inmaßen diese Wasser, nachdem solche zuvor in den sogenannten Bauerngraben eingefallen, sodann durch das schlottige Kalkgebirge, gleichsam als durch einen Stollen, wie an verschiedenen Orten, und besonders hinter dem Dorfe Questenberg, wo man von Tage hinein bis an die Schlotte das Wasser kommen kann, schon deutlich zu sehen ist, herunter nach unserer kaum halben Stunde davon gelegenen Hüttenquelle ziehen und fast den einzigen Zugang desselben ausmachen, so daß wir, wenn uns solche abgeschnittenen und entzogen werden sollten, nicht abzusehen vermögen, wo wir zu unserer Kupferhütte die benötigten Aufschlagwasser erlangen könnten und dahero die betrübliche Folge, daß solche bei deren Ermangelung zuletzt unbrauchbar werden und das gesamte Wickeröder Werk darüber in den äußersten Verfall geraten dürfte…“ Die Wickeröder sprechen sogar den Verdacht aus, daß die Breitunger das Wasser nur zum Betreiben von Kunstzeugen erhalten wollten. (7) „ …so lassen wir dahin gestellt sein, ob dieser von denen Klermondtschen Erben ausgezogene Stollnbau nicht ein bloßer Vorwand zur Abfangung solcher Wasser, die wahre Absicht aber diese sei, zuförderst zum Behuf ihres Werks eine Kunst damit zu betreiben und solche nachhero ferner auf ihre Schmelzhütte zu leiten…“ Es bleibt nichts unversucht, die Umleitung des Wassers zu verhindern. Die Kommission der Bergämter kam zur Auffassung, daß es sehr wahrscheinlich sei, daß das Wasser des Glasebaches über den Bauerngraben in den Tiefen Breitunger Stollen eindringe. Das mußte selbst die Wickeröder Seite letztendlich zugeben. Als Beweis wurde auch angeführt, daß der Bauerngraben völlig leer sei, da man seit kurzem versuchte, den Stollen wieder aufzuwältigen und damit das Wasser entzog. Auf der „rechten Seite“, also der Breitunger Seite des Bauerngrabens wurden Schlottenöffnungen genannt, die Wickeröder Seite des Bauerngrabens wies solche Bildungen nicht auf. Die deutliche Buntsandsteinauflage in Richtung Wickerode wurde als geologische Unterbrechung gedeutet und damit angezweifelt, daß die Gipsfelsen am Bauerngraben mit denen bei Questenberg in Verbindung stehen könnten. Andererseits gab es in Richtung Mundloch des Stollens keine andere Karsterscheinung, in der das Wasser hätte austreten können. (7) „ …Also scheinen hingegen eben diese Umstände, das Vorgehen der Wickeröder Gewerken und deren Bevollmächtigten, daß die von den Breitunger Gewerken vorhabende Ableit- oder Absaugung dieser Wasser ihrer Hüttenquellen oder Aufschlagwasser, nachteilig sei, gar sehr zu entkräften, ja in gewissermaße solches gar zweifelhaft und ungewiß zu machen…“ Die Wickeröder Seite widersprach aber energisch gegen diese Behauptungen und brachte neue „hydrologische Beweise“ vor, die die Verbindung Bauerngraben - Hüttenquelle belegen sollten. Ein Beweis war das „Heckersloch“, die heutige Questenhöhle in Questenberg. Der große See dieser Höhle wurde als Beweis der zirkulierenden Wasser zwischen Bauerngraben und der Quelle angeführt. (7) „ …und mag Klägern die gesuchte Abfangung der Glasegründer wilden Wasser und deren Ableitung durch das Breitunger Feld, zu Fortsetzung ihres Stollenbaues nicht verwehret werden, jedoch sind selbige, ihrem Erbieten gemäß, den Grundbesitzern, über deren Grund und Boden die Ableitung geschehen soll, wegen der an ihren Grundstücken dadurch erleidenden Schäden