Der Südharzer Gipskarst - eine Naturschutzkonzeption

von Dipl.-Geol. Friedhart Knolle
 

1. Sulfatkarstlandschaft Südharz

Der Südharz ist eine naturräumliche Einheit von geogen bedingter Eigenart, engräumiger Vielfalt naturnaher Strukturen und hervorragender Bedeutung für den Naturschutz.

Vom westlichen Harzrand bei Badenhausen (Landkreis Goslar) bis zum südöstlichen Harzrand bei Pölsfeld (Sachsen-Anhalt) erstreckt sich auf 100 km Länge ein zusammenhängender Zechsteinstreifen.

Bestimmendes Element sind z.T. großflächige Ausstriche verkarsteten Gipsgesteins, das in dieser Mächtigkeit und Ausprägung in Deutschland sonst nicht weiter vorkommt.

Die hohe Gesteinslöslichkeit in Verbindung mit dem hohen Niederschlag (bis 800 mm Jahresniederschlag) hat in geologisch kurzer Zeit eine Landschaft extremer Verkarstungsintensität und Vielfalt an Gipskarsterscheinungen geschaffen, die in Europa und darüber hinaus einzigartig ist.

Das bewegte Relief hat die Bebaubarkeit sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzbarkeit stark eingeschränkt. Die verkarsteten Teile dieser Landschaft sind daher in weitgehend naturnahem, z.T. unberührtem Zustand.

Es dominieren die floristisch besonders schutzwürdigen Einheiten der Kalkbuchenwälder und der (Halb-) Trockenrasen.
 

2. Schutzwürdige Vegetationseinheiten

Folgende schutzwürdige Vegetationseinheiten charakterisieren das Südharzer Sulfatkarstgebiet:

- Kalkmagerrasen auf Gips, Dolomit und Kalk als Halbtrockenrasen im subatlantisch geprägten Südwestharz und als Trockenrasen im subkontinental getönten Klima des Südostharzes und Kyffhäusers

- Kalkbuchenwälder auf Gips, Dolomit und Kalk in naturnaher Ausprägung, Schluchtwaldgesellschaften in Karsthohlformen und wärmeliebende Laubwälder trockener Südexpositionen

- Streuobstwiesen, z.T. flächengleich mit Magerrasen

- Ufergesellschaften an stehenden Karstgewässern (Kleingewässer) mit dem Merkmal extrem schwankender Wasserstände (5 - 10 m)

- Übergänge von Anmooren zu Niedermooren und Kleinsthochmooren in Karsthohlformen

- arten- oder individuenreiche Sonderstandorte, z.B. Pilze, Farne, Flechten und eiszeitliche Reliktformen auf Gipssteilhängen

- Standorte mit Restvorkommen einer Pflanzenart im jeweiligen Bundesland/Bezirk.
 

3. Schutzwürdige und gebietstypische Tierarten

Eine ganze Reihe von schutzwürdigen und für das Gebiet typischen Tierarten finden sich im Südharzer Gipskarst:

- Fledermäuse mit mehr als 12 Arten

- Schläfer (Bilche)

- Dachs mit extremer Karstbindung

- Wildkatze mit dichter Besiedlung

- Amphibien mit besonderer Bindung an Karstgewässer

- Reptilien

- Vögel

- Insektenfauna der Magerrasen.
 

4. Eine Chance des Schutzes - das UNESCO-Programm "Man and Biosphere" (MAB)

Das MAB-Programm der UNESCO zielt darauf ab, auf internationaler Ebene wissenschaftliche Grundlagen für eine umweltgerechte Nutzung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen zu entwickeln, um langfristig das sensible Wirkungsgefüge Mensch - Umwelt zu verbessern.

Ausgangspunkt der MAB-Forschung ist der erweiterte ökosystemare Ansatz.

Ziel des Projektbereiches MAB-8 "Erhaltung von Naturgebieten mit dem darin enthaltenen genetischen Material" ist die Schaffung eines globalen, von der UNESCO anerkannten Netzes von "Biosphärenreservaten", das sämtliche Ökosystemtypen bzw. biogeographischen Areale der Welt umfaßt.

Biosphärenreservate sind Bestandteil eines weltweiten Netzes großflächiger Reservate.

Diese von der UNESCO entwickelte Schutzkonzeption bezieht den arbeitenden Menschen in seiner Wirkung auf konkrete Ausschnitte der Biosphäre von vornherein mit ein.

Schutz, Pflege und ressourcenschonende Nutzung von Kulturlandschaften mit spezifischer Naturausstattung in ihrer Verbundenheit werden in einem globalen Maßstab modellhaft demonstriert.

Man unterscheidet drei bis vier Schutzzonen:

Die Kernzone bleibt ganz der natürlichen Dynamik überlassen. Der Mensch ist hier nur als wissenschaftlicher Beobachter natürlicher Strukturen und Prozesse zugelassen (Status Totalreservat).

Die Puffer- und Experimentierzone dient der Pufferung von Schadeinflüssen auf die Kernzone und der Erhaltung und Pflege landschaftstypischer Diversität. Naturschutz hat hier absoluten Vorrang vor jeglicher anderer Nutzung.

Die harmonische Kulturlandschaft nimmt den größten Teil eines Biosphärenreservates ein. In ihr werden Landnutzung und Landschaftspflege beispielhaft demonstriert, hier verbinden sich Natur und Kultur zu harmonischer Ganzheit.

In der Regenerierungszone wird geschädigte Landschaft unter Anwendung ingenieurbiologischer und ökotechnischer Methoden regeneriert und zu harmonischer Kulturlandschaft entwickelt.

Weltweit sind bisher knapp 300 Biosphärenreservate in 70 Ländern eingerichtet worden.

