2. Südharz-Symposium 11.-13. September 1998 in Walkenried

 
Langfristhorizont einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung am Südharz -
Plädoyer für einen grundlegenden Umbau des Erschließungssystems

Vortrag von Dipl.-Ing. Dankwart August
 

Angesprochen wird die Eisenbahnstrecke zwischen Kohnstein und Bad Sachsa, eine besondere verkehrsspezifische Beeinträchtigung der Gipskarstlandschaft 1 am Südharz. Da aber Bezüge zum übergeordneten räumlichen Zusammenhang herzustellen sind, müssen Schlussfolgerungen für den gesamten Südharzrand zwischen Northeim und Sangerhausen gezogen werden. Wenn wir die Südharzstrecke von Nordhausen nach Northeim unter die Lupe nehmen, können wir die fragwürdige Expansion des Autoverkehrs nicht außen vor lassen. Samt der im Bau befindlichen Südharzautobahn. Nur ein Gesamtkonzept, eingebettet in verantwortbare ökologische Perspektiven, macht Sinn. Die Umsetzung eines solchen Konzeptes könnte unter der Devise "Sanfter Tourismus" zum Pilotprojekt für eine zeitgemäße Verkehrserschließung von Touristikzentren in Mittelgebirgsregionen werden.

Aber sind nicht mit dem angelaufenen Autobahnbau schon alle Messen zuungunsten umweltfreundlicher Verkehrsträger gesungen? Mein Beitrag setzt dem ein entschiedenes Nein entgegen. Zugegebenermaßen mutet das mitunter an wie ein verzweifelter Versuch, das scheinbar "Undenkbare" zu denken. Wie ein verzweifelter, aber lebensnotwendiger Versuch, die Eisenbahnerschließung des Harzes westlich von Nordhausen überhaupt zu retten. Denn auch hier droht das völlige Aus. Jüngste Informationen über die zu befürchtende Stillegung von 10000 Kilometern der DBAG bestätigen das. 2

Zweifel an den bisherigen Sanierungsvorschlägen angebracht

Anlass für zusätzliche Debatten liefert der instabile Untergrund des Gleiskörpers in der Nähe von Cleysingen und neun Kilometer weiter westlich am Sachsenstein bei Bad Sachsa 3. Die hiermit verbundenen bautechnischen Probleme führen bekanntlich seit Jahren zu unerwünschten Tempoverlusten und erheblichen Baukosten. Was besonders schwer wiegt: Wegen der gleichen geomorphologischen Situation der Gipskarstlandschaft vor Ort vermuten Gutachter außer den beiden bekannten Problempunkten noch weitere "setzungsgefährdete Abschnitte". Hinzu kommen Zweifel an einer Sanierung im engeren Sinn. Unterm Strich zeigt sich, daß die von Gutachtern der Deutschen Bahn AG vorgeschlagenen Maßnahmen zur Behebung der Mängel aus drei Gründen problematisch sind:

1. Sie werden teuer werden (am Sachsenstein ist von 50 und bei Cleysingen von 30 Millionen DM die Rede) und wegen vermuteter weiterer Gefahrenpunkte womöglich unermessliche Kosten verursachen

2. Sie erfordern fragwürdige Landschaftseingriffe (Betonverfüllungen von Hohlräumen im Karst, Zuschüttung von historisch und ökologisch unverzichtbaren Fließgewässern etc)

3. Sie stehen auf unsicherem analytischen Fundament.

Eigentlich drängt die Zeit. Die Bahn hat den Rang der Strecke schon heruntergestuft, obwohl das verkehrsgeographisch nicht plausibel ist. Schließlich geht es hier - wie einst stolz vermerkt wurde - um die kürzeste Verbindung zwischen Sachsen und Ruhrgebiet. Bei anhaltenden technischen Problemen ist sogar die Stillegung der Südharzstrecke zu befürchten. Werden vielleicht sogar gezielt technische "Sachzwänge" im Sinn einer Stillegungsstrategie erzeugt?