billigmäßige Vergütung und Abtrag zu leisten schuldig…“ Die Wickeröder legten sofort Berufung gegen dieses Urteil ein. Die Breitunger wiederum beschuldigten rechtermaßen ihre Gegner, daß sie mit dem „nie endenden Streit“ nur den wirtschaftlichen Ruin der Breitunger bezwecken wollten. (14) „ …auch die auf solche Bescheinigung zu verwendeten Kosten am Ende ganz überflüssig und vergeblich sein dürfen, dermahlen umsomehr zu besorgen Ursache haben, da dem Vernehmen nach sec. fol. 93b = et 99b Klägern bei dem Rottleberöder und Breitunger Flözwerk ganz caduciret und das Werk selbst auflässig worden…“ Auch bei den Wickerödern kündigten sich schlechte Zeiten an. Der Markscheider JÜNGLING schrieb am 14. September 1784: (14) „ …Auf unsern Werke gehet es jetzt sehr schlecht, weil wegen geringen Erzen dieses Jahr alle Erzförderung eingestellt worden ist, daher nicht geschmolzen worden und keine Einnahme vor das Werk gemacht werden kann. Und wird nur der tiefe Erbstollen mit allem Fleiße betrieben, ingleichen wird auf dem Agnesdorfer Zuge, ein Querschlag, das Cornthaler neue Flöz einzuholen und von Wasser zu lösen getrieben, wo wir immer gehofft haben, den Zechstein einmal anzuhauen, und jetzt kann man noch nicht bestimmen, wann eher solches geschehen wird…“
Man sollte annehmen, daß in der Folgezeit die Vorstellungen vom Bauerngraben durch die Schlottenanfahrung anders wurden. Das war aber nicht der Fall. (8) „ …Nachricht von einer sonderbaren wasserspeyenden Höhle, bei Angstdorf in Thüringen Im „Handbuch für Harzreisende“ schrieb NIEMANN 1824: „ …Der nahegelegene Hungersee oder Bauerngraben erhält öfters, selbst zur Zeit der größten Dürre, aus den Ritzen eines Kalkfelsens eine große Menge Wasser, das nach mehreren Wochen oder Monaten wieder verschwindet, eine Erscheinung, welche in der Verbindung mit unterirdischen Gewässern, deren Zugänge sich bisweilen durch Schlamm verstopfen, ihren Grund haben mag…“ In der Stadtchronik von Artern kann man im Jahre 1830 die Bemerkung lesen: „ …daß nach einem großen Niederbruch am Rande des Bauerngrabens die Solquelle von Artern stark angeschwollen sei und Holzstück und Wurzeln ausgeworfen hätte…“ V. Rohr erwähnt 1836 in seinem Werk „Geographische und Historische Merkwürdigkeiten des Vor- und Unterharzes“ auch den Einfluß des Tiefen Breitunger Stollens: „ …ich habe mir aber sagen lassen, daß durch einen gewissen Stollen nunmehro mit dieser See eine Veränderung vorgegangen, und erwiese sie ihre gewöhnliche Wirkung nicht mehr…“ 1850 erwähnt VOCKE den Bauerngraben: (9) „ …Rechts auf dem Wege nach Agnesdorf am Saume einer Waldung von Kalkwänden eingeschlossen liegt der Hungersee, auch Bauerngraben genannt, von ungefähr 15 Morgen Flächeninhalt. In manchen Jahren füllt sich diese Erdvertiefung mit Wasser, welches aus den weichen Felsen dringt, auch sogar mit Fischen belebt wird. Wenn das Wasser sich wieder verdunstet, so hat der Pfarrer zu Breitungen das Recht, den Boden als Acker zu benutzen…“ Unter den vielen Beschreibungen aus dieser Zeit sei an dieser Stelle noch eine von AUGUST EY 1855 zitiert: „ …In einem östlich davon gelegenen kleinen, engen tiefen Thale rieselt ein Bach, der merkwürdige Bauerngraben, der mit dem Cirknitzer Gewässer viel Aehnlichkeit hat. An tiefster Stelle des Thales, das überhaupt wohl ein Erdsenkung und rings von Gypsfelsen, tiefen