Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher58 (1)6-16München 2012

Fossilien in den Höhlenlehmen der Barbarossahöhle, Kyffhäuser

von

ANJA ADLER & DOROTHEE MERTMANN


Zusammenfassung
In der Barbarossahöhle am Kyffhäuser (Thüringen) treten an mehreren Lokationen überwiegend tonig-schluffige Höhlenlehme auf. Die Ermittlung der Kornsummenverteilungen von 20 gesammelten Proben zeigte, dass meist mehr als 50 %, gelegentlich bis 80 % der Körner kleiner als 0,063 mm sind. In vielen Proben fanden sich zum Teil große Mengen an Ostrakodenschalen neben wenigen Pelecypoden- und Gastropodenresten und eingeschwemmten Kohlestückchen. Die Organismen wurden bestimmt und auf ihre zeitliche und ökologische Aussagekraft hin analysiert. Die Formen besiedelten limnische, fluviatile Habitate der Höhle. Dass eingeschwemmte Ostrakoden von der Oberfläche in der Assoziation zusätzlich vorkommen, kann nicht ausgeschlossen werden. Die Organismen werden dem Pleistozän zugeordnet.

Abstract
In the Barbarossa Cave (Kyffhäuser, Thuringia, Germany) cave clays occur at various locations throughout the cave. Grain size distribution of 20 samples show that 50 to 80 % of the grains have sizes smaller than 0,063 mm. Most of the samples yield large amounts of ostracod tests along with other fossils and washed- in coal fragments. Ostracods, pelecypods and gastropods were identified and their temporal range and ecological implications evaluated. The species represent lacustrine and fluviatile habitats of the cave. The presence of washed-in ostracods from the surface cannot be ruled out. Organisms are assigned to the Pleistocene.

Resumé
La grotte de Barberousse au bord sud du Kyffhäuser (Thuringe) contient plusieurs gisements d’argile généralement silteuse. L’étude granulométrique de 20 échantillons a montré que plus de 50 % et parfois jusqu’à 80 % des grains ont une taille inférieure à 0,063 mm. Beaucoup d’échantillons contenaient un grand nombre d’ostracodes ainsi que de rares restes de lamellibranches et de gastéropodes et des fragments de charbon lessivés. Ils ont été déterminés et leur signification chronologique et écologique analysée. Ils occupaient des habitats fluvio-limniques à l’intérieur de la cavité mais on ne peut exclure la présence d’ostracodes d’origine alluviale extérieure. L’âge trouvé est pléistocène.

Abb. 1: Die Barbarossahöhle im Geopark Kyffhäuser, Weg vom Eingangsbereich zur Neptungrotte


1. Einleitung
Die Barbarossahöhle am Südrand des Kyffhäusers ist aus geowissenschaftlicher und speläologischer Sicht eine der bedeutendsten Anhydritkarsthöhlen weltweit und mit einer Fläche von 13.000 m² zudem die größte Europas. Ihre Entdeckung geht auf das Jahr 1865 zurück, als man bei früheren Explorationsgrabungen nach Kupferschiefer unterhalb der Falkenburg suchte. Dabei eröffnete sich den Bergleuten nach über 170 m langem Stollenvortrieb die Höhle. Seit ihrer Entdeckung wurde die Barbarossahöhle, die ursprünglich Falkenhöhle hieß, touristisch erschlossen und stellt mittlerweile eine der wichtigsten touristischen Attraktionen im Kyffhäuser dar (Abb. 1). Aufgrund der außerordentlichen Bedeutung wurde die Barbarossahöhle zum Geotop und Flächennaturschutzdenkmal in Thüringen erklärt (HOPF 2000, BRUST 2005).
Die Barbarossahöhle ist durch flache Laugungshohlräume charakterisiert. In der Höhle befinden sich mehrere kleine Seen, die, untereinander verbunden, heute von unterirdischen Zuflüssen, zum Beispiel aus dem Pfannspring, gespeist werden (mdl. Mitt. H. J. Fischer). Das Wasser versickert in der Höhle selbst erneut. Höhlenlehme sind über die gesamte Länge der Höhle in unterschiedlichen Ausbissvarietäten und Mächtigkeiten verteilt. Diese zumeist feinkörnigen Sedimente sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Erstmalig werden sie hier beschrieben, granulometrisch untersucht und auf ihren Fossilgehalt getestet. Es ergab sich ein teils reicher Gehalt an Ostrakoden, Pelecypoden und Gastropoden, so dass die Faunen zu bestimmen und palökologisch zu bewerten sind. Daraus resultierte auch die Möglichkeit, Transportszenarien zu analysieren, um der Frage nach autochthoner Einbettung oder allochthoner Einschwemmung nachzugehen. Die Arbeit basiert auf der von ADLER (2010) im Institut für Geowissenschaften und Geographie der Martin Luther-Universität vorgelegten Bachelorarbeit.
Die Probenahme erfolgte nach Entfernung einer 1 cm dicken, oberflächlichen Deckschicht an den Vorkommen. Im Falle der gezielten Probenahme aus einzelnen Schichten wurde das Probenmaterial von unten nach oben abgeschürft. Die Aufbereitung der Proben erfolgte nach dem Verfahren von WICK (1947) mit anschließender Nasssiebung. Die Ergebnisse aus der Korngrößenanalyse wurden in Kornsummenkurven ohne Schlämmkorn geplottet.