Visueller Reiz: Wechselspiel von Teichkaskaden und Gipswänden

Zum landschaftsökologischen Status quo ist ergänzend folgendes zu bemerken: Nicht zuletzt im Umfeld Walkenrieds führten Straßen- und Eisenbahnbau neben Gipsabbau und Zersiedelung in den zurückliegenden 150 Jahren zu inakzeptabler Landschaftszerstörung. Es geht nicht nur um die Gefährdung eines einzigartigen Ökosystems. Auf dem Spiel steht auch der visuelle Reiz, der sich aus dem spannungsreichen Wechselspiel von Teichkaskaden, großflächigen Riedflächen und 70 Meter hoch aufragenden Gipswänden vor dem Hintergrund des Harzpanoramas ergibt 4. Das im Zuge der Explosion des motorisierten Individualverkehrs stark belastete Straßennetz zerschnitt Feuchtbiotope und engte die Lebensräume ein. Charakteristisch ist Schwerlastverkehr, der mitten durch Wasseridylle und Naturschutzgebiete donnert.

Als Störfaktor spezieller Art erwies sich die Eisenbahn. Ausgerechnet dort, wo die herabstürzenden Gipsfelsen mit den Talauen von Zorge, Uffe und Wieda eine Art "Rinne" bilden, wo aus dem Gips quellendes Wasser in der Talebene Feuchtbiotope und Rinnsale verschiedener Art hervorruft, erzwangen die Altvorderen der Eisenbahn ihre Trasse. Die reizvolle Teichlandschaft zwischen Ellrich und Bad Sachsa erlitt dadurch die schlimmsten Schäden. Aus heutiger Sicht müssen vor allem dicke Fragezeichen hinter eine Bautechnologie gesetzt werden, die einen Eisenbahntunnel mitten durch die Himmelreichhöhle in Kauf nahm 5.

Fazit: eine Sanierung der genannten bautechnischen Problempunkte der Südhartzstrecke nach herkömmlichen Prinzipien stört das Ökosystem empfindlich und reicht doch für eine effektive Problemlösung nicht aus. Der enorme Kostenaufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzeffekt. Die Gefahr einer exorbitanten Geldverschwendung wäre nicht auszuschließen. Und - was mir besonders wichtig zu sein scheint für weitere Diskussionen - eine Modernisierung zur Erzielung höherer Geschwindigkeiten scheidet aufgrund der ökologischen Bedingungen aus. Es sollten deshalb durchaus mögliche Alternativen stärker zur Sprache kommen. Derartige Alternativen böten zugleich einmalige Chancen, die Verkehrserschließung am Südharz insgesamt nachhaltig zu optimieren, also aus der Not eine Tugend zu machen. Die zurückliegenden Debatten um die Südharzautobahn gingen hinsichtlich umweltgerechter Verkehrsträger sehr von der Erhaltung des unbefriedigenden Status quo aus und vernachlässigten die Option für deren drastische Attraktivitätssteigerung.

Langfristig ist ein völlig neues Erschließungssystem ratsam

Verlagerung auf der ÖPNV heißt langfristig grundlegender Umbau des schienengebundenen Verkehrssystems. Er muss in einer Dimension erfolgen, die die Ansprüche und Kapazitäten im Bereich des motorisierten Individualverkehrs kompensiert.. Die vorhandene DB-Schienentrasse zwischen den Stationen Bad Sachsa und Nordhausen belastet nicht nur das Karst-Ökosystem, sie wirft nicht nur ungelöste bahnbautechnologische Probleme auf, sie wird auch für potentielle Nutzer im Nahverkehr äußerst ungünstig geführt (zu weite Entfernung von den Besiedlungsschwerpunkten Bad Sachsas und Ellrichs).

