Nr. 76 vom 15. Juli 1899

M. Gary: Die Gipsindustrie im Harz

An den Südabhängen des Harzes tritt in der Zechsteinformation in zahlreichen Hügeln und Bergketten, von Osterode, Steina und Sachsa im Westen an bis Mohrungen und Obersdorf bei Sangerhausen im Osten Gips zu Tage und bildet in diesem etwa 6 Meilen langen Zuge an einzelnen Stellen ganze Berge, so z. B. den Katzenstein bei Osterode, den Sachsenstein bei Walkenried, den Kohnstein bei Ilfeld. Es ist ein feinkörniges bis dichtes, weisses Gestein, das durch Bitumen nur wenig grau oder braun verfärbt ist. Die Ablagerungen sind, wie beim Gips der Zechsteinformation im Allgemeinen, undeutlich geschichtet, bilden Klüfte und Schlotten und gehen häufig' im Innern der Stücke in Anhydrit über. So tritt z. B. in den Brüchen bei Niedersachswerfen der Anhydrit in mächtigen Bänken zu Tage. Das dortige Vorkommen bestätigt wieder die Annahme, dass der Gips des Südharzes als ein Umwandlungsproduct des Anhydrits durch Wasseraufnahme anzusehen ist.

Der unter einem geringen Abraum abbauwürdig anstehende Gips hat eine eigene Industrie gezeitigt, deren Mittelpunkte Ellrich, Walkenried und Osterode sind; aber auch in Tettenborn, Niedersachswerfen und bei Sangerhausen bestehen Gipsfabriken, welche zusammen mit den erstgenannten an Stuckgips (ohne Estrichgips) jährlich etwa 16 500 Doppelwaggons fabriciren. Fast das gesammte norddeutsche Flachland wird vom Südharze aus mit Gips versorgt. In Thüringen finden sich zunächst dem Harze ausgedehnte Gipslager der Buntsandsteinformation bei Frankenhausen und in der mittleren Keuperformation, eingelagert in die bunten dolomitischen Mergel, bei Walschleben, Eisleben und Gispersleben nördlich von Erfurt. In letzterer Gegend sind neuerdings mächtige Schlotten aufgeschlossen worden, die zum Theil von kalkhaltigem Wasser erfüllt sind, und Stalaktiten-Bildung gezeitigt haben.

Die Fabrikation des Stuckgipses im Harze, welche früher von zahlreichen kleinen Betrieben ausgeübt wurde, liegt jetzt zumeist in den Händen grosser modern eingerichteter Fabriken, in denen der in unmittelbarer Nähe der Fabrik gewonnene Gips zunächst auf Steinbrechern (Maulbrechern) vorgebrochen und dann auf Glockenmühlen und Verticalmahlgängen zerkleinert wird. Sehr bewährt für das Feinmahlen von Gips hat sich der Verticalmahlgang der Königshütte bei Lauterberg im Harz. Jeder Mahlgang enthält 3 Steine von 600 mm Durchmesser, von denen der mittelste auf der horizontal gelegenen Welle festsitzt und sich mit dieser dreht, während die äusseren Steine feststehen. Die Entfernung der letzteren vom Läuferstein und die Zuführung des Mahlgutes lassen sich leicht durch ein Handrad reguliren. Der Rumpf besteht aus Holz, alle weiteren Theile sind aus Eisen und Metall. Die Schärfe der Steine hält sich sehr lange und das Verschmieren ist durch die senkrechte Anordnung erschwert. Mit 5 - 6 Pferdekräften zerkleinert eine solche Maschine in der Stunde etwa 1200 kg rohe, mit dem Steinbrecher vorgebrochene Steine zu der Feinheit des Stuckgipses.

Das Brennen dieses Materials geschieht am Harze meist in eisernen eingemauerten Gelassen, sogenannten Kochern, die von unten aus mit Hilfe von Rostfeuerungen erwärmt werden und in denen das Gipsmehl durch Rührwerke in Bewegung gehalten wird. In Osterode benutzt eine Fabrik zum Brennen des Gipses runde, eiserne Kessel, in welche die Gipssteine auf Wagen geschoben und die wie Muffeln gefeuert werden. Das Brennen im Kocher ist zweifellos das billigste und für den Grossbetrieb zweckmässigste Verfahren. Das theurere Brennen der Steine in geschlossenen Oefen oder Muffeln erzielt aber bei der nöthigen Sorgfalt zweifellos bessere Waare.