2. Geographischer Überblick
Das Mittelgebirge des Kyffhäusers erstreckt sich größtenteils im nördlichen Teil von Thüringen, seine nördlichsten Ausläufer gehören bereits zu Sachsen-Anhalt. Das Relief entspricht, wie beim Harz, einer Pultscholle, die im Norden einen steilen Abfall zur Goldenen Aue und nach Süden ein allmähliches Abfallen zum Thüringischen Becken aufweist. Im nördlichen Kyffhäuser dominieren Laubwälder, während im Süden auf bevorzugt trockenen Standorten mit intensiver Sonneneinstrahlung die Vegetation durch Magerrasenformen bestimmt wird. Diese Region des bedeckten Karstes ist durch Dolinen, Poljen, Trockentäler, Schwundlöcher und Ponore geprägt. An den steilen Hängen sowie an frischen Abbruchstellen, vor allem im Bereich der Dolinen, ist das verkarstete Sulfatgestein des Zechsteins auch aufgeschlossen. Die Barbarossahöhle und die benachbarten Höhlen des Kyffhäuser repräsentieren den unterirdischen Karst.
Die Barbarossahöhle befindet sich 1,5 km NNW des Ortes Rottleben im südlichen Kyffhäuser. Die nächstgelegene Stadt ist das ca. 4,5 km entfernte Bad Frankenhausen (Abb. 2). Die genauen Koordinaten des Eingangs der Höhle lauten: 51°22’32.00‘‘ N und 11°02’11.99‘‘ E.

Abb. 2: Geologische Karte des Untersuchungsgebietes (nach GEOPARK KYFFHÄUSER 2005)


3. Geologischer Überblick
Die nach Süden einfallende Schichtfolge des Kyffhäusers zählt zur Hermundurischen Scholle. Sie wird im Norden von der Kyffhäuser-Nordrandstörung begrenzt, einer in Analogie zur Harznordrandstörung gedeuteten, mehrphasig aktiven, steil nach SSW einfallenden Aufschiebung. Im Süden folgt, von Störungen unterbrochen, der Übergang ins Thüringische Becken mit weit verbreiteten triassischen Schichtfolgen (SEIDEL 1995, Abb. 2). Im Norden des Kyffhäusers gibt es ein kleines, nur etwa 1,5 km2 großes Areal variszisch geprägten Grundgebirges mit metamorphen und magmatischen Gesteinen, das der Saxothuringischen Zone der Mitteleuropäischen Varisziden und darin der zentralen Mitteldeutschen Kristallinzone angehört (FRANZKE et al. 2007). Das Grundgebirge wird von mächtigen, meist rötlich-violett gefärbten, oftmals grobkörnigen oberkarbonischen bis permischen kontinentalen Molassesedimenten diskordant überlagert, die als Ablagerungen alluvialer Fächer, verflochtener fluviatiler Systeme sowie von Playaebenen zu deuten sind (SCHWAB & EHLING 2008, MCCANN 2008a). Diese werden ihrerseits von Formationen des Zechsteins überlagert (MCCANN & KIERSNOWSKI 2008b, RADZINSKI 2008). Die Werra-Formation (Zechstein 1) ist am Südrand des Kyffhäusers mit dem basalen Zechstein-Konglomerat, dem Kupferschiefer, Zechsteinkalk sowie dem sehr ins Auge fallenden, verkarsteten Werra-Sulfat („Älterer Gips“) großflächig aufgeschlossen, z.T. in Form einer typischen Gipskarstlandschaft. Mit Kupferschiefer und Werra-Kalk ist ihre Basis im Bergbaustollen der Barbarossahöhle zugänglich (DECKER 2009, DECKER et al. 2011); der Werra-Anhydrit tritt als Wandung der Lösungshohlräume der Höhle auf. Im Süden schließen sich weitere, nicht aufgeschlossene jüngere Zechsteinsedimente und in den bewaldeten Höhenrücken von Hainleite und Windleite Buntsandstein und Muschelkalksequenzen an (Abb. 2).
Die Barbarossahöhle ist einerseits eine Laughöhle im Sinne von KEMPE (2008), entstand aber andererseits „von unten“ als Schichtgrenzhöhle bzw. Schlotte vom Typus „Wimmelburg“. Um ihre geologische und genetische Interpretation haben sich zuletzt BRUST (2005, 2008) und KUPETZ (2005, 2008) aufgrund langjähriger Arbeiten verdient gemacht. Erst später wurde das Sulfatkarstsystem der Höhle durch die Freilegung der Zechsteinschichten an der Oberfläche vermutlich im Quartär, möglicherweise auch schon im Tertiär, von der Oberfläche her beeinflusst. Durch die fortschreitende Lösung im Untergrund haben sich weitspannige, aber relativ flache Laugungshohlräume gebildet. Die Höhle ist heute teilweise durch Inkasion überprägt. Durch die Nähe zur Oberfläche (in einzelnen Bereichen unter 10 m) sowie die ständig andauernde Lösung des Sulfatgesteins kommt es zu gelegentlichen bzw. ständigen Verbindungen zur Oberfläche. Damit kann auch Fremdmaterial in die Höhle gelangen. Höhlenlehme finden sich zum einen als kleinere, rundliche, isolierte Vorkommen, zum anderen auch als kluftartige Verfüllungen und zum dritten als über mehrere 10er Meter ausstreichende, unregelmäßig geformte Ansammlungen. In den Höhlenlehmen finden sich zum Teil gut ausgebildete Gipsrosetten sowie zum Teil dezimetergroße Anhydritbruchstücke der Wände.
 

4. Höhlenlehme der Barbarossahöhle
In der Barbarossahöhle lassen sich derzeit acht verschiedene Fundstellen von Höhlenlehm charakterisieren. (Abb. 3; Grundriss nach BRUST & HÖFER 2004). Die Eigenschaften und Kornverteilungen werden im Folgenden kurz beschrieben.

