Der Werwolf auf dem Klusanger

Vorzeiten wohnte in Hattorf ein Bauer, der besaß einen Zaubergürtel. Wenn er den umschnallte, verwandelte er sich in einen großen und schlimmen Wolf. Der Mann konnte kein Rot leiden. Als seine Frau sich einmal auf dem Markt einen roten Rock gekauft hatte, geriet er in Wut und verlangte von ihr, den Rock wieder dorthin zu bringen, wo sie ihn gekauft hatte. Als sie ihm aber den Willen nicht tat, schnallte er den Gürtel um und stand vor ihr als ein Wolf und riß ihr den roten Rock in Fetzen vom Leibe. Als er dann seine menschliche Gestalt wiederangenommen hatte und sich die roten Fasern des Rockes aus den Zähnen zog, da lachte seine Frau und sprach:"Das ist deck recht!". Ihr Mann aber bedrohte sie und sagte: "Hol dien Hals, süst chat et deck wie dienen Rock".

Die Frau des Werwolfes ließ sich von einer Frau aus Gieboldehausen ihren Flachs spinnen, die kam immer am Anfang der Woche und brachte das fertige Garn mit. Dafür bekam sie einen Handlohn: Speck, Wurst, Brot, Eier und wohl ein bißchen Geld. Der Mann aber mißgönnte dem armen Weib den sauer verdienten Lohn und machte sich seinen Plan. Als die Frau eines Tages mit der Kiepe auf dem Rücken, in welche sie ihren Lohn und neuen gehechelten Flachs gepackt hatte, sich auf den Heimweg machte, wurde es schon dunkel. Zwischen der Oder und dem Rotenberge war damals noch ein düsterer Eichenwald. Wie erschrak die Frau, als sie hier plötzlich von einem großen Wolf angesprungen wurde, der ihr zwar nichts zuleide tat, ihr aber alles raubte, was sie in der Kiepe hatte. Als das Untier verschwunden war, stopfte sie den Flachs, den der Wolf nicht angerührt hatte, wieder in ihre Kiepe und eilte durch den Rotenberg nach Gieboldehausen. Hier erzählte sie am nächsten Tage dem Weiser, was sie erlebt hatte und bat den Mann um seinen Rat. Der fragte sie, ob sie bei dem Bauern in Hattorf auch ein Vesperbrot bekäme. Ja, das bekäme sie, sagte die Frau. Da sagte der Weiser: "Wenn Du das nächste mal gevespert hast, dann stecke das Messer, mit dem Du das Brot geschnitten hast, heimlich in deineTasche. Wenn der Wolf dich wieder überfällt, dann stoße das Messer in die Gürtelklinke, die unter dem Bauch des Wolfes sitzt". Die Frau tat, wie ihr der Mann geheißen. Mit dem Messer in der Hand, daß sie unter der Schürze verbarg, ging sie durch den Wald. Sie war gerade bei der Kluskirche, als der Werwolf wieder über sie herfiel. Als sie unter das Untier zu liege kam, sah sie die silberne Schnalle und stieß mit dem Messer fest zu. Und siehe da, vor ihr stand der Mann, für dessen Frau sie den Flachs gesponnen hatte.
 

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