Der Burgenforscher Dr. Ing. Friedrich Stolberg schrieb 1968 in seinem Buch „Befestigungsanlagen im und am Harz von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit“
332. Pipinsburg, Burgwall und Burgreste. Lasfelde, Kr. Osterode, Bez. Hildesheim. Name: Pipinsburg. Meßtischblatt: 2376/4227 Osterode a. Harz; S 17,1-19,7; W 13,0-14,0. Allgemeine Lage: Südharzvorland, Zechsteingürtel (Liesgau). Örtliche Lage: 225-175 m NN auf einer aus den „Osteröder Kalkbergen“ vorspringenden, nach Norden zum linken südlichen Ufer der Söse über Felsen jäh abfallender Bergnase (Söse 185 NN), die nach Süden flach ins Gelände übergeht, unmittelbar südwestlich Lasfelde. Baugrund: Älterer Zechsteingips. Baumaterial: Für die Wälle anstehender Schüttboden. Trockenmauern, Wallkerne, mittelalterliche Burg: Plattendolomit, Buntsandstein, teilweise Gipsmörtel. Beschreibung: Ungewöhnlich großartige, im Ursprung vorfrühgeschichtliche Burgwall-Anlage, im Mittelalter nur noch z. T. verwandt. Gesamtausdehnung Nord-Süd 530 m, Ost-West 300 m, bei 50 m Höhenunterschied der Einzelabschnitte. Das gesamte Burggelände gliedert sich in die nach Norden vorspringende Bergnase, die mit über 100 m abbrechender Felswand zur Söse abfällt und im Norden und Osten von dieser umflossen wird. Die Begrenzung nach Westen bildet ein schluchtartiges Tal, der „Burggrund“. Im Burggrund hinan läuft ein alter, tiefer Hohlweg, der vielleicht in seinen Anfängen vorfrühgeschichtlichen Ursprungs ist und als Zugang zum Wasser der Söse von außerordentlicher Bedeutung war. Er tritt am Wall 2 (vgl. unten) in den Burgbering ein. Dieser verläuft vom Sösegrund (185 m NN) in S-Bogen nach oben und erreicht das flache Vorfeld bei 255 m NN. In seiner Mitte entsendet er nach Osten, in das Massiv der Bergnase hinein, eine breite, aus dem Grund zur Burghöhe ansteigende Mulde. Auf diesem so von Natur vorgezeichneten Leitgerüst ist die gesamte Anlage der Pipinsburg entwickelt. Umfang etwa 7 Hektar. Als erster Abschluß südlich gegen das flach abfallende Vorfeld der erste Wall, ca. 200 m lang erhalten, mit Einfahrt (alt?) in seiner Mitte. Der Wall knickt etwas nach Westen um und ist in diesem Abschnitt stark verwischt, er endet in einer Gipsdoline am Burggrund. Wie die Spuren zeigen, war der gesamte Wall von einem breiten Vorgraben begleitet. Er reichte vom Burggrund nach Osten bis über den zur Söse abfallenden Hang der Kalkberge, wo er heute unvermittelt endet. Als zweiter Querriegel folgt auf den ersten Wall ein zweiter im Abstand von ca. 100-140 m. Er beginnt im Osten über einer natürlichen Senke, streicht in flachem S-Bogen ca. 220 m nach Nordwesten, durchquert den Burggrund mit dem Burgweg, um am Gegenhang wieder hinanzuziehen. Er läßt sich hier auf ca. 50 m Länge verfolgen und verliert sich dort im abgeböschten Hang. Begleitet wird der ganze Wall wieder von einem breiten Vorgraben. Ihm zugehörig erscheint im nordwestlichen Hang des Burggrundes eine künstlich geebnete, gegen Nordosten steil angeböschte Terrasse, von der aus eine seichte Grabenspur (oder Hohlweg?) in den Burggrund hinableitet. Der zweite Wall hat im Ganzen den Charakter einer Talsperre. Von seinem Ostpunkt aus, oberhalb der als