4.1 Lokationen und Granulometrie
Lokalität 1
Der erste Beprobungspunkt befindet sich unterhalb der sogenannten Kristalldecke (Abb. 4). Dort ist eine ungefähr 0,60 m hohe und 1,50 m breite Höhlenlehmtasche hinter Sturzmassen am Höhlenrand aufgeschlossen. Zwei Schichten werden von einer ungefähr 10 cm dicken anhydritischen Zwischenlage getrennt. Die obere ist im Gegensatz zur rötlichen unteren geschichtet und von grauer Farbe. Beide Einheiten zeigen ein ähnliches Korngrößenspektrum (Abb. 5) mit weniger als 5 % Komponenten größer 0,063 mm. Beide Lagen sind fossilführend. In der unteren Lage treten Kohlestückchen auf.

Lokalität 2
Der zweite Beprobungspunkt liegt 60 m südöstlich des ersten am Rand des provisorischen Weges an einem ehemaligen Felssturz. Ursprünglich an der Decke der Höhle befindlich ist dieser nun am Boden zugänglich. Es ist ein kleines, maximal 0,3 x 0,1 m messendes, homogenes Vorkommen. Der Höhlenlehm weist 15 % grobkörniges Material (> 0,063 mm) auf (Abb. 5). Fossilien und Kohlestückchen sind schon makroskopisch erkennbar.

Lokalität 3
Der dritte Beprobungspunkt befindet sich unweit des öffentlichen Weges nördlich der Neptungrotte, ebenfalls an der Höhlenwand. Zwei nach oben gewölbte und nach unten gerade umrissene Aufschlüsse sind durch eine Anhydritsäule getrennt. Das Vorkommen zeichnet sich durch einen hohen Anteil (ca. 45 %) an grobkörnigem Material aus, das vor allem aus Gips- und Anhydritstückchen besteht (Abb. 5).

Abb. 3: Schematischer Grundriss der Barbarossahöhle mit Höhlenräumen und Karstgewässern (nach BRUST & HÖFER 2004) und untersuchten Höhlenlehmvorkommen 1 - 8
Lokalität 4
Die vierte Lokalität befindet sich am Eingang zum Bergbaustollen (Abb. 6). Der Höhlenlehm weist eine Mächtigkeit von mindestens 1,50 m auf und kann über weite Teile des Stollens an der Decke des Stollens in dann reduzierter Mächtigkeit von ca. 40 cm verfolgt werden. Eine Schichtung ist deutlich durch Korngrößenunterschiede zwischen Silt und Feinkies sowie ocker bis rotbraune Farben angezeigt (Abb. 7). Flach einfallende, gebogene Schrägschichtung ist in einigen Schichten vorhanden. Damit liefert dieses Vorkommen aufgrund der Grobkörnigkeit der Schichten und der gefundenen Schrägschichtung einen Hinweis auf ein höher energetisches, fluviatiles System, das die Höhle durchströmt haben muss. Die Proben sind allerdings weitgehend fossilarm bis fossilfrei.

Lokalität 5
Die fünfte Lokalität liegt am Rand des Tanzsaals. Es ist ein kleines, ungeschichtetes kluftgebundenes Vorkommen, das nach oben auskeilt. Im Höhlenlehm sind bis zu 80 % grobkörnige Komponenten aus der Höhlenwand, also Anhydrit, enthalten (Abb. 7). Direkt unterhalb des Aufschlusses befindet sich ein etwa zwei mal vier Meter messender und etwa 30 cm tiefer Wasserkörper, welcher durch einen Wasserzutritt an der Höhlenwand gespeist wird.

Lokalität 6
Beprobungspunkt 6 liegt südlich des Tanzsaales, nahe dem Olymp. Über eine Länge von 1,70 m ist eine 0,3 m mächtige Schicht feinkörniger Sedimente aufgeschlossen. Der Feinkornanteil dominiert mit ca. 95 %. Die 5 % Grobmaterial bestehen aus Gipskristallen und Bruchstücken von Anhydrit. Kleine Kohlepartikel sind erneut vorhanden.

Lokalität 7
Westlich des Grottensees erstreckt sich eine mehrfach verzweigte Kluftfüllung über ca. 6 m Länge (Abb. 8). Die ausstreichende Mächtigkeit schwankt zwischen 0,1 m und 0,5 m. Der Höhlenlehm ist in diesem Bereich besonders hart, da die Sedimente mit Gipskristallen zementiert sind. In den Höhlenlehmen treten auch hier erneut größere Sulfatstufen auf, die vor allem im Randbereich des Vorkommens angesiedelt sind. Außerdem wurden hier schon makroskopisch zum Teil größere (> 2 mm) Kohlebruchstücke festgestellt. Die Kornsummenkurve zeigt, dass es sich im Allgemeinen um ein sehr feinkörniges Sediment mit max. 8 % an gröberen Komponenten handelt.

