"Ich kann aber keinen Wachsabdruck vom Gebiß fertigen, es ist nämlich gefährlich, die Hand dem Thier ins Maul zu stecken. Ich kann auch leider keine Zeichnung fertigen, da die weiter hinten liegenden Zähne kaum oder nur für den Moment zu erspähen sind, da das Thier sein Maul öffne, um ein Stück Brot zu erhaschen." Diese im Original lateinischen Zeilen schrieb im Jahre 1752 Johann Friedrich Meckel, Professor an der Universität Göttingen, aus Paris an seinen Kollegen Samuel Christian Hollmann. Worum ging es? 1750 fanden die Landarbeiter der damaligen Domäne Düna bei der Mergelgewinnung in den Gipsschlotten im Hainholz viele sehr große Knochen und Zähne. Sie hielten diese für Einhorn – das hatte damals die Bedeutung wie heute Viagra – und verscherbelten die Funde an die nächste Apotheke. Der Domänenpächter, Amtmann Nannen, brachte die restlichen Funde nach Göttingen; aber: niemand konnte die Knochen bestimmen. Prof. Hollmann hatte so eine Ahnung; ob es Nashorn war? Aber wie sah ein Nashorn von innen aus? Damals gab es noch keine Bestimmungsbücher. Als Professor Meckel eine Reise nach Paris und London antrat, gab er ihm einige Zähne aus dem Hainholz mit. "Wo auch immer er ein Nashorn antreffen möge, tot oder lebendig, möge er einen Wachsabdruck des Gebisses fertigen" lautete der Auftrag Hollmanns, und er gab ihm einen Backenzahn mit. Vier erwachsene und ein junges Nashorn, so konnte Hollmann später rekonstruieren, fanden sich da in einer Gipsschlotte bei Düna. Eine kleine wissenschaftliche Sensation. Denn sie bewiesen, daß einst längst ausgestorbene Tiere unsere Gegend besiedelt hatten. Es waren, wie sich 50 Jahre später herausstellte, riesige Wollhaarnashörner aus der letzten Eiszeit. Wahrscheinlich waren es die Vor-Vor-Vor-Vorfahren der Dünaer, die vielleicht noch als Neandertaler diese schweren Tiere mit einer Art Fallgrubenjagd zur Strecke gebracht hatten. F. Vladi |