flacher Sattel erscheinenden Senke, zeigt sich der Wall rechtwinklig umknickend als Abböschung fort und schließt dort am höchsten Teil der Gesamtanlage, der „Hochburg“, an, die hier als dritter Wallring erscheint, das Ganze überhöhend. Die „Hochburg“ umschließt ein Gelände von ca. 50X100 m in Rechteckform mit gerundeten Seiten, ihre Oberfläche ist außerordentlich stark bewegt, anscheinend teils durch Menschenhand, teils durch Verwitterung des Gipsgrundes, ihre gesamte Osthälfte ist leider durch Steinbruchbetrieb vollkommen vernichtet, so daß ein Ursprungsbild nicht mehr gewonnen werden kann. Die Ostseite fiel über Felswände jäh ab, nach Südwest und Nordwest bildet eine künstliche, in Bogen verlaufende Abböschung die Begrenzung. Hier schließt der obengenannte zweite Wall an, außerdem entsendet die „Hochburg“ nach Westen einen Querwall. Derselbe verläuft am oberen Rand der zum Burggrund abfallenden großen Mulde, buchtet sich in seiner Mitte als kleine Bastion aus und schließt dann an den Wall des zweiten Riegels an, ehe derselbe in den Burggrund hinabquert. Auf diese Weise entsteht eine ca. 70X120 m messende Vorburg, die sich nordwestlich vor die Hochburg legt und die Außenburg (erster Abschluß, vgl. oben) beherrscht. Walldurchbrüche im Südwesten und Nordosten markieren die alten Torstellen. Bedingt durch die große zum Burggrund absinkende Mulde im Westen und durch die Felswände im Osten schnürt sich, wie auch aus dem Grundriß ersichtlich, das gesamte System der Pipinsburg an der Hochburg eng zusammen, um dann erst wieder nördlich derselben zu stattlicher Breite auszustrahlen. Hier beginnt die Hauptburg, die eigentliche Siedlungsstätte, gedeckt im Osten und Nordosten durch die Felswände, nach Südwest und West aber, zu Burggrund und Mulde, geschirmt durch einen ca. 300 m langen Wall. Derselbe beginnt am Nordwestpunkt der Hochburg, wo ein tiefer Toreinschnitt den alten Zugang markiert. Ausdehnung der Hauptburg ca. 130X250 m, das Gelände derselben modelliert durch einen flachen Bergrücken und eingetiefte Dolinen („Mardellen“ Schuchhardts). Ein Südwest-Nordost verlaufendes kurzes Wallstück, isoliert in der Burgfläche, ist vielleicht unvollendet. Als letzter, selbständiger Abschnitt der Pipinsburg ist aus dem nördlichen Teil der Hauptburg eine kleine „Zitadelle“ herausgeschnitten, bestehend aus einem unregelmäßig gerundeten Burgplatz, der nordwestlich, westlich, südlich von einem tiefen Spitzgraben mit Vorwall umfriedet ist, nach Nordosten zwei schräge Terrassen besitzt, unter denen die Felswand unvermittelt um ca. 120 m in die Tiefe zum Sösegrund abbricht. Gesamtausdehnung der „Zitadelle“ ca. 50X60 m. Sie darf als die urkundlich bezeugte mittelalterliche Burgstätte (1134, 1136) angesprochen werden. Analyse der obigen Topographie der Gesamtanlage gibt die von Dr. Martin Claus 1953 bis 1960 durchgeführte, großzügige Reihe systematischer Ausgrabungen. Die vorgenommenen Schnitte ergaben, besonders für den Wall der Hauptburg, einen Wallkern aus geschichtetem Plattendolomit und Buntsandstein, also ortsfremden Materials. Die Schnitte weisen auf verschiedene Bau- bzw. Siedelungsperioden hin. Die überaus zahlreichen Bronze-, Eisen- und