Besondere Sorgfalt ist in einem Theil der Ellricher Fabriken auf die Anordnung der Mühlenanlagen, die Ventilation und die Entfernung bezw. Wiedergewinnung des Staubes gelegt. Abgesehen davon, dass der feine Staub ein werthvolles Product darstellt, ist die Absaugung der nicht unbeträchtliche Mengen Schwefelwasserstoff enthaltenden Wasserdämpfe für die Gebäude von Vortheil, denn diese Dünste erzeugen im Ziegelmauerwerk ganz ausserordentliche Erscheinungen von Mauerfrass und geben Veranlassung zum Faulen und Stocken des Holzes.

Der aus den Kochern gewonnene Gips wird in Taschen abgezogen, wo er etwas auskühlt, und dann in Säcke abgefüllt; er ist dann als Stuckgips versandtbereit. Nur besonders feine Modellgipse werden noch „gebeutelt", d. h. auf sechseckigen Gazesieben, die um eine horizontale Achse rotiren, abgesiebt. Als Siebgewebe wird ein Gespinnst ans gezwirnter Seide benutzt. (Drahtgewebe aus Messingdraht oxydiren leicht.)

Wenn so die Herstellung des Stuckgipses nahezu nach einem einheitlichen Fabrikationsverfahren erfolgt, so ist im Gegensatz hierzu die Herstellung des Estrichgipses so zu sagen in den Kinderschuhen stecken geblieben. Der Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Stuck-, Modell- oder Bildhauergips und dem Estrich- oder Mauergips, auch Putzgips genannt, wird von dem bauenden Publicum viel zu wenig gewürdigt, und daher mag es zum grossen Theil kommen, dass allzu häufig ungeeignete Gipsarten zum Bauen verwandt, und in Folge dessen schlechte Erfahrungen mit der Verwendung des Gipses im Bau gemacht werden. Bekannt ist, dass der Gips beim Erhitzen sein Wasser verliert. Zu wenig beachtet wird aber, dass die Wasserabscheidung bei steigender Temperatur nicht gleichmässig vor sich geht und dass die Temperatur, bis zu welcher der Gipsstein erhitzt wird, einen grossen Einfluss auf die Erhärtungsfähigkeit des Gipses hat. Die Erstarrung des mit Wasser angerührten Gipsbreies tritt um so schneller ein, je niedriger die Temperatur beim Entwässern ist. Über 204° gebrannten Gips bezeichnet man vielfach als totgebrannt, obgleich erwiesen ist, dass ein eigentliches Totbrennen nicht stattfindet, sondern dass nur bei dem zu stark erhitzten Gips die Wasseraufnahme langsamer vor sich geht und erst nach langer Zeit, oft erst nach Jahren einsetzt, dann aber eine recht beträchtliche Erhärtung zu Stande bringt. Bei 400 bis 500° geht der Gips in eine hydraulische Modification über, und das Erhärtungsproduct zeigt grössere Dichte und Schwere als gewöhnlicher Gipsgus, indem es bedeutend langsamer, aber stetig das Wasser bindet. Dieser letztere bei Rothgluth „scheintot" gebrannte Gips ist nun ein sehr brauchbares Baumaterial, welches eine grosse Festigkeit annimmt, aber trotzdem heute nur in geringem Maasse Verwendung findet, weil man misstrauisch gegen diesen Baustoff geworden ist, vielleicht auch, weil der ans dem Handel bezogene Estrich- oder Mauergips häufig sehr ungleichmässig und unrein ist.

