Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher
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München 1997

Orkan: Hainholz zu Kleinholz

Aus dem Hainholz, dem NSG mit der Jettenhöhle, ist binnen weniger Minuten sprichwörtlich Kleinholz geworden: Auf über 60 ha ist der herrliche alte Buchen und Edellaubholzbestand gesplittert und entwurzelt. Keine 20 zusammenhängenden Meter der Wanderwege sind mehr erkennbar.

Erst im vergangenen Jahr war das Hainholz zu Naturschutzzwecken vom Landkreis Osterode für 99 Jahre angepachtet worden. Der Holzbestand sollte aus der Nutzung genommen und damit die typischen Rückeschäden, die mit der Holzernte verbunden sind, verhütet und ein natürlicher Altersklassenaufbau erreicht werden.

Das Zerstörungswerk des Orkans läßt sich wie folgt beschreiben: Viele Bäume, Laub- und Nadelbäume gleichermaßen, sind in wenigen Metern Höhe abgeschert, besonders Fichten, Pappeln und Buchen; bei Linden, Eschen und Eichen sind die Kronen stark ausgerissen worden. Besonders die über 100 Jahre alten Buchen sind auf dem flachgründigen Gipsboden mitsamt ihren Wurzeltellern geworfen, Stamm und Kronen dabei oft zersplittert. Auffällig ist die hohe Zahl der plastisch verformten, d.h. nur gebogenen, nicht gebrochenen, Laub- und Nadelbäume. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese im Laufe der Jahre wieder aufrichten.

Was war metererologisch passiert? Am Abend des 29. Juni 1997, gegen 21.40 Uhr näherte sich aus SSW dem Hainholz eine breite, tiefliegende schwarze Wolke, deren vordere Front von zahllosen Blitzen durchzuckt wurde. Bodennah schossen unter der Wolke aus SW scharfe Böen hervor, die eine breite, mit Windstärke 12 beschleunigte, zusammenhängende Wassermasse mit bis zu 100 km/h vor sich her trieben. Die Unwetterfront fegte in einer Breite von 1 km alles weg. Die Bäume standen im vollen Laub, ließen Wind und Wasser nicht hindurch und brachen unter der Druckwelle.

Es war zu befürchten, daß der Wurf der Altbuchen über der Jettenhöhle zu neuem Versturz in der Höhle geführt hat. Doch diese hat sich erstaunlich stabil gezeigt. Keine neuen Felsen sind von der Firste herabgestürzt. Am Höhleneingang ist jedoch nichts Vertrautes mehr zu erkennen: Große Buchen sind in den Kessel hereingesunken, ihre Wurzelteller haben das Gesicht des Höhleneingangs völlig verändert.

Was bedeutet die Katastrophe für den Naturschutz? Die Schönheit der Landschaft dürfte für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte dahin sein, ist aber nicht auf Dauer verloren. Für jeden, der Wald mit forstlicher Ordnung verbindet, bricht beim jetzigen Anblick des Hainholzes natürlich eine Welt zusammen. Für das Pflanzenwachstum und die Verjüngung der Laubbäume ist dagegen eine nicht ungünstige Situation eingetreten. So waren bisher die Buchentriebe durchweg vom Rehwild verbissen. Der Wald konnte sich kaum noch von selbst erneuern. Dies ist nun wieder besser möglich.

Soll man das Hainholz nun aufräumen? Soll man diese immensen Kosten und neue Rückeschäden in Kauf nehmen? Ist das zersplitterte Holz überhaupt noch sinnvoll zu verwerten? Schnelle Antworten werden nicht hilfreich sein, Vorschläge für voreilige Entscheidungen sind deshalb auch nicht gefragt. In Wirklichkeit ist das Hainholz für die Menschen im Südharz schon lange gleichsam ein gemeinsames Gut geworden. Ein Meinungsbildungsprozeß sollte nun auch in der Öffentlichkeit einsetzen.

F. Vladi


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