Keramikfunde umfassen Zeitspannen vom Früh-La-Tène bis zum Mittelalter, die auch das Gesicht der Wälle und Burganschnitte geprägt haben. Vgl. unten „Geschichte“ und „Funde“. Geschichte: In ihrer Gesamtheit vorfrühgeschichtliche Anlage, den Fundstücken nach ausgehende Bronzezeit (Hallstatt) bis Früh-La-Tène. Sie muß besondere Bedeutung besessen haben und scheint eine „Akropolis“ dargestellt zu haben. Befund der Ausgrabungen nach Zerstörung bei einer Katastrophe (vgl. M. Claus). Trotzdem spätere Benutzung oder Teilbenutzung bis in das Mittelalter, zuletzt konzentriert auf die „Zitadelle“, die in ihrer heutigen Gestalt als mittelalterlicher Burgstall anzusprechen ist. Besitz der Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen. 1134 als Kastellan auf der Burg der Ritter Werner v. Berkefeld, gleichzeitig Kastellan der nahen Burg Windhausen. 1136 Zerstörung in der Fehde Herzogs Albrecht I. v. Grubenhagen gegen Mainz und Thüringen. Funde: Vgl. Literatur und Berichte von M. Claus. Fundmaterial über Erwartung reichhaltig und vielgestaltig (M. Claus): Bronze- Tüllenmeißel, Pfeilspitzen aus Bronzeblech, Bronzearmringe (Steigbügelform), Bronzenadeln vielgestaltiger Form (Scheibenkopf, Kleeblattschleifen als Charakteristikum der „Osteröder“ Nadeln), Bronzefibeln eingliedrig oder mit um Bügel geschlungener Sehne, zweigliedrige Bronzefibel mit eiserner Spiralachse, ein Sapropelitring, Bronzezierknopf, Bronze-Gürtelschnalle, verziert. Im einzelnen vgl. Berichte M. Claus. Keramik: Ausbeute außergewöhnlich groß. Keramik überwiegend aus freier Hand gearbeitet, nur gelegentlich Scherben von Drehscheibengefäßen. Im einzelnen (M. Claus): Zu unterscheiden Gefäße mit glatter Wandung und gerauhter Oberfläche (Tonschlick). Bei den gerauhten Gefäßen konische Näpfe, große, weitmundige Vorratsgefäße, konisches Gefäß mit 5 Henkeln und eingekerbtem Zierband. Glatte Keramik: Schalen, Schüsseln, Näpfe mit eingebogenem Rand, Terrine mit schwach gewölbtem Unterteil, kleiner weitmundiger Topf mit straff einziehendem Unterteil, scharfem Umbruch, hohem steilen Hals, scharf ausladendem Rand vertritt eine ebenfalls häufig auftretende Gefäßform. Des weiteren, stets in den unteren Schichten vertreten, eine doppelkonische Gefäßform (Schüsseln) mit scharf profilierten Konturen, andere mit hohem zylindrischen Hals. Als vorläufiges Einzelstück eine kugeligbauchige Gefäßform. Drehscheibenkeramik noch gering, keine größeren Rückschlüsse erlaubend. Das Fundinventar erfaßt in großen Zügen die Besiedelungsdauer der Pipinsburg von Späthallstatt bis Mittel-La-Tène und beginnendes Spät-La-Tène (Claus). Näheres siehe Fachliteratur. Ältere Lit. u. Abb.: Max, Gesch. des Fürstentums Grubenhagen, Hannover 1862 Teil I S. 78; Max, ZHV 2 H. 2 1869 S. 118; v. Oppermann/Schuchhardt, Atl. 1888-1916 S. 46 Taf. XXXVIA. -Neue Lit. u. Abb.: Hdb. d. Hist. St. D., Niedersachsen 1960 S. 325 f.; Claus, Die Kunde NF 4 1953 H. 3/4 S. 46 ff. mit 8 Abb.; Claus, Die Kunde NF 6 1955 H. 1/2 S. 5 ff. Gr. Schuchhardt und Stolberg, Abb.; Claus, Ausgrabungen auf der Pippinsburg bei Osterode, Nachr. aus Nieders. Urgesch. Nr. 26 1957 S. 26 ff. Gr., Profile, Abb.; Tillmann, S. 805. GPS-Koordinaten |