Am 11. April 1945 marschierte der Amerikaner in Hattorf ein. In der Nacht zuvor fuhr er schon mit Panzern die Straße Wulften - Schwiegershausen. Hattorf blieb noch bis Mittag unberührt. Mit einigen Hattorfern fuhr ich per Rad die Chaussee nach Wulften, um die Lage zu peilen. Indessen rollten mit Gedröhn die Panzer von Wulften nach Osterode. Wir waren auf der Höhe des Röder-Berges und sahen nach allen Seiten. Bei dem Erzählen hatten wir ganz den Blick nach vorne vergessen. Auf einmal stand ein Panzerspähwagen der Amerikaner etwa 30 Meter vor uns. Keiner hatte ihn gesehen. Ich sah ihn und sagte: "Da ist er!" Wir hatten unsere Räder an einen Apfelbaum gestellt, und jeder schnappte sein Rad und haute ab. Mein Bruder August war der letzte, er kriegte sein Rad nicht mehr frühzeitig genug in Ordnung, und der Amerikaner hielt sein auf den Flitzer montiertes Maschinengewehr auf ihn und fragte ihn, ob Hattorf besetzt sei. Als er das verneinte, fuhren sie wieder rückwärts davon. Als wir wieder am Dorfrand ankamen und eine Zeit verweilten, kam der erste Panzer über den Schwiegershäuser Berg. Er verweilte dort eine Zeit lang und verschwand dann wieder. Kurze Zeit später, nachdem unser eigener Panzer, der in der Lehmkuhle stand, fortgefahren war, kamen sie in Rudeln angefahren über den Schwiegershäuser Berg in die Bachstraße.

Die Hattorfer Einwohner, vor allem Franzosen und Ausländer, waren es, die den Amerikaner vor dem Orte in Empfang nahmen. Vor der Sieberbrücke wurde Halt gemacht und das ganze Dorf nach deutschen Soldaten abgesucht. Ein anderer Trupp kam zur gleichen Zeit vom Klusanger her über die Oderbrücke und tat dasselbe. In der Hattorfer Schule hatte zuvor eine Abteilung Landser übernachtet, etwa 30 Mann. Sie wurden zum größten Teil gefangengenommen und saßen in der jetzigen Herzberger Landstraße im Chausseegraben.

Auch am Nachmittag wurden alle Häuser durchsucht nach Waffen und sonstigen Gegenständen sowie nach deutschen Soldaten. Jedes Haus bekam als Zeichen der ausgeführten Durchsuchung ein Dreieck an die Tür gemalt.

In meiner Wohnung selbst waren drei deutsche Soldaten, einer aus Heiligenstadt, einer aus Köln und einer aus Ostpreußen. Sie hatten sich am Tage zuvor abends spät bei mir einquartiert und gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß sie diesen Tag gesund überstehen würden. Ich gab ihnen mein Versprechen und als der Amerikaner kam, sagte ich, daß drei Soldaten bei mir wären, die sich gefangen geben wollten. Sie kamen herein und wollten gleich im Sturmschritt die Treppe hoch in meine Wohnung. Ich hielt sie am Arm fest und sagte, daß ich die Soldaten auf den Flur holen wolle, was sie auch gestatteten. Ich ging nun in meine Küche und sagte den Landsern, daß der Amerikaner unten auf dem Flur wäre. Ich ging dann voraus und der Kölner kam hinter mir her, beide Hände in der Manteltasche. Die Amerikaner forderten ihn daraufhin auf, die Hände in die Höhe zu heben "Hands up!" Da der Kölner offenbar der englischen Sprache nicht mächtig war erklärte ich ihm, daß der Amerikaner gesagt hätte, er solle die Hände hoch halten. Die anderen beiden indes wagten nicht, die Küche zu verlassen. Ich ging herauf und holte sie. Es ging alles gut.

Vor der Tür wurden sie nach allem Brauchbaren untersucht. Uhren, Ringe und Geld wanderten in die Tasche des Amerikaners. Alle drei mußten sich auf den Kühler des Autos setzen und freudig winkend, daß sie alles gut überstanden hatten, wurden sie zum Sammelplatz gefahren.
 

[ Inhaltsverzeichnis ]

Impressum / Datenschutz