Abb. 4: Vorkommen der Höhlenlehme im Bereich der Kristalldecke an Lokalität 1
 
Abb. 5: Korngrößenverteilungen ausgewählter Proben: Lokalität 1 (Probe 1 + 2), Lokalität 2 (Probe 3), Lokalität 3 (Probe 4), Lokalität 5 (Probe 13)
Lokalität 8
Aufschluss 8 befindet sich nahe am Höhlenausgang. Mit etwa 15 m Länge und einer Höhe von 1 m bis 1,50 m ist es zudem das größte ausstreichende Vorkommen. Bereiche mit und ohne Schichtung sowie unterschiedlicher Farbe werden unterschieden: Am nördlichen Ende des Aufschlusses zeigt sich eine deutliche Schichtung des Höhlenlehms: Der untere Bereich (30 cm) wird von einem dunklen, feingliedrig geschichteten Lehm, in dem zum Teil größere (> 5 cm) Gipsrosetten eingeschaltet sind (Abb. 9), dominiert. Ein bis zu 15 cm dicker harter Horizont aus Sulfat mit wenig Pelit grenzt den oberen, im cm-Bereich geschichteten Bereich, nach unten ab. Nach ca. 5 m zeigt sich ein deutlicher Farbwechsel der Höhlenlehme von rötlich zu hell- bis dunkelbraun. Gleichzeitig verschwindet die deutliche Schichtung. Weiter südlich geht die Farbe dann erneut in einen Rotton über, der den weiteren Verlauf des Vorkommens bestimmt. Sedimentologisch ergab sich bei allen Proben die für die Höhlenlehme typische Dominanz an Schlämmkorn (< 0,063 mm; 90 - 97 %). Gröbere Fragmente bestanden aus Sulfat. Gelegentlich ist Kohle eingestreut.

Abb. 6: Vorkommen der Höhlenlehme im Bereich des Kupferschieferstollens an Lokalität 4
4.2 Die Faunen der Höhlenlehme
Die Aufbereitung der 20 Proben zeigte, dass nur in 10 Proben Fossilien enthalten sind (Abb. 10). Diese sind vor allem Ostrakoden, die in sehr unterschiedlichen Häufigkeiten auftreten, sowie meistens schon makroskopisch erkennbare Muscheln und Gastropoden. Letztere treten nie unter 1 mm Korngröße auf. Die Ostrakoden fanden sich meistens in der Kornfraktion größer 250 μm, nur in Ausnahmen darunter oder in der Kornfraktion größer 500 μm.
Die Bestimmung der Ostrakoden erfolgte vor allem nach der äußeren Gestalt, den peripheren Porenkanälen, der Schalenoberfläche und der Innenlamelle. In den Proben sind selten komplette Gehäuse erhalten; zum größten Teil wurde nur eine Schalenhälfte zur Bestimmung herangezogen. Herr Prof. Dr. Steffen Mischke führte die Bestimmung der Ostrakoden maßgeblich durch.

Abb. 7: Korngrößenverteilungen der im Profil an Lokalität 4 entnommenen Proben


4.2.1 Ostrakoden
Ilyocypris bradyi dominiert die Faunenvergesellschaftung (Abb. 11). Außerdem kommen Candona candida, Candona neglecta, Cyclocypris laevis, Heterocypris incongruens, Heterocypris salina, Pseudocandona albicans, Cyprideis torosa, Prionocypris zenkeri und Cavernocypris subterranea sowie Tonnacypris sp., Potamocypris sp. und Eucypris sp. vor. Eine Ausnahme bildet die Ostrakodenassoziation der Probe 4, in der sich Sarscypridopsis aculeata und Cypridopsis sp. fanden (Abb. 12, 13). Die bestimmten Formen repräsentieren damit die Superfamilie der Cypridoidea und die der Cytheroidea. Im Folgenden sollen die Ansprüche der Formen an ihre Habitate kurz charakterisiert werden.

Ilyocypris bradyi
Ilyocypris zeichnet sich durch ihre längliche Form mit einem fast glatten dorsalen und einem leicht konkaven ventralen Rand aus. Die Innenlamelle ist im Vergleich zu Clyclocypris schmaler. Ilyocypris bradyi zeigt vor allem im Bereich des Posteriors deutliche periphere stachelartige Fortsätze. Sie stellen mit 50 % bis 75 % Anteil am gesamten Ostracodenspektrum die häufigste Form der höffigen Proben mit Ausnahme von Probe 4. Die Gattung bevorzugt schwach fließende und auch stagnierende Gewässer, lebt vor allem im tonigen, weniger im sandigen Sediment. Rezente Formen stammen vor allem aus dem Bereich von Quellen und Quellbächen. Wenig tolerant gegenüber Salinität – nur wenige Funde belegen brackisches Wasser (WOUTERS 1983) – besitzt sie ihr Temperaturoptimum in kälteren Bereichen und akzeptiert auch erhöhte Calciumwerte bis über 72 mg/l. Sie ist seit dem Miozän fossil überliefert.

Abb. 8: Vorkommen der Höhlenlehme im Bereich des Grottensees an Lokalität 7
 
Abb. 9: In den Höhlenlehmen vorkommende Gipsrosetten, hier an Lokalität 8


Abb. 10: Die Faunen der Höhlenlehme der Barbarossahöhle, unterteilt in Ostrakoden, Muscheln und Gastropoden, und ihr Vorkommen in den entnommenen Proben: (+) geringe Häufigkeit; (++) häufiges Auftreten; (+++) sehr häufiges, dominantes Vorkommen; (-) keine Individuen enthalten
Candona candida und Candona neglecta
Charakteristisch sind die eher dreieckige Form von Candona candida und die bohnenförmige Gestalt von Candona neglecta. Beide Schalen sind glatt. Die Gattung Candona kommt meist in stehenden Süßwasserhabitaten bei eher niedrigen Temperaturen vor. Höhere Salzgehalte im Grundwasser oder in Quellgewässern toleriert sie dagegen im Allgemeinen eher nicht. Candona candida besiedelt zum Beispiel auch Lockersedimente der Uferbereiche von Seen (MARMONIER 1984, 1985). Als besonderes Charakteristikum zeigen sich die Individuen tolerant gegenüber dem pH-Wert, auch wenn er im sauren Milieu liegt (HILLER 1972, HARTMANN & HILLER 1977). Nach HILLER (1972) toleriert sie einen maximalen Salzgehalt von 5,77 ‰. Sie sind weit verbreitet, zum Teil auch im polaren Bereich. Überliefert ist dieses Taxon seit dem Oligozän (HELMDACH 1977), Unteren Pliozän (MEISCH 2000) und vermehrt ab dem Pleistozän bis rezent. Candona neglecta kommt sowohl in kleinen Wasserläufen als auch in Teichen und Seen vor, bevorzugt dabei niedrigenergetische Milieus mit einer geringen Wassertiefe. Sowohl die larvalen als auch die adulten Stadien sind resistent gegenüber Austrocknung, sodass auch temporäre Gewässer besiedelt werden können. Die Art vermag hypoxische Bedingungen mit einem Sauerstoffgehalt unterhalb von 3 mg/l besonders im Sommer zu überleben (DANIELOPOL et al. 1985, 1993) und toleriert auch eine Salinität bis 16 ‰ und Ca-Gehalte von über 72 mg/l (MEISCH 2000). Bekannt ist diese Art seit dem Pleistozän bis rezent.