Seit Jahrhunderten sind im Harz in der Nähe der noch jetzt abbauwürdigen Gipslager viele Kellergewölbe Thore und kleinere Brücken von runden Flusskieseln in Gipsmörtel hergestellt worden. Solche Gewölbe bis zu 10 m Spannweite sind häufig bedeutenden Belastungen ausgesetzt worden, und haben sich auch in langer Zeit tadellos bewährt. Sie wurden in der Weise hergestellt, dass auf einer möglichst dichten Einschalung- steifer, reiner Gipsmörtel ausgebreitet wurde. In diesen Mörtel drückte man die Kiesel von Faust- bis Kopfgrösse unregelmässig so ein, dass ein jeder Stein ringsum von Mörtel umgeben ist. Wenn das Gewölbe auf diese Weise geschlossen war, wurde wieder Gipsbrei darüber ausgegossen, und alle Vertiefungen noch mit kleinen Steinen und Geröll ausgezwickt. Heute würde es vermutlich Niemand mehr wagen, derartige Bauten auszuführen, ebensowenig, wie man sich entschliesst, den Gips wie in alter Zeit zu Mörtel zu verwenden. Nebenbei sei bemerkt, dass die Ansicht, als ob die noch vorhandenen Mauern des Klosters Walkenried mit Gipsmörtel errichtet seien, auf einem Irrthum zu beruhen scheint. Die Analyse einer Mörtelprobe, welche ich aus dem Innern der Basis eines Bündelpfeilers vom hohen Chor der Klosterkirche entnehmen konnte, ergab, dass der Mörtel ein fetter Kalkmörtel, hergestellt aus thonigem Dolomit und grobem Sand, gewesen ist. Die äusseren Fugen waren offenbar erst in neuerer Zeit mit einem Portland-Cement-Mörtel verstrichen, um die noch vorhandenen prächtigen Ruinen vor dem gänzlichen Verfall zu schützen.

Der Mörtel zeigte eine ausserordentliche Härte und die noch jetzt hochragenden von zierlichem Maasswerk durchbrochenen Mauern des hohen Chores beweisen die Wetterbeständigkeit dieses Baumörtels. An zahlreichen anderen monumentalen Bauwerken des Südharzes kann man Gipsmörtel angewandt sehen, und das Alter dieser Bauwerke legt Zeugniss ab von der Brauchbarkeit auch dieser Mörtel. Es scheint mir nicht schwer, auch heute noch solche Mörtel herzustellen, das Brennen des Rohmaterials zu Estrich- oder Mauergips müsste dann aber in andere Bahnen geleitet und das Product gleichmässiger werden.
 
Innerhalb eines verhältnissmässig kleinen Bezirkes habe ich eine ganze Reihe der verschiedenartigsten Estrichöfen und Brennmethoden von Mauergips kennen gelernt. 3 typische Bauweisen der Oefen will ich nachstehend mittheilen. In Ellrich und Walkenried ist der in Fig. 1 abgebildete doppelte Schachtofen beliebt. Es sind etwa 4 m hohe cylindrische Schächte von 1,50 m Durchmesser, in welche der Gipsstein abwechselnd mit Kohle eingeschichtet wird. In 6 – 8 Stunden ist der Gips durchgebrannt, wird unten abgezogen, und auf horizontalen Mahlgängen zerkleinert.
 
Fig. 1
Fig. 2
Fig. 3

In der Erfurter Gegend fand ich neben dem Ellricher Estrichofen den Ofen Fig. 2 in Gebrauch. Es ist ein Kammerofen mit drei Rostfeuerungen unter der Sohle, die mit Steinkohle gefeuert werden. Die Canäle werden mit grossen Steinen überwölbt, der Ofen dann zunächst durch die zu ebener Erde gelegene Thür, später durch die seitliche Fensteröffnung vollgesetzt. Der Ofen hat 3 x 5 m im Grundriss, und ist 1 m hoch. Das Mauerwerk besteht aus Sandstein, und ist innen nur mit einer Lehmschicht beworfen. Oben ist der Ofen durch einen eisernen Trichter abgeschlossen, der in einem eisernen Schornstein endet.

