Firouz Vladi Naturdenkmal WiedenseeEin Erdfall im Pöhlder Becken, Stadt Herzberg, Landkreis Osterode am Harz Lage und geologischer Aufbau der Landschaft Am Rande des Südharzes, in einer weichen, hügeligen Landschaft, die in das weitere südliche Harzvorland, das Eichsfeld, vermittelt, liegt das Pöhlder Becken. Hier am Gebirgsfuß zeigen die Flußtäler bereits breite und flache Auen; das Tal der Oder hat aber hart unterhalb des Ortes Scharzfeld eine außerordentlich breite und langgestreckte Ebenheit geschaffen, das Pöhlder Becken, in dessen südlicher Mitte der namengebende Ort Pöhlde, eine alte Kaiserpfalz, gelegen ist. Mitten durch dieses ca. 7 x 2,5 km messende Becken schlängelt sich seit einigen Jahrzehnten die durch eine Talsperre gebändigte Oder hindurch und vereinigt sich unterhalb des Beckens, bei Hattorf, mit der Sieber. Weite Ackerflächen, vereinzelt Weiden und viele Kiesgruben säumen beidseitig den gehölzbestandenen Lauf der Oder. Vielfach finden sich im Pöhlder Becken, örtlich dicht gedrängt, kraterähnliche Vertiefungen, teils trocken, teils wassergefüllt, viele von ihnen sind im Laufe der Jahrzehnte verfüllt worden, auf ihrer Oberfläche wird wieder geackert. Es sind Erdfälle, deren schönster und größter, nämlich der Wiedensee, eine weite Wasserfläche aufweist. Während der Harz, also das Bergland, das sich von der Linie Scharzfeld - Herzberg nach Nordosten erhebt, aus dichten, wasserundurchlässigen Gesteinen des Erdaltertums besteht, liegen im südwestlich anschließenden Harzvorland, dem eigentlichen Südharz, flach über diesen Grauwackenschichten des Harzes Meeresablagerungen der Zechsteinzeit. Diese am Ausgang des Erdaltertums hier abgelagerten Schichten von zusammen mehreren 100 m Mächtigkeit bestehen aus Tonen, Kalk (Kalzium-Karbonat), Dolomit (Kalzium-Magnesium-Karbonat), Gips (Kalzium-Sulfat) und - inzwischen aber abgelaugt - Salz (Natriumchlorid etc.). Diese Gesteine sind aus einem warmen, sich allmählich eindampfendem Meeresbecken im Verlaufe weniger Millionen Jahre auskristallisiert und in vierfacher Wechselfolge abgeschieden. Eine 1975 unmittelbar neben dem Wiedensee niedergebrachte Wassererschließungsbohrung (zitiert nach Jordan, 1979, S.148) zeigt folgenden Schichtenaufbau:
Aus dieser Schichtenfolge sind der Hauptanhydrit und der Werraanhydrit besonders leicht in Wasser Iöslich. Tief unter dem Bett der Oder gelegen, ruhen diese Schichten bereits unterhalb des Grundwasserspiegels im Pöhlder Becken. Das parallel zur Oder gemächlich nach Westen ziehende Grundwasser hat im Verlaufe von Jahrzehntausenden insbesondere in diesen beiden leicht löslichen Gesteinshorizonten, aber auch im Staßfurt- und Werradolomit sowie Zechsteinkalk zahlreiche z. T. miteinander verbundene Hohlräume erzeugt, ein Vorgang, der als Verkarstung bezeichnet wird. An einem tiefer liegenden Vorfluter, der Rhume oberhalb des Ortes Rhumspringe, treten diese Iöslichen Horizonte noch einmal zutage (Staßfurtdolomit). Hier hat sich die Rhumequelle, eine der größten Quellen Europas, gebildet, aus der die vorgenannten Grundwässer z. T. wieder zutage treten. Während der letzten Kaltzeit hat sich die große Ebene des Pöhlder Beckens in ihrer jetzigen Ausformung gebildet, zuletzt durch Aufschüttung von grobem Flußkies, der örtlich schwankend zwischen 5 m und teilweise mehr als 20 m Mächtigkeit aufweist. Entstehung des Sees Ein Teil der infolge der Auslaugung im Untergrund zunehmend größer werdenden Hohlräume ist im Verlauf der gegenwärtigen Warmzeit, dem Holozän, eingebrochen, die Deckschichten sind in den Hohlraum hineingesackt, an der Erdoberfläche hat sich eine trichterförmige Vertiefung, nämlich ein Erdfall, gebildet. Dieser Prozeß hat sich über dem aus dem Raum Herzberg und Scharzfeld durch das Pöhlder Becken zur Rhumequelle ziehenden Grundwasserstrom wiederholt. In normal entwickelten Tälern stellt der jeweilige Bach oder Fluß das tiefste Vorflutniveau