Rissen und Spalten umgeben ist, wird es nie ganz trocken. Oft in trockener Zeit macht darin der Pfarrer des Ortes eine erfreuliche Ernte. Bisweilen aber, auch selbst in der größten Dürre, füllt sich mit einem Male das Thal 60-80 Fuß hoch mit Wasser, ohne das man weiß, woher es kommt, bleibt Monate lang stehen und verschwindet ebenso plötzlich, ohne daß man weiß, wohin. Die Fische, welche diese geheimnißvollen Fluten mitbringen, gehören nach altem Rechte der Gemeinde Roßla. Mit dem Bauerngraben steht wahrscheinlich das auf hohen Kalkberge gelegene rothe Loch in Verbindung. Geht dies über, so füllt sich auch der Bauerngraben…“
Da man den Breitunger Kupferschieferbergbau wieder aufnehmen wollte, begann man 1858 den Tiefen Breitunger Stollen wieder aufzuwältigen. (11) „ …Der Zweck des Tiefen Breitunger Stollens ist nun: Auch die Zusammenhänge zwischen Bauerngraben und dem Stollen werden erwähnt: (11) „ …Sei dem nun wie es wolle, das steht jedoch fest, daß der Bauerngraben, dessen Wasserfüllung, einen großen nachteiligen Einfluß auf den Betrieb des Stollens ausübt. Zum Beweis möge folgendes dienen: Im Jahre 1858 war der Wasserstand im Bauerngraben ein ganz geringer und auch die Stollenwasser zeigten eine auffallende Leichtigkeit, so daß ohne nur im geringsten davon belästigt zu werden, die Arbeiter das Aufräumen des Stollens fortsetzen konnten. Zu Ende vorigen und zu Anfang dieses Jahres hingegen war das Bassin bis zum Überlaufen in die Breitunger Flur angefüllt, und auch die Stollenwasser stiegen so, daß die Arbeit im Stolln wenigstens zeitweilig auf wenige Tage eingestellt werden mußte…“ Interessanter Weise kann man feststellen, daß rund 100 Jahre nach dem Schreiben der ersten Versuche durch die Klermondtschen Erben nur noch undeutliche Kenntnisse über den damaligen Sachverhalt vorhanden waren. HOFFMANN schrieb darüber: (11) „ …Nachdem dieser Stollen ca. 1 100 Lachter getrieben - d. h. noch 16 Lachter über das Lichtloch Nr. VII hinaus - sollen die Arbeiter, wie einige der ältesten Leute meines Dorfes erzählen, von den Wassern überfallen sein und nur mit großer Mühe sich mit Zurücklassung ihres Arbeisgezähes gerettet haben. Es wird vermuthet, daß die Arbeiten dem Bauerngraben zu nahe gekommen, oder daß eine mit ihm in Verbindung stehende Schlotte angefahren sei, wodurch der Stolln unter Wasser gesetzt und ein Weitervordringen, wenn nicht ganz unmöglich, so doch höchstgefährlich und mühevoll geworden sei. Dieses scheint der entscheidende Punkt gewesen zu sein, warum die Gewerken beschlossen, das Unternehmen aufzugeben, zumal da sie bei den großen Kosten, die ihnen dieser Stollen schon verursacht, auf längere Zeit noch bedeutende Ausgaben vor Augen sahen, da dieser Stolln noch ca. 300 Ltr. weiter getrieben werden mußte um nur an das Flötz zu gelangen…“ 1863 mußten die Stollenvortriebsarbeiten eingestellt werden. Das aus den Schlotten austretende Wasser stellte, wie schon 1760 die Klermondtschen Erben, auch die neuen Unternehmer vor unlösbare Aufgaben. In einer Abschrift einer Mitteilung des Preußischen Bergrevierbeamten für Nordhausen - Stolberg an die Gemeinde Roßla wird zusammenfassend festgestellt: (12) „ …Er dürfte (der Stollen), soweit er nicht im festen Gestein steht, verbrochen sein wie das Mundloch, da er nur mit Holz ausgebaut war. Befahrbar ist er also nicht mehr.