Mit Blick auf diese Negativbilanz wird langfristig ein völlig neues Erschließungssystem für die Schiene vorgeschlagen. Im Rahmen dessen wird der Streckenabschnitt zumindestens zwischen Ellrich und Osterhagen für den DB-Verkehr aufgegeben und die beim Bahnbau im 19. Jahrhundert diskutierten Trassenvarianten wieder aufgegriffen. Das heißt:

(1) für den Fernverkehr auf der Südharzstrecke Nordhausen-Northeim wird die sogenannte Helme-Linie ausgebaut. Diese Trasse verläuft als geradlinige Spange zwischen Nordhausen und Osterhagen parallel zur Helme und zur B 243, umfährt also den bisherigen umwegigen Streckenabschnitt Ellrich - Bad Sachsa südlich und stößt erst in Osterhagen wieder auf die bisherige Bahntrasse 6. Faktisch würde die rund 30 Kilometer lange "schnelle" Helme-Linie (zumindestens Interregio-Standard) die direkte Verbindung Leipzig-Düsseldorf am Südharz entlang wieder nahe legen. Sie würde so als Alternativangebot zur B 243 und zur umstrittenen Südharzautobahn fungieren.

Daß eine ökologische Lösung nur durch Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs gewährleistet wäre, versteht sich von selbst. Das ist langfristig möglich bei gleichzeitigem Ausbau eines umwelterträglichen Alternativangebotes, das eine Verkehrsverlagerung auf ÖPNV, Fahrrad und Leihwagen unter Einbeziehung solarstromgetriebener Fahrzeuge zum Ziel hat. Nur durch derartige Verkehrsverlagerung wird auch der Befürchtung entgegengearbeitet, dass betroffene Harz-Touristikzentren wie Bad Lauterberg, Bad Sachsa und Walkenried infolge der verkehrsspezifischen Umweltbelastung ihr Prädikat Bad oder Kurort verlieren. Letztlich funktioniert ein solcher Ansatz ungeachtet eines auch noch so attraktiven technischen Angebotes allerdings nur durch gezieltes Verkehrsmanagement und durch zusätzliche preis- oder ordnungspolitische Hebel. Der Optimierung der Schnittstellen zwischen den genannten umweltfreundlichen Verkehrsträgern kommt dabei große Bedeutung zu.

Sie müsste über den Abzweig Herzberg/Osterode auch eine schnelle Bahnverbindung in Richtung Braunschweig gewährleisten, eine im motorisierten Individualverkehr äußerst relevante Route. Auf diese Weise eröffnet sich die Perspektive einer neuen überregionalen Bahnrelation in Nord-Süd-Richtung, nämlich von Erfurt über Braunschweig nach Lübeck. Damit können nicht zuletzt Verkehrsströme auf der A 7 / A 39 und auf der A 395 sowie auf der B 4 und B 81 durch die Schiene substituiert werden. Die Wiederentdeckung der genannten Fernverbindungen ist Voraussetzung und Stimulanz zugleich für die Renaissance eines zeitgemäßen, das heißt umweltgerechten Harztourismus (Stichwort: Sanfter Tourismus) 7.

(2) der Nahverkehr (Regionalbahn) zur Erschließung von Ellrich, Walkenried und Bad Sachsa wird ortsnah auf der sogenannten Aue-Linie (insgesamt ungefähr 13 Kilometer Neubaustrecke) abgewickelt. Ihre Installierung in Ergänzung zur Helme-Linie ist unabdingbar, soll eine dem Angebot des Straßenverkehrs gleichwertige Erschließungsleistung erreicht werden. In West-Ost-Richtung beginnt sie am Knotenpunkt Herzberg und zweigt östlich von Osterhagen von der bisherigen Trasse sowie von der künftigen Helme-Linie ab. Bad Sachsa durchquert sie in relativer Nähe zum Stadtzentrum und berührt Walkenried nördlich. Der Verlauf entlang der L 604 würde die Walkenrieder Teichlandschaft weniger belasten als die heutige Trasse.

