„Befestigungsanlagen im und am Harz von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit“ 48. Berga, Burgwall (ehem. Reichshof). Berga, Kr. Sangerhausen, Bez. Halle (Merseburg). Name: Hällisches Schloß, Lindenberg, Ratzelburg. Meßtischblatt: 2600/4532 Kelbra; W 0,4; N 17,4. Allgemeine Lage: Südlicher Vorharz, Mündung des Tyratales in die Goldene Aue (Helmegau). Örtliche Lage: 175 m NN auf mäßig hohem Geländespom, der den Eckpfeiler zwischen Tyraniederung und Goldener Aue (Helme) bildet mit Steilabfall nordöstlich zum rechten Tyraufer und flacherer Abdachung südlich zur Aue, unmittelbar über dem Nordende des Dorfes Berga. Baugrund: Diluvialer Harzschotter über Unterem Buntsandstein. Baumaterial: Friedhofsmauer Rotsandstein. Beschreibung: Zwei Burgteile zu unterscheiden: Südöstlich mit altem Friedhof und der Dorfkirche als Kern die „Ratzelburg“ mit mittelalterlicher Friedhofsmauer (Schießscharten), westlich davor Graben, an der Südwestecke des alten Friedhofes Reste eines abgetragenen Hügels, des „Lindenberges“. Nordwestlich das „Hällische Schloß“, Rechteckanlage, jetzt eingenommen vom neuen Friedhof. Westrand des Friedhofes auf geradlinigem Wall, der sich südlich fortsetzt und undeutlich verläuft, westlich flacher Vorgraben (Grimm). Zwei Erdaufwürfe deutet Meyer als ehem. Türme. Nach Grimm ist die Ratzelburg als Hauptburg, das Hällische Schloß als Vorburg zu deuten. Geschichte: Vielleicht vorfrühgeschichtlicher Ursprung (Lindenberg). Höfer deutet „Ratzelburg“ als Burg des Grafen Hadrad, dessen Besitz 786 von Karl d. Großen eingezogen wurde. Die Rechteckanlage des „Hällischen Schlosses“ möglicherweise karolingisch. 985 „curtis Berge“ (Reichshof) durch Schenkung an Stift Quedlinburg. Im hohen Mittelalter Sitz zweier Archidiakonate. Kirche St. Peter und Paul an alter Stelle durch neugotischen Bau ersetzt. Funde: Im „Lindenberg“ Urnenscherben und geröstetes Getreide. Undatiert, Verbleib unbekannt. Lit. u. Abb.: MG DO III Nr.7; B.u.KDm. Prov. Sachsen V S.13; Grimm, 1958 Nr. 549 Abb.12g Gr.,15K.; Grimm, 1961 S.33, Abb. 7Gr.; Grimm,1930 S. 125 u.K.; Götze-Höfer-Zschiesche, 1909 S.134 u. K.; Höfer, ZHV 40 1907 S.160; Meyer/Rackwitz, Der Helmegau, 1888 S. 85 f. u. Gr. auf Kartenbeilage; Schmidt, Frühgesch. u. mittelalterliche Dorfbefestigungen im Kr. Sangerhausen, Mitt. Ver. Gesch. Naturk. Sangerhausen 8 1912 S. 59 u. Mitt. Ver. Gesch. Naturk. Sangerhausen 8 1912 S.124; Silberborth, 1940 S. 58, 59f., 81, 88,123. Der oben zitierte Inhalt von Meyer/Rackwitz: In dem ältesten Teile des Dorfes Berga (zwischen Chaussee, Mühlgraben, Kirche und noch sichtbarem Dorfgraben) liegt auf dem höchsten Punkt desselben, auf der R a t z e l b u r g, die Peter und Paul geweihte, stark befestigte Kirche; sie ist von einer Steinmauer in doppelter Manneshöhe umgeben, welche reichlich mit Schießscharten versehen ist. Zwischen Mauer und Kirche liegt der Kirchhof, der nach Ost und Nordost steil abfällt; der Abhang im Nordosten wird vom Mühlgraben bespült und heißt „der Hain”. 