Anfangs gingen die Bauerngraben-Darstellungen auf das neue Ergebnis durch die Berührung mit dem Bergbau ein. „ …Seit der Zeit hat man aber so viel Wasser allhier nicht wieder gesehen, weil der Herr Zehnter Gründler wegen des Bergwerks einen Stollen durch dieselbe Gegend führen ließ, welcher das Wasser ableitet. Doch tritt dieser Hunger-See immer wieder von Zeit zu Zeit hervor, so bildete er sich erst im Jahre 1877 wieder, wo das Wasser vom Februar bis an den Johannistag hin stehen blieb…“ Bald aber waren die Zusammenhänge zwischen Bergbau und Bauerngraben wieder vergessen. Vereinzelte Beobachter wiesen darauf hin, anderen war nichts bekannt. „ …Da bisher mit Sicherheit nicht nachgewiesen worden ist, durch welche Quellen - außer dem aus dem Glasegrund kommenden Glasebach - der periodische See gespeist wird und wo die Wasser nach dem Absickern bleiben, so werden die mannigfachsten Behauptungen aufgestellt. PATZUCHKE schrieb 1936 über den Bauerngraben: „ …Im Zechsteingips des Roßlaer Gemeindewaldes und dessen Umgebung müssen Hohlräume großen Ausmaßes vorhanden sein, entstanden durch Auslaugung, wie das bei unserem Gips typisch ist. Es sind offenbar weitverzweigte Gänge und Schlotten im Gebirge, die alle mehr oder minder zusammenhängen. Diese Hohlräume enthalten von atmosphärischen Niederschlägen herrührendes Wasser, eine Abflußöffnung mündet in der südöstlichen Ecke des Beckens in den Seeboden ein. Für gewöhnlich aber ist dieser Abflußkanal durch Gesteinstrümmer, Höhlenlehm usw. verstopft. Sammeln sich infolge reichlicher Niederschläge (besonders im Winter) in den Hohlräumen Wassermassen an, so wird deren Druck schließlich so stark, daß sie die Verstopfung durchbrechen und ins Freie austreten 1936 fand sich eine Gruppe Menschen, die ähnlich der vielen Vorhaben in der Arbeitslosenzeit um 1920, einen Stollen in den Berg treiben wollten. Man erhoffte eine Höhle zu finden, die man touristisch erschließen konnte. Der Stollen ist nicht identisch mit dem Tiefen Breitunger Stollen. Dieser Stollen wurde direkt im Felde des Bauerngrabens, in der unmittelbaren Nähe des Westponors, in den Berg getrieben. VIETE schrieb darüber: (2) „ …In diesem Zusammenhang sei noch das Experiment der Baugesellschaft Roßla erwähnt, die das Seebecken von der Gemeinde Roßla gepachtet hatte und am 11. Januar 1936 mit dem Bau eines Stollens im westlichen Wechselschlund zwecks Aufschließung der unterirdischen Höhlen für den Fremdenverkehr begann. Man trieb den Stollen, der am 11. Februar 1936 eine Länge von 35 m und eine Teufe von 14 bis 15 m unter dem Beckengrund erreicht hatte, entlang der unterirdischen Erosionsrinne des versickernden Glasebaches, dessen Wasser vor Beginn der Arbeiten in das östliche Schluckloch geleitet worden war. Beim Vortrieb wurden mehrfach lehmerfüllte und verschlammte Spalten und auch einzelne Hohlräume angefahren. Am 14. Februar stieg das Wasser vor Ort zusehends und auch im Ostbecken bildete sich ein Wassertümpel. Am folgenden Tage war der Stollen ersoffen, die Arbeiten wurden eingestellt und das Wasser stieg rasch bis zu einer normalen Füllung in den letzten Tagen des Februars an. Damit war das ohnehin von Anfang an sinnlose Bauvorhaben gescheitert…“
Unter der Leitung von FRIEDRICH SCHUSTER widmete sich die Nordhäuser Fachgruppe Höhlen- und Karstforschung intensiv der Beobachtung des Bauerngrabens. Auch andere Heimatfreunde taten das. Hervorzuheben seien GÜNTHER und SCHULZE aus Roßla. AHR aus Sangerhausen und viele hier ungenannte, die nie an das Licht der Öffentlichkeit traten.