Vom westlichen Ellricher Ortsrand aus werden zwei Planungsvarianten vorgeschlagen. Variante 1 würde nördlich von Niedersachswerfen in eine Parallele zur Harzquerbahn einbiegen. Für diese Variante wären 20 Kilometer Strecke neu zu bauen. Sie ließe eine bessere Integrierung der Harzquerbahn in das gesamte Nahverkehrssystem zu. In Niedersachswerfen könnte unmittelbar umgestiegen werden. Ilfeld und alle weiter nördlich gelegenen Harzorte rückten enger an die schienengebundene Erschließung der niedersächsichen Klein-Agglomeration Bad Sachsa / Bad Lauterberg / Herzberg heran. Das würde nicht nur das Angebot über die Schiene insgesamt als Alternative zum Straßenverkehr stärker gewichten. Eine solche Querverbindung eröffnete auch neue Perspektiven für die Besiedlungs- und Tourismusentwicklung der strukturschwachen Südharzregion.

Variante 2 mündet in die Trasse der ehemaligen Kleinbahn Ellrich-Zorge (oder verläuft noch ortsnäher) und erreicht am Ellricher Bahnhof die ursprüngliche Trasse in Richtung Niedersachswerfen wieder. Ihr Nachteil: falls der neuralgische Punkt Cleysingen nicht durch leichtes Ausschwenken umfahren werden könnte, müsste hier doch die bisher beabsichtigte konventionelle Sanierung erfolgen.

Unter Berücksichtigung der skizzierten Erschließungskriterien sollte eine noch umfassendere Netzerweiterung geprüft werden, beispielsweise durch eine neue Nahverkehrsverbindung von Niedersachswerfen-Nord (Knotenpunkt zwischen Harzquerbahn und der aus Ellrich kommenden Variante 2) über Neustadt und Rottleberode nach Stolberg 8. Übrigens auch diese Perspektive spricht für Variante 2. In die Prüfung der Netzerweiterung ist ebenfalls die Reaktivierung der Kleinbahnen im Harz einzubeziehen, die seit den 60er Jahren überwiegend in der Alt-BRD stillgelegt und demontiert wurden. Aus heutiger Sicht war diese Liquidierung von Schienenverkehr absurd.

(3) es ist zu erwägen, die bisherige Bahntrasse zwischen Ellrich und Bad Sachsa teilweise für eine touristische Erschließung der Karstlandschaft umzufunktionieren. Vorrang hätte aber zunächst die Rekonstruktion zerstörter Feuchtbiotope (Teiche). In Frage käme das Pendeln kleiner elektrisch betriebener Schienenfahrzeuge (Geschwindigkeit von allenfalls 20 km/h). Auf diese Weise könnte beispielsweise die Himmelreichhöhle für Besucher erfahrbar gemacht werden. Zum Erleben der Karst- und Teichlandschaft liegt außerdem der Einsatz von Draisinen nahe.

Moderne Straßenbahntechnik für den öffentlichen Nahverkehr

Für den Südharz insgesamt ist ein einheitliches schienengebundenes Nahverkehrssystem neben dem Fernverkehr anzustreben, und zwar auf technisch hohem Niveau, das heißt mit leistungsstarken, elektrisch betriebenen und häufig verkehrenden Fahrzeugen. Zu erwägen wäre der Einsatz moderner Straßenbahntechnik (sogenannte Stadtbahnwagen in der Tradition der "Überland-Straßenbahn"), die engere Radien und größere Steigungen als die traditionelle Eisenbahn ermöglicht und überdies meistens auch billiger ist. Würde ein solcher schienengebundener Nahverkehr als Schmalspurbahn ausgelegt, könnte er - was von großem Vorteil wäre - problemlos in die Netze von Harzquerbahn und Nordhäuser Straßenbahn übergehen 9. Verbunden werden müsste diese moderne Erschließungstechnik mit einem neuen Typus der Haltpunkte, der Abschied nimmt vom Erscheinungsbild herkömmlicher Bahnhöfe.

