Schon zu dieser Zeit gab es auch Zwangsmaßnahmen. Um die einzelnen Rüstungsbetriebe in der Umgebung und in den Städten erstehen zu lassen, wurden Dienstverpflichtungen gegenüber den Arbeitern vorgenommen. Diese bekamen einen entsprechenden Zuschlag zu ihrem Lohn. Es war sogar so, daß jeder Betrieb einen gewissen Prozentsatz seiner Belegschaft bereitzustellen hatte. Für eingeweihte und kritische Beobachter zeigte es sich bald deutlich, daß alles nur zu dem einen Zweck getan wurde, nämlich der Vorbereitung des Krieges diente.

Hattorf in den letzten Kriegen

Die jetzt folgenden Aufzeichnungen möge der Leser als Vorwort zu den Kriegserlebnissen der einzelnen Kriegsteilnehmer betrachten. Das Ziel war, möglichst von jedem Kriegsschauplatz einen Hattorfer Bürger zu Worte kommen zu lassen. Dabei ergab sich, daß selbst noch ein alter Chinakämpfer dabei war.

Meine Erinnerung an den ersten Weltkrieg 1914 reicht bis zum ersten Mobilmachungstag zurück. Ich sehe noch heute unseren Gemeindediener die Bekanntmachung durch die Glocke ausrufen. Der erste Mobilmachungstag war der 1. August und alle Wehrdienstpflichtigen mußten sich an einem bestimmten Tage in ihrer Kaserne stellen. Aus diesem Grunde fanden vorher noch etliche Kriegstrauungen statt. Die Kriegsbegeisterung war nicht allzu groß, jedoch aus der Jugend fanden sich viele Kriegsfreiwillige. Neu für uns war, das die Soldaten statt der blauen jetzt feldgraue Uniformen trugen. Tag für Tag rollten die Militärzüge dem Westen zu. Viel Acht wurde auf vermeindliche Spione gegeben und mancher Handwerksbursche wurde zur Polizei geschleift.

Mitte 1918 nahm der Krieg Formen an, die auf ein baldiges Ende Schließen ließen. Schon im Sommer wurden des öfteren Soldaten aufgegriffen, die desertierten. Im Oktober kam es zu einer offenen Meuterei eines Militärtransportes in Herzberg. Der Zug sollte zur Westfront. Auf den Schlußwagen war eine Karikatur gemalt mit den Worten "Lehmann auf Reisen", der Wegweiser zeigte nach Holland (mit Lehmann war der deutsche Kaiser gemeint). Der Zug wurde am Abfahren gehindert und auf den Bahnhöfen die Lampen zerschossen. Es waren Sachsen. Mit lautem Geknatter fuhr der Zug durch unser Dorf. Die Soldaten wurden in Northeim entwaffnet. Im Ort selbst ist es nirgends zu irgendwelchen Störungen gekommen.

In Erinnerung ist mir noch die russische Revolution im Oktober 1917. Eines guten Tages hieß es, in Rußland sei Revolution und der Zar sei gestürtzt. Der Krieg ging aber trotzdem weiter bis zur 2. russischen Revolution unter Lenin und Trotzki.

Als 1918 unsere Armee von Hindenburg geführt den Rückzug antrat, kam auch in unser Dorf eine sächsische Truppe, die per Achse von Frankreich bis in ihre Heimat fuhr. Sie nahm auf dem Schützenplatz (Anger) Aufstellung, wo sie einige Tage blieb.

Der Großteil der Truppe fuhr in geordneten, regelmäßig fahrenden Eisenbahnzügen in die Garnison. Die von den Soldaten gegründeten Arbeiter- und Soldatenräte übten auch ihre besonderen Funktionen aus.
 

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