Abb. 11: Schematische Darstellung des prozentualen Auftretens der einzelnen Arten in der Probe 3: 1. Ilyocypris sp., 2. Candona neglecta, 3. Pseudocandona marchica, 4. Cyclocypris laevis, 5. Heterocypris incongruens, 6. Prionocypris zenkeri, 7. Heterocypris salina, 8. Candona candida, 9. Cyprideis torosa, Tonnacypris sp., Eucypris sp. und Potamocypris sp.
Cyclocypris laevis
Die Form von Cyclocypris laevis ist glatt und oval. Charakteristisch ist der Unterschied zwischen dem glatten ventralen und dem stark konvexen dorsalen Rand der Schalen. Ebenso gut erkennbar ist die Innenlamelle, vor allem im Bereich des Posteriors. Cyclocypris laevis kommt sowohl im permanenten als auch im temporären Süßwasser sowie in leicht salzigen Gewässern und Teichen bei niedriger und hoher Fließgeschwindigkeit vor. Sie bevorzugt dabei Gewässer mit erhöhten Calciumgehalten.

Abb. 12: Das Vorkommen der einzelnen Arten in den fossilführenden Proben: (+) kommt vor; (-) kommt nicht vor
Heterocypris incongruens und Heterocypris salina
Heterocypris weist im Gegensatz zu anderen Formen eine auffallend breite Innenlamelle auf. Anterior und Posterior sind weit gerundet und relativ breit. Die Form ist länglich mit einem schwach konkaven ventralen Rand und einem gewölbten dorsalen Rand. Dieser ist bei Heterocypris salina deutlich spitzer als bei Heterocypris incongruens.
Letztere bevorzugt kleine, temporäre Wasserkörper mit tonigem Substrat und wenig Vegetation. Funde zeigen, dass sie vor allem in flachen Gewässern vorkommt. Vor allem in deren Randbereichen siedeln sich zuweilen große Populationen an. Zudem ist Heterocypris incongruens auch aus dem Grundwasser, aus Höhlen und sauerstoffarmen Habitaten bekannt (MEISCH 2000). Fossil ist Heterocypris incongruens seit dem Pleistozän überliefert. Heterocypris salina bevorzugt ebenso kleine, flache, eher temporäre aquatische Habitate. Der Salzgehalt der Gewässer sollte optimal etwa 6 ‰ betragen (GANNING 1967, 1971). Sie toleriert aber auch geringere oder höhere Salzgehalte, höhere Calciumgehalte und ein weites Temperaturspektrum (MEISCH 2000). Zudem kann sie angepasst an Dunkelheit und Vegetationsarmut existieren und ist damit auch typisch für Höhlengewässer. Die Art ist seit dem Miozän bekannt (MEISCH 2000).

Pseudocandona albicans
Pseudocandona albicans weist eine breite Innenlamelle im Bereich des Posteriors und einen nahezu geraden bis leicht konkaven ventralen und dorsalen Rand auf. Anterior und Posterior zeigen eine weite Rundung, wobei diese am Posterior im oberen Bereich einen steileren Abfall aufweist.
Pseudocandona albicans toleriert maximale Salzgehalte von ca. 5,5 ‰ (HILLER 1972). Sie kommt in kleineren sowohl temporären, als auch permanenten, stagnierenden als auch langsam fließenden Gewässern mit einem tonigen Substrat vor. Neben Seen gibt es sie in Quellen, im Grundwasser oder in Höhlen. Fossil ist die Art seit dem Unteren Pleistozän bekannt.

Cyprideis torosa
Cyprideis torosa weist eine länglich-ovale, fast symmetrische Form der Schalen mit einem geraden ventralen Rand auf. Die Oberfläche ist glatt und porenreich. Die Muskeleindrücke waren gut erkennbar. In den Proben wurden nur vereinzelt adulte Schalen gefunden.
Die Art bevorzugt ein toniges bis sandiges Substrat und toleriert neben hyperhalinen auch Süßwasserbedingungen (MEISCH 2000). Dabei kommt sie am ehesten in brackischem Wasser mit einem Salinitätsoptimum von 2 - 16,5 ‰ vor (WAGNER 1964). Sie ist weitgehend unabhängig von Temperaturschwankungen und überlebt sogar kurzzeitig ein komplettes Gefrieren von Gewässern. Außerdem verträgt sie Dunkelheit und Vegetationsarmut, so dass sie auch an ein Leben in Höhlen angepasst ist. Fossile Funde der weltweit verbreiteten Art belegen ihr Vorkommen seit dem Miozän, vermehrt jedoch seit dem Pliozän und Pleistozän bis rezent.