dar, d. h., daß die Grundwasseroberfläche von beiden Hängen allmählich bis zum Flußbett abdacht, im Pöhlder Becken, diesem Abschnitt des Odertales, herrschen jedoch umgekehrte Verhältnisse. Von der Oder weg, vor allem in südliche Richtung, sinkt der Grundwasserspiegel in zunehmende Tiefen ab, das von der Oder in die seitlichen Talräume eindringende Oberflächenwasser sickert durch die Kiesschichten in den verkarsteten Untergrund der Zechsteinschichten, um dann an der ca. 40 m tiefer liegenden Rhumequelle wieder zutage zu treten. Zeichnung: Walter Reinboth sen. Während der Wiedensee, gut 400 m südlich der Oder gelegen, noch Wasser führt, jedoch mit einem Wasserstand, der bereits wenige Meter unter dem Oderbett liegt (6,4 m am 15.10.1981), haben die tiefen Erdfälle im 400 m weiter südlich davon gelegenen Pöhlder Wald bereits keinen Wasserspiegel mehr aufzuweisen, obwohl ihr tiefster Punkt bald 20 m unter dem Oderbett liegt. Über das Alter des Wiedensees ist nichts genaues bekannt. Der große Durchmesser dieses nahezu kreisförmigen Erdfalles von ca. 80 m (5500 qm am oberen Rand), und seine große Tiefe von 17.5 m gesamt, davon 9.3 m Wassertiefe (7/84) mag auf ein recht hohes Alter deuten. Aufgrund eines Formenvergleichs zahlreicher Erdfälle untereinander kommt Ricken (1980 : 56) zu einem geschätzten Alter von 9000 Jahren oder jünger für diese Erdfälle im Raume Pöhlde. Die Seeablagerungen des Wiedensees sind bislang noch nicht erforscht. Die Wassertiefe ist im Jahresgang nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen, im Frühjahr bei der Schneeschmelze steigt der Seespiegel zum 3500 qm (4/82) oder mehr, um in der trockneren 2. Jahreshälfte fallweise bis unter 600 qm (10/79) zu fallen. Es wird sich also nicht um einen hier isoliert über undurchlässigen Schichten aufgestauten Wasserkörper handeln; das Wasser dürfte vielmehr Ausdruck des innerhalb der durchlässigen Kiese ausgebildeten Grundwasserstandes sein. Irgendwo zwischen Wiedensee und dem südlich davon befindlichem Pöhlder Wald ist zu erwarten, daß dieses oberflächennahe Grundwasser in größere Tiefe absinkt, um in einem der genannten verkarsteten Horizonte in Richtung Rhumequelle weiterzufließen. In welchen der in Frage kommenden Horizonte das Wasser absinkt, kann gegenwärtig noch nicht gesagt werden. Dies bleibt weiteren hydrogeologischen Forschungen vorbehalten. Aufgrund der bisherigen Kenntnisse darf jedoch davon ausgegangen werden, daß der ursprüngliche Hohlraum, dessen Einsturz zur Bildung des Wiedensees geführt hat, sich in dem in starker Auslaugung befindlichen Hauptanhydrit entwickelt hat. Geologischer Querschnitt durch den Wiedensee und Umgebung
Ein lohnendes Wanderziel Hier soll die geowissenschaftliche Beschreibung des Wiedensees und seiner Umgebung enden. Für den Wanderer, den Naturliebhaber, der die vielgestaltige Karstlandschaft am Südharz erforschen, erwandern möchte, stellt der Wiedensee einen bemerkenswerten Anziehungspunkt dar. Eingerahmt von einem dichten Laubholzgürtel, ist der Wiedensee ein Ort beschaulicher Ruhe, die nur gelegentlich vom Krächzen eines aufsteigenden Entenpaares unterbrochen wird. >> Es soll an hellen Mondnächten dort eine goldene Kutsche gesehen worden sein << 1 Schriften: Jordan, Heinz: Der Zechstein zwischen Osterode und Duderstadt (südliches Harzvorland). Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 130, S. 145 - 163: Hannover 1979 Ricken, Werner: Quartäre fluviatile und äolische Sedimentation am Südwest-Harz und ihre Beeinflussung durch die Subrosion. 71 Seiten, 40 Abb., 7 Tab., 2 Ktn,: Göttingen (unveröffentlichte Diplomarbeit) 1980 Thürnau, K.: Der Zusammenhang der Rhumequelle mit der Oder und der Sieber. Jahrbuch Gewässerkunde Norddeutschland, besondere Mitteilungen, Band 2 Nr. 6, S.1 - 25, 10 Taf.: Berlin 1913 Zander, Otto: Sagen und Erzählungen aus dem Südwestharz. 112 Seiten, zr. Abb.: Herzberg am Harz. Pöhlde 1978 |