Die Anerkennung des Südharzer Gipskarstgebietes als Biosphärenreservat wäre eine reale Chance des Naturschutzes in diesem Gebiet, denn

- die Ausweisungskriterien für diese Form von Reservaten sind im Falle des Südharzer Sulfatkarstes in hohem Maße gegeben und

- der sich immer mehr ausweitende Gipsabbau schwebt als ständige Gefahr über dieser in Mitteleuropa und darüber hinaus einmaligen Naturlandschaft.

Ein kartenmäßiger Abgrenzungsvorschlag liegt bereits vor (VLADI 1991).
 

5. Zur Schutzwürdigkeit der Erdfälle im Südharz

Die "Augen" im Gesicht des Südharzer Gipskarstes sind die Erdfälle, Hohlformen, die durch den Einbruch unterirdischer Hohlräume oder durch oberflächliche Gesteinslösung entstanden sind.

Auf 60 Blättern der Deutschen Grundkarte wurden von HARTMANN et al. (1986) im Bereich des Landkreises Osterode insgesamt 7707 Erdfälle erfaßt.

Die Anzahl der Erdfälle für den Landkreis Osterode am Harz läßt sich nach Meinung dieser Gutachter unter Einbeziehung der Erdfälle in Naturschutzgebieten auf ca. 10.000 Erdfallobjekte abschätzen.

Bezogen auf die verkarstungsfähige Fläche des Landkreises ergibt dies eine Erdfalldichte von ungefähr 50 Erdfällen pro kmē.

Für zahlreiche Einzelformen werden in dem genannten Gutachten Schutzempfehlungen ausgesprochen. Vorgeschlagen wurden zumeist Ausweisungen als flächenhaftes Naturdenkmal oder als geschützter Landschaftsbestandteil.

In drei Fällen sprachen sich die Gutachter in der Folge der Ergebnisse der Erdfallkartierung für die Ausweisung von Naturschutzgebieten aus (Lichtensteingebiet, Hainholz-Beierstein-Gebiet und Feuchtgebiet Nüxei), in einem Fall für ein Landschaftsschutzgebiet (Erdfallfeld Osterhagen).

Im Bereich des Lichtensteingebietes wurden in der Umgebung des bereits bestehenden NSG Lichtenstein über 800 Erdfälle erfaßt, darunter zahlreiche große und außerordentlich tiefe Formen.

Als ebenso schutzwürdig aus Sicht der Erdfallkartierung stuften die Gutachter das im Verfahren befindliche NSG Hainholz-Beierstein ein.

Eine Feuchtfläche nordwestlich von Nüxei, die das bereits bestehende ND Wittgeroder Moorwiese (ND OHA 76) enthält, wird ebenfalls zur Ausweisung als NSG empfohlen. Dieses Gebiet enthält auch außerhalb des mit zahlreichen Orchideen, Blutauge und Wollgras bestückten ND Wittgeroder Moorwiese versumpfte Erdfälle mit reicher Flora sowie flächenhaft Feuchtwiesen.

Südwestlich von Osterhagen erstreckt sich auf dem Grundkartenblatt Osterhagen-Süd ein Erdfallfeld mit zahlreichen Teichen in einem breiten, flachen Tal. Östlich anschließend finden sich zahlreiche versumpfte Erdfälle und - teilweise außerhalb des Erdfallfeldes - Feuchtwiesen. Besonders große und tiefe Erdfälle liegen in dem sich südlich anschließenden Hang der Buntsandsteinstufe.

Dieses Ensemble, insbesondere die versumpften Erdfälle und Feuchtwiesen im genannten Tal wird von den Gutachtern als schutzwürdig eingestuft und zur Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet vorgeschlagen, möglicherweise unter Einbeziehung des sich unmittelbar anschließenden "Grundlos", das als ND vorgeschlagen wird.
 

Schrifttum

AHRENS, H. et al. (1981): Gipskarstlandschaft Hainholz/Beierstein - Landschaftspflegerisches Gutachten. - Unveröff. 2. Projektarbeit am Inst. f. Landschaftspfl. u. Naturschutz, 167 S., Hannover

ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KARSTKUNDE IN NIEDERSACHSEN (1990): Biosphärenreservat Südharz. - 28 S., Osterode/Uftungen

DAHLMANN, I., HAHN, H.-J., HARDES, W., KORNELIUS, B. & BIERHALS, E. (1985): Naturschutzplanung "Juliushütte". - Unveröff. 3. + 4. Projektarbeit am Institut für Landschaftspflege und Naturschutz der Universität Hannover, 168 S., 18 Abb., 23 Tab., 4 Ktn., Hannover

HARTMANN, R., VON DER HEIDE, K. & WEINBERG, H.-J.(1986): Erdfallkataster für den Landkreis Osterode am Harz. - Unveröff. Gutachten; Erläuterungsbericht (29 S., 7 Abb., 2 Tab., 1 Taf.) und Katasteranhang; Rainer Hartmann, Büro für angewandte Biologie und Geologie, Göttingen

LANDKREIS OSTERODE AM HARZ: Umweltberichte 1981/82, 1983/84, 1985/86, 1987/88, Osterode

LEICHNITZ, M. (1986): Umweltprobleme im Zechsteingebiet um Osterode am Harz. - Unveröff. Diplomarb. Geogr. Inst. Univ. Göttingen, 109 + XVIII S., 24 Abb., 38 Fot., 11 Tab., 22 Ktn., Osterode-Göttingen

SCHÖNFELDER, P. (1978): Vegetationsverhältnisse auf Gips im südwestlichen Harzvorland. Eine vergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Naturschutzprobleme. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, H. 8, 110 S., Hannover

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