Prionocypris zenkeri
Die Süßwasserart Prionocypris zenkeri ist sehr gut anhand des gezahnten Randes im Bereich des Posteriors erkennbar. Die äußere Form der Schalen wird durch einen nahezu geraden ventralen und einen gewölbten dorsalen Rand bestimmt, dessen Wölbung im Bereich des Anteriors besonders hoch ist.
Die Art bevorzugt niedrig energetische, kältere, aquatische Systeme des Festlandes, meist in Verbindung mit üppiger Vegetation. Allerdings besiedelt sie auch Interstitialbereiche im Sediment (MEISCH 2000). Sie kommt seit dem Pleistozän vor.

Cavernocypris subterranea
Cavernocypris subterranea besitzt bei fast gleicher Klappenausbildung eine längliche Form mit beidseitig gleich gerundeten Enden. Die Oberfläche zeigt ein Band flacher Einsenkungen.
Cavernocypris subterranea bevorzugt sauerstoffreiche, langsam fließende Wässer in einer Temperaturspanne von 6 - 12°C (MEISCH 2000). Sie besiedelt sowohl oberflächliche als auch unterirdische Habitate in Quellen, Seen und Höhlen. Die Form ist aus dem Miozän sowie seit dem Pleistozän bekannt.

Sarscypridopsis aculeata
Sarscypridopsis aculeata besitzt eine markante dreieckige, leicht abgerundete Form mit einem glatten ventralen und einem spitz gewölbten dorsalen Rand. Die Innenlamelle ist breit; randständig befinden sich deutlich sichtbare Porenkanäle.
Die Art bevorzugt kleine, temporäre oder auch permanente Wasserkörper. Sie siedelt vor allem in brackischem Wasser, vor allem im küstennahen Bereich, bis zu einer Salinität von 4 - 10 ‰ (GANNING 1971). Dabei toleriert sie auch höher energetische Systeme und Temperaturschwankungen. Sie tritt aufgrund vergleichbarer Habitatansprüche häufig zusammen mit Heterocypris salina auf. Fossile Funde belegen ein Auftreten ab Pliozän bis rezent.

Tonnacypris sp.
Die länglich geformte Gattung Tonnacypris zeigt einen glatten ventralen und einen leicht gewölbten dorsalen Rand mit einem gerundeten Posterior und Anterior. Die Innenlamelle ist breit. Tonnacypris ist nur mit wenigen, meist juvenilen Exemplaren in den Proben vertreten.
Die Süßwasserform ist gegenüber Temperaturen eher tolerant. Sie bevorzugt temporäre Gewässer, vor allem mit einer niedrigwüchsigen Vegetation. Sie ist seit dem Pleistozän verbreitet.

Potamocypris sp.
Die Gattung Potamocypris wurde mit nur einer Schale in Probe 3 gefunden. Eine Bestimmung der Gattung war aber aufgrund der charakteristischen spitz gewölbten Form möglich. Durch die Wölbung erscheint das Exemplar sehr hoch und gering breit. Ebenso typisch ist die glatte Schalenoberfläche ohne erkennbare Punktierung. Eine genaue Artbestimmung konnte jedoch aufgrund fehlender weiterer deutlicherer Unterscheidungsmerkmale nicht vorgenommen werden.
Allgemein lässt sich feststellen, dass Potamocypris vor allem niedrig energetische, nicht-marine Systeme bevorzugt. Einige Arten tolerieren allerdings Brackwasser oder seltene marine Einflüsse im Küstenbereich. Die Gattung Potamocypris kommt fossil seit dem Miozän vor.

Eucypris sp.
Die Gattung Eucypris ist im Probenmaterial selten und schlecht erhalten. Allgemein besitzt diese Gattung eine elliptische Form mit gerundetem Anterior und Posterior. Dabei ist der Ventralrand im Vergleich zum Dorsalrand gerade.
Allgemein bevorzugt diese Gattung ruhige Gewässer mit einem sehr niedrigen Salzgehalt von maximal 5 ‰ (MEISCH 2000) und umgebender Vegetation. Außerdem werden vor allem temporäre Gewässer besiedelt, besonders im Bereich von Wäldern. Einige Arten kommen auch im Bereich von fließenden Gewässern und unterschiedlichen Temperaturen vor. Die fossil erhaltenen Arten wurden frühestens in pleistozänen Schichten gefunden.

Cypridopsis sp.
Allgemein zeigt diese Gattung eine markante Form mit einem leicht konkaven, ventralen und einem spitz konvexen dorsalen Rand. Der dorsale Bereich bildet dabei eine markante abgerundete Dreiecksform aus. Die große Breite des Gehäuses in Dorsalansicht macht die Einordnung in diese Gattung eindeutig.

Abb. 13: Ostrakoden der Barbarossahöhle: 1. Candona neglecta, rechte Klappe (RV) Innenansicht (iv); 2. Pseudocandona albicans, linke Klappe (LV) iv; 3. Candona candida, RV iv; 4. Cyclocypris laevis, dorsal Schale; 5. Prionocypris zenkeri, LV iv; 6. Heterocypris incongruens, RV iv; 7. Cyprideis torosa forma torosa, RV Außenansicht (ev); 8. Potamocypris sp., LV iv; 9.-15. Ilyocypris bradyi, 9. RV ev; 10. LV iv, 11. Vergrößerung des posteroventralen Teils des unteren linken Abschnitts der Form, vier Rippen sind deutlich erkennbar; 12. LV iv, 13. Vergrößerung des posteroventralen Teils des unteren linken Abschnitts der Form, vergleichbar 11, 14. LV iv, 15. Vergrößerung des posteroventralen Teils des unteren linken Abschnitts der Form, zwei randliche Rippen sind schwach sichtbar; 16. Cavernocypris subterranea, RV iv; 17. Heterocypris salina, LV iv.
Weiterhin weisen fast alle Arten eine glatte Oberfläche mit einer breiten Innenlamelle auf. Eine Artzuordnung konnte allerdings nicht durchgeführt werden.
Die Formen leben in den verschiedensten nicht-marinen, zumeist permanenten, vegetationsreichen Habitaten, die nicht direkt der Sonne ausgesetzt sind, zum Teil auch in Quellen oder wie rezente Vertreter, in Wasserreservoiren (MEISCH 2000). Fossile Funde stammen vor allem aus dem Pleistozän bis rezent.

