Im Sommer 1917 sollten wir nach Deutschland ausgetauscht werden. Die Karenski-Offensive wurde von den Russen von innen untergraben, und dadurch verloren, und Lenin und Trotzki kamen ans Ruder. Später arbeitete ich, vermittelt bei der deutschen Gesandtschaft, Graf Mirbach, als Schuhmacher. Graf Mirbach wurde später in einem Saal von Engländern erschossen, die sich dort eingeschlichen hatten. Diese Zeit in Moskau war die schönste Zeit meiner Jugend. Ich hatte eine Privatwohnung bei einem deutschen evangelischen Pfarrer der Peter-Paul-Kirche. Mit einem Paß versehen lebten wir hier wie zu Hause, und jeder hatte sein Mädchen. In den Freibädern badete man sehr oft nackt und unbefangen, gleich, ob Männlein oder Weiblein. Bei der deutschen Gesandtschaft blieb ich dann bis 1919.

Besuch im Kreml:

Durch die Vermittlung des Pastors Meyer bekam ich Gelegenheit, den Kreml zu besichtigen. Von der Südseite gingen wir durch eine Militärwache in die Räume. Aufgefallen ist mir die berühmte zerbrochene Glocke, die an dem Kremlturm stand. Diese Glocke war beim Hinaufziehen auf den Turm heruntergefallen und zerbrochen. Man hatte sie stehen lassen und eine neue hinaufgeschafft. Herrlich war es, wenn die vielen Glocken von Moskau läuteten. Es waren etwa 2000 Kapellen und Kirchen in Moskau. Die Moskauer Bevölkerung war besonders gut zu uns. Jedoch in der Weite des russischen Raumes ging es unseren Kameraden oft erbärmlich. Deutsche, die von dort kamen, sahen oft hundeelend aus, wurden aber alle in Moskau eingekleidet. Von dem russischen Revolutions- und späteren Bürgerkriegswirren habe ich nicht viel verspürt, doch hörte ich etwas von der tschechischen Legion usw. Vor allem ist mir der russische Sommer in Erinnerung. Die letzten Jahre waren in Rußland wegen der Verknappung der Lebensmittel schlecht. Für Leute ohne Beziehungen standen oft Brennesselsuppe und Sauerampfer auf dem Speisezettel. Am 1.9.1919 kam ich nach einer Fahrt von 4 Wochen wieder in der Heimat an mit 2000 Rubel, die ich in Rußland gespart und ins Rockfutter und in den Schuhabsätzen versteckt hatte. Diese Vorsicht war umsonst, denn ich wurde nicht einmal durchsucht".

Anmerkung des Verfassers:
Wenn mann die Schicksale anderer Deutscher Kriegsgefangener verfolgt, die besonders in Erich Edwin Dwingers Büchern geschildert wird, so trifft das Mütterchen Rußland mit seinen 2 Gesichtern, mit seiner ganzen unabschätzbaren und unberechenbaren Eigenschaft, die zu allem bereit und fähig ist, offen und nackt zutage, die unser Hattorfer z.B. nur von der guten Seite gesehen hat.

Was uns August Ehrhardt, Herzberger Landstraße, aus dem Kriege 1914 - 18 und von 1940 bis 1945 zu berichten hat, lesen wir in nachfolgenden Zeilen:

Im August 1916 wurde ich in Hannover einberufen. Nach einer Übung in Munsterlager kam ich nach Rußland über Jakobstadt zum Rigaer Meerbusen, wo ich an den Kämpfen in Riga teilnahm. Später kam ich dann bis nördlich Düna. Im September 1917 kam ich zur Westfront nach Lothringen. In den Stellungskriegen nahmen wir dort eines Nachts einen Posten Wachablösung gefangen. Es ging so zu: Nach längerer Beobachtung in den Vortagen kamen wir zu dem Entschluß,
 

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