Mit dem Konzept soll an- und durchreisenden Autofahrern einerseits die reale Möglichkeit angeboten werden, auf die Benutzung des eigenen Pkw generell verzichten zu können. Andererseits sollen Bedingungen eintreten, die es letztlich doch per Kraftfahrzeug Ankommenden (nicht zuletzt Harz-Touristen an Wochenenden) nahe legen, bei Ortsveränderungen im Binnenverkehr der Südharzregion generell auf das umweltentlastende Verkehrssystem vor Ort umzusteigen.

Die Fernverkehrsstraßen einschließlich der A 82 (neu A 38) müssen gewissermaßen als temporäre Puffer für das nicht von heute auf morgen abzusenkende MIV-Aufkommen verstanden werden. Erst in dem Maße, in dem das alternative Verkehrssystem greift, würde die Auslastung von Fernstraßen zurückgehen. Das wäre schon ein erster Erfolg. Im Zuge dessen könnte der Durchgangsverkehr auf Trassen mit unverträglicher Belastung (wie etwa in den engen idyllischen Harztälern von Berga über Stolberg nach Hasselfelde oder von Walkenried und Ellrich über Zorge nach Hohegeiß) ganz unterbunden werden. In einer späteren Phase wäre zu prüfen, inwieweit der faktische MIV-Rückgang auch einen Rückbau einzelner Straßenabschnitte ermöglicht.

Nachhaltige Entwicklung: Effizienz setzt Vernetzung aller Aktivitäten voraus

Das hier vorgeschlagene alternative Verkehrssystem wird um so größere Effizienz erreichen, je bewusster die ökonomischen, kulturellen und sozialen Aktivitäten am Südharzrand miteinander vernetzt werden. Es geht darum, die Interdependenzen zwischen Verkehr und Besiedlung positiv zu wenden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die kommunalpolitischen Akteure in den Besiedlungsstandorten zwischen Osterode/Herzberg und Sangerhausen nicht als Konkurrenten begreifen sondern - quasi wie in einem gemeinsamen Unternehmen - arbeitsteilig vorgehen. Das betrifft nicht zuletzt den Tourismus. Das zielt aber auch darauf, in den Regionalen Raumordnungsprogrammen die Besiedlungsschwerpunkte noch stringenter in der Nähe des schienengebundenen öffentlichen Nahverkehrs vorzusehen. Umgekehrt werden sich Chancen für die Entfaltung von Vitalität in bisher kaum geahntem Umfang erhöhen, wenn das neue Verkehrskonzept wirklich greift.

Der politische Wille der Länder Thüringen, Sachsen Anhalt und Niedersachsen sowie der zuständigen Landkreise, das vorgeschlagene Projekt umzusetzen, kann aus der Möglichkeit resultieren, eine zukunftsfähige Demonstrationsanlage zur Bewältigung der Transportaufgaben in Tourismusregionen vorzuführen. Die Initialzündung eines regionalen Pilotprojektes muss auch Bundesinstanzen angesichts des Vorwurfes, eher High-tech-Projekte a la Transrapid oder den motorisierten Individualverkehr zu favorisieren, interessieren. Durch den länderübergreifenden Ansatz zu beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorhanges ist hiermit auf regionaler Ebene eine wirksame Ergänzung des Projektkorbes "Deutsche Einheit" denkbar.
 