In unmittelbarer Nachbarschaft dieses Kammerofens war dann wieder der Schachtofen Fig. 3 in Gebrauch. Der Schacht hatte oblongen Querschnitt und ist aus Sandsteinmauerwerk mit Ziegelfutter an die Berglehne angebaut. Er hat 3,5 m grössten und 2 m kleinsten Durchmesser, ist 1 m hoch und oben durch einen eisernen trichterförmigen Schornstein abgeschlossen. Die Gipssteine werden unten als Gewölbe eingesetzt, dann regellos von oben aufgefüllt und von 2 Rostfeuerungen aus mit Steinkohle gebrannt. Der Ofen fasst 900 Centner gebrannten Gipses, der in Erfurt als „Putzgips" oder „Deckkalk" gehandelt und „mattgebrannt" verlangt wird. Es ist einleuchtend, dass die geschilderten Brennweisen nicht zu einem gleichmässigen Product fuhren können, da es kaum möglich ist, die Brennwärme stets gleichmässig auf dem erforderlichen Punkte zu erhalten. Brennmaterial, Feuchtigkeit der Steine, Wärme der Aussenluft, Windrichtung u.s.w. haben zu grossen Einfluss und bei dem Schachtofen Fig. 1 verunreinigt auch noch die Asche des Brennmaterials das fertige Product. Dazu kommt, dass die Qualität des Rohsteines auch in der gebrannten Masse kenntlich bleibt, Estrichgipse aber zumeist aus den weniger guten Steinen gebrannt werden, während der reine Alabaster zu Modellgips verarbeitet wird.

Für die geplante Vereinigung der Gipsindustriellen Deutschlands wurde die Verbesserung des Brennverfahrens für Estrichgips eine dankbare Aufgabe bilden. Geeignete Prüfungsverfahren des Gipses, insbesondere des Mauer- oder Estrichgipses, müssten vereinbart und nach deren Ausfall die Fabrikationsweise eingerichtet werden. Damit würde für die Industrie viel gewonnen werden, und es würde sich der Gips als Mörtelmaterial grössere Absatzgebiete wieder erobern, als er sie heute hat, wo er selbst in der Form von Estrich, zu dem er so vorzüglich, namentlich als Unterlage für Linoleum, geeignet ist, ausserhalb der Gipsindustriebezirke nur vereinzelt Verwendung findet.

Vereinzelte Versuche, zu diesem Ziele zu gelangen, werden schon, jetzt gemacht. So stellt z. B. die bekannte Firma Meyer & Co. in Walkenried einen veredelten Estrichgips dar und bringt ihn unter dem Namen „Marmor-Cement" in den Handel. Es ist ein Product, welches in Deutschland als sogenannter weisser, englischer Cement bekannt ist und in seinen Eigenschaften die Mitte zwischen Portland-Cement und Stuckgips hält. Das reine weisse Pulver bindet mit wenig Wasser sehr langsam, gestattet daher eine bequeme Verarbeitung' und nimmt nach dem Abbinden beträchtliche Härte an. Das abgebundene Product ist polierfähig, und um so dichter, je steifer der Brei augemacht war. Da er sich auch leicht mit Erdfarbe in den verschiedensten reinen Tönen färben lässt, eignet er sich vorzuglich zu Stuckmauern und zu glattem und hartem Wandputz, der einen ausgezeichneten Untergrund für Malereien bietet. Bei der Verwendung derartigen Putzes muss allerdings darauf geachtet werden, dass der Unterputz nicht nur hart und fest, sondern auch frei von löslichen Salzen ist, da diese sonst leicht ausblühen. Im übrigen ist das Material auch an Aussenfacaden zu verwenden, wenn man ihm nach dem Abbinden einen haltbaren Anstrich giebt, wozu sich besonders eine Lösung von Paraffin in Petroleum oder Benzin empfiehlt. Herr Meyer hat in seinen Fabrik- und Wohngebäuden selber die vielseitige Verwendungsmöglichkeit von Estrichgips gezeigt. Das über 2 m hohe Kellergeschoss des Wohnhauses ist aus unbearbeiteten Dolomitsteinen mit Gipsmörtel hergestellt, die Gewölbe der Kellerräume aus Gipsziegeln zwischen Eisenträgern. Das Erdgeschoss, ein Obergeschoss und die hohen Giebel sind ans künstlichen Quadern von Gipsmasse erbaut. Die Farbe der Quader ist ein zartes Roth, während die Gesimse und die Fenster- und Thürumrahmungen grau gehalten sind. Die Dicke der Quader entspricht der Mauerstärke (38 cm) bei einer Höhe und Länge von je 2 Ziegelsteinen, so dass ein Quader den Inhalt von 12 Mauerziegeln hat; die Quader sind natürlich in Gips vermauert und auch mit Gips gefugt.