4.2.2 Gastropoden und Pelecypoden
Neben den Ostrakoden wurden verschiedene Gattungen von Gastropoden (Vallona sp. und Vertigo sp.) und eine Pelecypodenart (Pisidium subtruncatum) gefunden (Abb. 14). Ökologisch stellen die zwei Süßwassergastropoden wenige Ansprüche und sind daher auch weltweit verbreitet. Vertigo und Vallona kommen vor allem in nichtaquatischen Milieus vor. Eine genauere Artbestimmung konnte aufgrund zu geringer Fundmengen nicht vorgenommen werden. Ebenso ist Pisidium äußerst tolerant gegenüber diversen Umweltbedingungen. Bevorzugt werden von dieser Form permanente, flachere Gewässer eutropher Systeme.

Abb. 14: Mollusken der Barbarossahöhle: 1. Vallona sp., Umbilikal; 2. Vertigo sp., 3. - 4. Pisidium subtruncatum (3. linke Schale, 4. Vergrößerung des Scharniers)
5. Schlussfolgerungen
Die Höhlenlehme zeigen überwiegend eine typische feinkörnige Konsistenz fast ausschließlich aus Schlämmkorn kleiner < 0,063 mm, die sich in den Kornsummenkurven darstellt. Nur in Lokalität 4 lässt sich ein deutlich erhöhter Gehalt an gröber körnigen, vor allem sandigen Bestandteilen ermitteln, der sich in schräggeschichteten Lagen konzentriert. Der bei den anderen Lokalitäten festgestellte Anteil an Grobkorn besteht aus Anhydrit und Gips, entstammt also dem Nebengestein.
Nach der Form der Höhlenlehmvorkommen und ihrem internen Gefüge unterscheiden sich drei unterschiedliche Typen. Anschnitte von ehemaligen Zuflusskanälen sind durch eine gerade Basis und eine nach oben gewölbte Form charakterisiert (z.B. Lokalität 3). Hier könnte Wasser in die Höhle eingedrungen sein und mitgebrachtes Sediment plombiert den Zuflusskanal. Rissfüllungen (z.B. in den Aufschlüssen 5 und 7) sind ungeschichtet, schmal und keilen lateral aus. Sie sind an Risse im Nebengestein, ob als echte Klüfte oder lösungsbedingte Spalten kann nicht entschieden werden, gebunden. Einige ausgedehntere Vorkommen an Höhlenlehmen sind deutlich geschichtet. Hier schließen wir auf ein unterirdisches Gewässersystem mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten (Lokalität 1, 4, 6 und 8). Meist handelt es sich um eher niedrigenergetische Systeme vergleichbar den heutigen Seen in der Höhle. Nur in Lokalität 4 zeigen die schräggeschichteten groben Lagen einen zwischenzeitlich hochenergetischen Transport an. Eine Einordnung von Lokalität 2 in die genannten Typen kann aufgrund der geringen Größe bzw. Zugänglichkeit und der fehlenden Gefüge nicht vorgenommen werden.
Über das Entstehungsalter der Höhlenlehme und die Zeitlichkeit der Höhlenentstehung lassen sich nur wenige Aussagen treffen. Einige Ostrakodenformen sind bereits seit dem Oligozän, Miozän beziehungsweise dem Pliozän bekannt. Die meisten Formen kommen allerdings erst seit dem Pleistozän vor und sind auch noch rezent bekannt. Somit lässt der Fossilinhalt der Höhlenlehme direkt keine bessere Eingrenzung als Quartär zu. Auch die Kohlestückchen verheißen dazu wohl keine weiteren Erkenntnisse, da sie wahrscheinlich aus vormals auch oberirdisch anstehenden, der Höhle benachbarten Flözvorkommen der permokarbonen Molassefolgen stammen. Allerdings beschrieben FUHRMANN et al. (1990) aus dem Eem-Interglazial von Gröbern und Grabschütz Faunenvergesellschaftungen, die im Wesentlichen nun auch in den Höhlenlehmen gefunden wurden.
Im Folgenden sollen die vorgefundenen Ostrakodenformen in Hinblick auf ihre ökologischen Ansprüche analysiert werden. Es wurden 15 Gattungen gefunden: Ilyocypris dominiert, gefolgt von Candona und Pseudocandona. Alle anderen Formen sind selten. Die bestimmten Ostrakodengattungen und -arten besitzen durchaus unterschiedliche ökologische Ansprüche. Zu klären ist die Frage, ob die Formen alle in der Höhle selbst lebten oder auch eingeschwemmte Formen vorhanden sind.
Durchgeführte Messungen der heutigen Bedingungen in den Gewässern der Höhle zeigen ein Temperaturspektrum von 8,8 bis maximal 9,6 °C, sowie pH-Werte, die im Dezimalbereich um 6,7 schwanken. SPANGENBERG (1973) publizierte Messwerte zwischen 7,5 - 8,8 °C und damit niedrigere Temperaturwerte. Er bestätigte aber die nahezu neutralen pH-Bedingungen. Vegetation ist am Rande und in den Höhlengewässern nicht zu beobachten und auch nicht überliefert. SPANGENBERG (1973) beschrieb aus dem Umfeld der Höhle mehrere weitere Ostrakodenformen: Candona angusta, Candona husmanni, Candona vavrai, Cyclocypris ovum, Cyclocypris serena und Ilyodromus olivaceus. Im Höhlengewässer selbst fand er Candona sp.