1 Vgl. M. Brust, F. Knolle und M. Kupetz: Interdisziplinäre Aspekte eines potentiellen Naturschutzgroßprojektes Zechsteinlandschaft Südharz/Kyffhäuser, in: Veröffentlichungen des Naturkundmuseums Erfurt (1991), S. 88 ff Vgl. auch Firouz Vladi: Ergebnisse und Positionen der Tagung "Schutz, Pflege und Entwicklung der Karstlandschaft im Südharz", in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1992, Heft 6, S. 40 ff

2 Vgl. Berliner Zeitung vom 27.2.1997, S. 11

3 Die Instabilität führt immer wieder zu gefährlichen Absenkungen der Gleise, die ihrerseits seit Jahrzehnten ständig neu "unterfüttert" werden müssen. Und im Endeffekt konnten die Absenkungen nicht gestoppt werden. Am Sachsenstein summierten sich die Absenkungen seit bestehen der Bahnstrecke inzwischen auf 10 Meter. Jüngste Einbrüche im Bahndamm führten hier im Juni 1997 erneut zur vorübergehenden Unterbrechung des Bahnverkehrs.

4 Auch 18 Kilometer weiter flußabwärts gibt ein Blick auf die historischen Karten, die Nordhausen und seine Umgebung im Mittelalter sowie in den Jahren 1703, 1834, und 1849 widerspiegeln, Aufschluß über gravierende Veränderungen der Topographie. Im Vergleich zur heutigen Situation zeigt sich, daß der ästhetische Wert der bizarren Zorgelandschaft in Korrespondenz mit der deutlich höher gelegenen mittelalterlichen Stadt weitgehend zerstört wurde. Die schmerzliche Deformation verursachten nicht erst das anglo-amerikanische Bombeninferno im April sondern bereits 100 Jahre früher der Straßen- und Eisenbahnbau im Bereich der Flußniederung und im Gefolge dessen Industrialisierung und durchgesetzte Stadterweiterungen.

5 Veröffentlichungen zur lokalen Eisenbahngeschichte belegen, daß nicht etwa technologische Sachzwänge eine derartig problematische Trassenführung durch die ungewöhnliche Karstbildung der Himmelreichhöhle verursachten sondern politische Entscheidungen, die aus den Interessen privater Grundeigentümer resultierten.

6 Die heute noch erkennbaren Bahndammbauten an der Helme-Linie sind Relikte des Projektes "Helmetalbahn", das die Nazimachthaber 1944 anordneten. Ziel war es, den bisherigen Streckenabschnitt zwischen Nordhausen und Ellrich weitgehend den Transportanforderungen der faschistischen Rüstungsindustrie im Kohnstein (V-2-Kaketenproduktion und Junkers Flugzeugbau) vorzubehalten und den regulären Personenverkehr auf die "Helmetalbahn" unzuleiten. Vgl. Paul Lauerwald: Die Rolle der Eisenbahn bei der Rüstungsproduktion im Konzentrationslager Mittelbau-Dora bei Nordhausen, in: "Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen", Heft 19 (1994), S. 36 ff

7 Für die An- und Abreise mit umweltverträglichen Transportmitteln ist ein gesondertes Konzept im überregionalen Maßstab notwendig, das im Rahmen dieses Beitrages nicht ausgebreitet werden kann.

8 Die 60 km lange Harzquerbahn ist das Kernstück der 132 km umfassenden Harzer Schmalspurbahnen mit dem europaweit größten Schmalspurnetz.

9 Ungeachtet der Antriebsart und der Spurbreite wäre beispielsweise auch der Einsatz des "Regio-Shuttle" mit dem Eindruck eines Stadtbahnwagens in Niederflurbauweise vorstellbar. Dieser neue Fahrzeugtyp wird als einteiliger Triebwagen RS-1, als Doppeltriebwagen RS-2 sowie künftig auch als dreiteiliger RS-3 angeboten (vgl. Daniel Riechers: "Regio-Shuttle. Eine neue Dimension im Nahverkehr", in: Verkehr und Technik 1997, H.2, S. 43 ff)


 
 