Das Gebäude ist im Sommer 1889 errichtet, jetzt also gerade 10 Jahre alt.

Auch in seinem Inneren ist Gips und zwar zu sämmtlichen Decken und zum Putz der Wände benutzt worden. Alle Nebenräume und der Dachboden sind mit Gipsestrich versehen.

Herr Meyer hat ferner einen Schornstein aus Estrichgipssteinen errichtet, der seit 1870 völlig rissefrei steht, und er hat auch Gartenmauern aus grossen Gipsplatten erbaut, die nicht nur ausserordentlich fest, sondern auch sehr billig sind. Der genannte Herr ist unermüdlich mit der Verbesserung des Fabrikationsverfahrens beschäftigt und hat gegenwärtig höchst eigenartige Schachtöfen in Betrieb, mit denen er seine Brennversuche ausführt. Er ist ein Anhänger des Brennens der Gipssteine vor dem Vermahlen, und hat in seinen Oefen eine besondere Rostconstruction angebracht, die das langsame Absetzen des Ofeninhaltes und bequemes Ziehen ermöglicht.

Ein grosser Theil des in der Ellricher Gegend her gestellten Gipses wird an Ort und Stelle verarbeitet. In erster Linie ist es die Gipsdielen-Fabrikation, welche dort in grossem Umfange betrieben wird. Gipsdielen wurden zuerst Anfang der achtziger Jahre von der Firma A. & 0. Mack in Ludwigsburg in Bern fabricirt und haben in der Schweiz unter dem Namen „Schilfbretter" ausgedehnte Verwendung gefunden. Diese Schilfbretter, in Deutschland zumeist Gipsdielen genannt, werden in Stärke von 1 ½ - 12 cm flachliegend gegossen. In Eisenformen, welche auseinandernehmbar sind und auf eisernen Tischplatten liegen, wird zunächst breiförmiger Gips, mit Sägemehl oder Asche vermischt, mit grossen Schöpfkellen eingegossen. Dann werden Rohr- oder Schilfstangen oder Holzstäbe, Cocosfasern, Holzwolle u.s.w. in den Brei eingedrückt, der mit einem Brettchen abgestrichen wird. Mit einem Eisenblech, welches sägeartig gestaltet ist, wird dann auf der noch weichen Oberfläche ein wellenförmiges Muster erzeugt, um die Platte für den Putz besser haftbar zu machen. Starke Platten mit durchgehenden Hohlräumen werden anfrechtstehend gegossen. Die grösste Gipsdielenfabrik in Ellrich, A. und O. Mack, fabriciren mit 60 Mann täglich 1500-1700 qm Gipsplatten, die aufrechtstehend im Freien in besonderen Trockengerüsten, zum kleinen Theil auch in Trockenkammern, getrocknet werden, wobei Abdampf zum Heizen benutzt wird. Bei dieser umfangreichen Plattenfabrikation ist es erklärlich, dass die Fabrik fast nur für eigenen Bedarf Gips brennt. Eine Specialität dieser Fabrik ist der sogenannte „Mackolith“, mit Verblendplättchen bekleidete und dadurch wetterfest gemachte Gipsdielen. Die Mackolithplatten werden durch Holzstabeinlagen versteift und zur Befestigung an Holzwerk geeignet gemacht. Die Normalplatte hat 1,585 m Länge und 0,223 m Breite. Die Thonplättchenlänge beträgt 0,122 m und die Fugen sind 11 mm breit ausgespart. Bei Eckanschlussplatten wird durch Heraussägen einzelner Plättchen die Verzahnung mit den Steinen des Eckverbandes erzielt. 5 cm starker Mackolith mit Verblendplättchen erster Qualität kostet frei Baustelle pro qm etwa 4 M., und 7 cm starker Mackolith etwa 4,40 M. In Berlin wurden diese Platten 1896 an dem Mack'schen Arbeiterwohnhaus der Gewerbe Ausstellung vorgeführt.