In Bezug auf die Temperatur zeigen die meisten Arten eine weit reichende Toleranz, wobei die meisten Formen kältere Gewässer bevorzugen. Aber auch Temperaturanstiege werden für eine geringe Zeitspanne geduldet. Es gibt reine Süßwasserformen (Tonnacypris, Potamocypris) neben Formen, die in leicht brackischen Gewässern ihr Optimum besitzen (Cyprideis, Heterocypris, Sarscypridopsis). Die Gattung Ilyocypris lässt sich auch in leicht salzigen Habitaten finden. Einige Arten, wie Pseudocandona albicans, Cyclocypris laevis, Heterocypris salina, Cyprideis torosa und Sarscypridopsis aculeata, weisen eine größere Toleranz gegenüber dem Salzgehalt auf. Auch aus dem Eem-Interglazial von Grabschütz wird die Kombination von Heterocypris salina, Candona angulata und Cyprideis torosa als Indikator der Versalzung eines aquatisch-glazialen Systems herangezogen (FUHRMANN et al. 1990).
Cyprideis torosa, Heterocypris incongruens, Heterocypris salina sowie Pseudocandona marchica bevorzugen weitestgehend vegetationsarme Gewässer. Hingegen kommen Cypridopsis sp., Eucypris sp., Tonnacypris sp. und Prionocypris zenkeri fast ausschließlich in Gewässern mit einer üppigen Vegetation sowohl im Uferbereich als auch in größeren Wassertiefen vor. Die dominierende Art Ilyocypris bradyi toleriert beide Milieus. Pseudocandona marchica, Heterocypris incongruens und Heterocypris salina kommen allerdings eher in oberflächenunabhängigen Bereichen vor.
Die gefundene Faunenvergesellschaftung weist ein weit reichendes Spektrum in Bezug auf die Art der aquatischen Systeme auf. Der größte Teil, allen voran Ilyocypris tendiert zu niedrig energetischen, z.T. stagnierenden Gewässern. Eucypris sp. und Sarscypridopsis aculeata bevorzugen dagegen deutlich höher energetische, fluviatile Systeme. Dahingegen sind Cyclocypris laevis, Cyprideis torosa, Heterocypris incongruens und -salina sowie Tonnacypris sp. in Bezug auf die Wasserenergie des Systems anpassungsfähig. Auch bei Betrachtung der Wasserführung der aquatischen Systeme kann keine einheitliche Aussage getroffen werden. Allgemein tolerieren die meisten Formen sowohl temporäre als auch permanente Gewässer. Alle Arten tolerieren auch die durch das anhydritische Nebengestein verursachten erhöhten Gehalte an Ca-und SO4- Ionen im Wasser.
Wenn das heutige Gewässersystem ähnlich auch früher während der Bildungsphase der Höhlenlehme existiert hätte, müsste es überwiegend niedrigenergetisch, flach, ohne Vegetation und Lichteinstrahlung, limnisch bis gering brackisch und mit einem hohen Ca-Gehalt beschrieben werden. Ein großer Teil der beschriebenen Formen könnte also durchaus in der Höhle selbst beheimatet gewesen sein. Dies gilt vor allem für Heterocypris incongruens, Heterocypris salina, Candona neglecta, Sarscypridopsis aculeata sowie Pseudocandona marchica. Bei der dominierenden Ilyocypris bradyi kann die Besiedlung von Höhlengewässern nicht ausgeschlossen werden. Nur Cypridopsis sp., Eucypris sp., Tonnacypris sp. und Prionocypris zenkeri erscheinen problematisch, da sie zum Beispiel vegetationsreiche Standorte besiedeln. Sie scheinen also eher von außen zugeführt worden zu sein.
Die erstmalige Untersuchung der Höhlenlehme ergibt also neben sedimentologischen Aspekten auch paläontologische Hinweise auf ein Leben in der Höhle. Dass allerdings alle bestimmten Formen dort beheimatet waren, kann nicht gefolgert werden. Vielmehr gehen wir davon aus, dass variable Zuflüsse von außen Material und Organismen einschwemmten. Ein Rezentvergleich zur Beziehung Pfannspring – Höhle könnte helfen, zusätzliche Informationen zu gewinnen.
 

6. Dank
Prof. Dr. Steffen Mischke bestimmte die Ostrakoden und fertigte die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen an. Prof. Dr. H. Heinisch und Prof. Dr. M. Schudack diskutierten die Ergebnisse und gaben zahlreiche Anregungen. Die Mitarbeiter der Barbarossahöhle, Frau A. Schreyer und Herr H.-J. Fischer, unterstützten die Geländearbeit und die Durchführung der Arbeit nach Kräften. Frau E. Schnerch, Martin Luther-Universität Halle- Wittenberg, half mit Rat und Tat während der Laborarbeit.
 

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Anschrift der Autoren: B.Sc. Angewandte Geowissenschaften Anja Adler, anja.adler@student.uni-halle.de, und PD Dr. Dorothee Mertmann, dorothee.mertmann@geo.uni-halle.de, Fachgebiet Allgemeine Geologie, Institut für Geowissenschaften und Geographie, Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg, Von Seckendorff-Platz 3, 06120 Halle


Wir danken der Schriftleitung der Mitteilungen des Verbandes deutscher Höhlen- und Karstforscher für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag ebenfalls veröffentlichen zu dürfen. Weiterer Nachdruck oder Veröffentlichung bzw. Verbreitung in anderen elektronischen Medien nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung.

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