 
Wechselspiel von Gipskarstaufschlüssen, Teichkaskaden und Riedflächen am Südharz, hier Teichagglomeration in Walkenried (im Vordergrund der Priorteich, dahinter – durch Wald weitgehend verdeckt – Affenteich, Eckteich und Hirseteich, im Mittelgrund Brunsteich, Sackteich, Andreasteich, Höllteich und Röseteich). Der Bau der Eisenbahnlinie Nordhausen – Northeim zerschnitt die Palette der Teichkaskaden und führte zur Liquidierung weiterer Teiche.
Foto: Dr. Andreas Helbing
Alle folgenden Fotos: D. August
Stehende Gewässer direkt unterhalb der Sachsensteinklippen (Vordergrund) in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bahnlinie Nordhausen - Northeim.
Im Hintergrund Südharzpanorama und Bad Sachsa.
 
Direkt durch den Sachsenstein wurde die Trasse für die Eisenbahn gesprengt. Der Untergrund ist infolge des Gipskarstes äußerst instabil. Vorhandene Hohlräume werden von dem benachbarten Gewässer unterspült.
Es wurden Absenkungen von 12 cm pro Jahr registriert, die sich insgesamt seit Bestehen der Strecke auf zehn Meter summieren. Mit ständigen "Unterfütterungen" des Bahndammes konnte die Instabilität faktisch nicht beseitigt werden.
 
Südharzstrecke in Cleysingen östlich von Ellrich.
Im Hintergrund Ellricher Klippen. Eine ähnlich instabile Situation wie am Sachsenstein. Der Regionalexpress passiert das sumpfige Gebiet (Untergrund Gipskarst) im Schrittempo.
 
Kümmerlicher Rest des durch den Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert zerstörten Wolleteiches in Walkenried. Das von Zisterzienser-Mönchen im 12. Jahrhundert aufgestaute Gewässer lag direkt vor dem Gebäudekomplex des Klosters Walkenried.
Mit seiner Beseitigung wurde auch die Authentizität der bauhistorisch wichtigen Klosteranlage drastisch beeinträchtigt.
 
Blick vom Röseberg (bevorzugter Bereich des Gipsabbaus) auf die 60 Meter tiefer liegenden Walkenrieder Zisterzienser-Teiche. Die heutige Eisenbahntrasse schneidet das gegenüberliegende Teichufer an. Im Hintergrund der Harz.
 
Westlicher Tunnelmund des Eisenbahntunnels, der die Himmelreichhöhle (Gipskarst) durchstößt. Die durch hohe Geschwindigkeiten verursachten Erschütterungen wären dem relativ dünnen Gebirgsschicht über dem Tunnel auf Dauer abträglich.

Vorschlag für ein alternatives Verkehrskonzept, das auf ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit am Südharz zielt.
Die Bahnerschließung wird danach in zwei Trassen gesplittet: Der schnelle Fernverkehr läuft über die sogenannte Helmelinie entlang der B 243.
Er ermöglicht so neue attraktive Verbindungen zwischen Leipzig und Düsseldorf einerseits sowie zwischen Erfurt und Lübeck andererseits.
Der Nahverkehr erfolgt zwischen Bad Sachsa und Nordhausen beziehungsweise Stolberg ortsnah unter Einsatz moderner Straßenbahntechnologie.
Die Umsetzung des den schienengebundenen öffentlichen Verkehr favorisierenden Entwurfes sollte zumindest langfristig angestrebt werden.

 

Ortsnahe Bahn-Anbindung in dem ökologisch hoch sensiblen Bereich zwischen Bad Sachsa und Ellrich.
Die neue Trasse (Aue-Linie) meidet die durch instabilen Gipskarstuntergrund verursachten
Problemstellen Sachsenstein und Cleysingen. Ihr Verlauf ermöglicht zugleich einen behutsamen
Umgang mit der Walkenrieder Teichlandschaft (beispielsweise die Rekonstruktion
baugeschichtlich wichtiger Teiche) und mit der Himmelreichhöhle.
 

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