Die Verwendung der gewöhnlichen Gipsplatten als Ersatz für Holzverschalung und Gipsvorplatz sowie zur Errichtung leichter Zwischenwände und schallsicherer, trockener Zwischenböden ist bekannt. Eine rissefreie Decke lässt sich aus den Gipsdielen leicht herstellen, wenn man die Gipsdielen mit der glatten Fläche nach oben mittelst verzinkter, breitköpfiger Drahtstifte quer über die Balken nagelt, und die Stösse auf den Balken wechselt. Die Stösse werden mit 6 cm breiten Jutestreifen, die in dünnflüssigen Kalkgipsmörtel getaucht sind, verklebt und dann der übliche Putz in etwa 10 mm Dicke aufgebracht.

Eine weitere Specialität der Firma A. & 0. Mack bilden die mit Drähten verstärkten Gipsestrichböden.

Die Gipsdielen werden je nach der Weite der Balkenfache in Stücke zersägt, auf längs der Balken angenagelte Latten gelegt und die Fugen mit Gipsmörtel verstrichen. Die Oberkante der Gipsdielen liegt am besten ca. 3 cm unter der der Balkenoberkante. Auf die Gipsdielen wird eine Schicht Sand oder Koksasche derart eingebracht, dass zugleich die Balken 2 cm stark bedeckt werden. Nun zieht man in Entfernungen von ca. 10 - 12 cm verzinkte 1 ½ - 2 mm starke Drähte, welche mittelst angelförmiger Krampen an den Balken gehalten werden; am Besten zieht man die Drähte je über 3 Balken in der Art, dass man mit der für den mittleren Balken bestimmten Krampe den Draht straff anspannt, so dass er einen stumpfen Winkel bildet. Der Abstand der Drähte wird von der Balkenoberkante derart bemessen, dass nach dem Verlegen des 3 - 5 cm starken Gipsestrichs die Drähte in die Mitte des Gipsestriches zu liegen kommen. Um dem Gipsestrich Farbe zu geben, wird er mit warmem Leinölfirnis satt getränkt.

Gipssteine als Ersatz für Schwemmsteine erzeugt im Grossen in einer Fabrik in Nordhausen der Gipsfabrikant Deibel in Ellrich. Die Steine sind 10, 12, 25 cm, und 14, 12, 25 cm gross, und werden aus einer Masse, die nach dem Patent de Bruyn gemischt wird, in eiserne Formen gegossen. Die Masse besteht ans Stuckgips und Steinkohlenasche mit einem Zusatz von Kalk, schwefliger Säure und Leimwasser. 14 Stück Steine werden in einer Form gegossen, und aus einer auf einmal angerührten Mörtelmasse werden 150 bis 160 Stück geschöpft. Die Fabrikation geht so schnell vor sich, dass 5 Mann an einem Tage 4000 Stück Steine fertigen können. Die Steine können unmittelbar nach dem Giessen aus den Formen genommen werden. Ihre Festigkeit ist erheblich grösser, als die der Schwemmsteine, aber auch das Gewicht ist höher. Nach demselben Verfahren verfertigt Herr Deibel auch Deckensteine in einer unter Musterschutz gestellten Form. Diese Steine, welche sich bereits in Nordhausen und in den Orten, für welche Licenzen vergeben sind, trefflich bewährt haben, sollen demnächst auch in Berlin zur Einführung kommen.

Wenn ich den vorangehenden Zeilen einige Verwendungsarten des gebrannten Gipses kurz erwähnt habe, so will ich am Schlusse hinzufügen, dass diese Schilderung keine erschöpfende sein konnte und dass ich aus leicht begreiflichen Gründen mir in der Mittheilung der Fabrikationsverfahren u.s.w. einige Beschränkung auferlegen musste. Es kann aber nicht mehr bezweifelt werden, dass ein gut und zweckentprechend gebrannter Gips für mannigfache Bauzwecke verwendbar ist. Er würde dies in noch höherem Maasse werden, wenn das vielfach vorhandene Vorurtheil gegen den Gips sich beseitigen liesse, und die Fabrikation dem veränderten Bedürfnisse Rechnung tragen und ihre Verfahren weiter ausbilden würde.

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