1396 schenken Graf Ulrich und sein Sohn Heinrich von Honstein dem Kloster Kelbra Zinsen von einer Mühle zu Berga, „vor dem Hain” gelegen; daraus folgt keineswegs, daß „Hain” eine Ortschaft gewesen. Südlich der Kirche, dicht neben der Mauer auf dem Flecke, welcher jetzt der „Lindenhof” benannt wird, stand früher ein großer, künstlich aufgeworfener Hügel und auf demselben eine uralte Linde mit einem Steinkreuz davor. Der Berg, auf dem die Kirche steht, mit seiner nächsten Umgebung wird vom Volk die „Ratzelburg” genannt. Zu dieser nächsten Umgebung gehört eine mächtig angelegte Befestigung. Geht man nämlich an der Westmauer des Kirchhofs den sogenannten Totenweg nach Norden hin, so überschreitet man den Dorfgraben, der die Westseite des Dorfes entlang sich hinzog und jetzt an der Stelle ausgefüllt ist, wo er die Kirchhofsmauer beinahe berührt; er führte früher noch ein Stück weiter bis an den neuen Kirchhof hin und der östliche Teil des letzteren ist in einer Breite von 10 Metern nichts anderes als ausgefüllter Dorfgraben. Der ganze neue Kirchhof überhaupt scheint die Stelle eines alten Kastells einzunehmen, welches an seiner Ostseite, wie eben erwähnt, die Fortsetzung des tiefen Dorfgrabens hatte, davor einen Wall von 10 Meter Breite, der in zwei Absätzen schroff nach der Tyra und dem daran liegenden Hain abfiel. Der jetzige neue Kirchhof ist 80 Meter lang und 50 Meter breit; bei der Planierung desselben stieß man auf Reste alten Gemäuers, und die Alten erzählen noch heute, es habe daselbst das „Hällische Schloß” gestanden (die Francke'schen Stiftungen zu Halle a. S. haben noch heute in Berga Besitz); gleichviel, was für ein „Schloß” dort gestanden, es muß außerordentlich fest gewesen sein, denn an der Nordseite, dicht hinter der jetzigen Kirchhofsmauer, fällt die offenbar künstlich abgeschrägte Berglehne (Meßberg) steil nach der Tyra herab. Die Westmauer des Kirchhofs führt ein Weg entlang (Fußweg nach Bösenrode), auf welchem noch die Steine einer alten Grundmauer sichtbar sind; am nördlichen Ende derselben, d. h. an der jetzigen Nordwestecke des Kirchhofs hat ein Turm gestanden, dessen Füllmund man ausgegraben und zum Bauen verwendet hat; die entstandene Vertiefung ist wieder ausgefüllt und in Acker verwandelt. Das südliche Ende der alten Mauer, welche jetzt zum Teil als Weg benutzt wird, fiel nicht zusammen mit der Südwestecke des Kirchhofs, sondern führte über dieselbe noch etwa 30 Meter in gerader Linie hinaus bis zu einer noch jetzt sichtbaren Erhöhung, welche „Nelkenberg” genannt wird. Diese Erhöhung ist jetzt ebenfalls Ackerland; beim Graben fand man dort wieder die Reste eines alten Turmes. So war also die Westseite des alten Kastells in gleicher Weise, wie die Nordseite 80 Meter lang, aber noch flankiert von 2 Türmen. Vor dieser Mauer befand sich ein Graben, die Vertiefung ist noch zu sehen. Vom Nelkenberge aus führt nun in der Richtung nach Ost diese alte Grabenvertiefung weiter, bis sie auf den alten Dorfgraben stößt; hinter diesem Wallgraben wird wahrscheinlich früher die Südmauer des alten Kastells gestanden haben. Nimmt man nun alle diese Thatsachen, die man vor Augen hat, zusammen, so ist zu vermuten, daß sich hier eine Befestigung (gleichviel ob bewohnt oder nicht bewohnt, gleichviel ob vorgeschichtliche Verwallung oder frühmittelalterliche Verteidigungsanlage) befand, die ein Quadrat bildete von 80 Meter Breite und Länge. Dieselbe war nach Osten und Norden durch Mauer und steilen Abfall nach der Tyra zu geschützt; nach Westen durch Mauer, flankiert von 2 Türmen, davor Wall und Graben; nach Süden durch Mauer, Wall und Graben; ob an der Südostecke ein Turm gestanden, ist nicht mehr festzustellen, aber wahrscheinlich; diese Südostecke stieß beinahe auf die Nordwestecke des befestigten Kirchhofs, wahrscheinlich führte ein Graben zwischen beiden hindurch nach dem Hain hinunter; er ist jetzt ausgefüllt und Fußsteig. Die Zeichnung auf dem Kartenrand wird das Ganze anschaulicher machen. |