Das Wasser des Glasebaches kommt aus dem nicht verkarstungsfähigen Gesteinen des Harzes und stößt im Breitunger Auslaugungstal auf einen Wall von Hauptanhydrit. Da es sehr stark lösungsfähig ist und der Anhydrit durch Vergipsung sehr weich, schalig, klüftig und unbeständig ist und das Gestein hochgradig verkarstungsfähig ist, sind alle Voraussetzungen zur Höhlenbildung vorhanden. Das Wasser laugte sich im Laufe der Zeit Abzugsbahnen in das Gestein, welche an große Klüfte gebunden sind. Im Verlaufe der Zeit entstanden durch die Kluftvergitterungen enge aber deutliche wasserführende, geöffnete raumnetzartige Hohlräume. Durch die Auflösung des Gesteins kam es zu Einbrüchen größerer Räume und zum völligen Auflösen von ganzen Blockpartien des Gesteins. Dabei entstand eine Hohlform, eine Doline. Diese erweiterte sich immer mehr, die Steilwand wurde ständig weiter unterlaugt, brach nach und rückte als Ablaugungsfront immer weiter nach Süden. Damit veränderten sich auch die Wasserabzugsbahnen. Das so entstandene und im weiteren Entstehen begriffliche Becken des Bauerngrabens zeigte somit mal an dieser, mal an jener Stelle ein gängiges Wasserabzugsloch, einen sogenannten Ponor. Auf der ganzen Breite der Auslaugungsfront dürften also Voraussetzungen zur Entstehung eines solchen Ponors bestehen. Moderne Vorstellungen von der Füllung und Entleerung des Bauerngrabens
Der „Pfropfen“ ist also zu. Das Becken beginnt sich zu füllen. Je nach Wasserangebot füllt es sich teilweise bis vollkommen. Auch spielt es eine Rolle, ob die Ponore nur teilweise oder vollkommen verstopfen. Die laugende Kraft des Wassers schafft langsam einen neuen Weg. Erst langsam, dann schneller läuft das Wasser ab. Neues Wasserangebot und neue Verschlämmungen können den Vorgang umdrehen. „ …In der Mitte der Doline traten sehr starke Luftblasen hervor. Zu unserem größten Erstaunen füllte sich diese stetig …Durch diesen Zustand veranlaßt, setzten wir sofort einen kleinen Pegel in Form eines Meßstabes ein und konnten schon nach 5 Minuten einen Anstieg des Wassers in der Doline von 2 cm feststellen…“ Das Prinzip solcher Füllungen wurde in einer Skizze veranschaulicht. „ …Der Sohn des Bauern Walter Ringleb aus Breitungen war am 15. 5. 56 gegen 17 Uhr auf dem Feld mit Düngerstreuen beschäftigt. Sein Großvater hackte Disteln. Auf einmal sagte der Großvater, daß wenige Meter vom Feldwege die Erde nachrutsche, etwa einen halben Meter. Ringleb streute weiter und wie er um das Feld herum war, nach einer halben Stunde, war der Feldboden bereits einen Meter tief nachgerutscht, ohne jede Rißbildung an sämtlichen Seiten. Um 19 Uhr waren es bereits 3-4 m Tiefe. Am anderen Morgen war der Dornbusch am Wegrain verschwunden. Fritz Dietrich stellte am 16. Mai um 6 Uhr fest, daß der Erdfall einen Durchmesser von 4-6 m hatte und sich in demselben in 4-6 m Tiefe bereits Wasser befand, laufende Nachstürze erfolgten. Das Wasser war laut glucksend in Bewegung… Zurück zum Bauerngraben. Ein viel bestauntes Rätsel sind die Fische, die angeblich in großer Stückzahl bei einer Seefüllung auftauchen. Die Masse aller "Fischkundigen" gibt zu, daß nur tote Fische angespült werden. GÜNTHER als ausgezeichneter Kenner des Bauerngrabens berichtete SCHUSTER 1952: „ …Beim Wiederauffüllen des Sees schwimmt eine mehr oder weniger große Anzahl von Fischen (Regenbogenforellen) im toten Zustand auf der Wasseroberfläche. Diese Fische sind weitaus größer, als sie im Zuflußbach Bauerngraben je vorkommen. Die Fische sind gekrümmt und mit einer Sinterschicht bedeckt. Zum Genuß sind sie nicht mehr zu gebrauchen…“ Auch VIETE berichtet von diesen Fischen: (2) „ …Nach dem sehr hohen Wasserstand im März 1946 entleerte sich das Becken im Herbst ziemlich rasch und Mitte Dezember, kurz vor dem Zufrieren, fiel die Beckenmitte trocken. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch eine größere Menge Fische vorhanden war, verlief die Eisfischerei im Januar ergebnislos, denn unter der starken, am Ufer aufliegenden Eisdecke waren fast das gesamte Wasser und auch die Fische offenbar durch die Schlucklöcher verschwunden. Andererseits wurde mir von Augenzeugen „eidesstattlich“ versichert, daß des öfteren bei beginnender Neufüllung des Beckens tote, meist von weißen Algen und Gips überkrustete Forellen beobachtet worden sind, die in ihrem Aussehen an den beim Ablauf des Wassers am Ufer zurückbleibenden weißen Gips- und Algenstreifen erinnerten…“ Es gibt auch Angler, die behaupten, das lebende Fische „ausgespien“ werden. Der Versuch einer Erklärung dieses Phänomens ist folgender:
[ Situationsplan von dem Grubenfelde des Breitunger Kupferschieferreviers von 1760 ] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||