Die Amerikaner hatten im Kirchturm ein Scherenfernrohr aufgestellt und ließen besonders aus der Umgebung des Krückers die deutschen Soldaten mittels Funk durch einen Jeep (Auto) abholen. Hinter der USA-Armee kamen die politischen Militärpolizisten. Der Kommandant, der im Mittelkruge lag, zeigte mir eine Liste, in der alle politischen Parteiführer unseres Ortes verzeichnet waren, gleich welcher Partei sie angehörten. Im Falle einer Auseinandersetzung mit den Sowjets wären alle Männer der Linken verhaftet worden, so ließ er durchblicken. Die Fremdarbeiter (Russen, Polen, Franzosen) wurden wieder frei und beherrschten neben den Amerikanern das Ortsbild. Desgleichen kamen von Herzberg Holländer und Fremdarbeiter und quartierten sich in unserem Ort ein. Unsicherheit und Diebstahl nahmen zu, insbesondere waren Viehdiebstähle von den Weiden usw. an der Tagesordnung. In der Zeit nach dem Einmarsch der Amerikaner waren die abgelegenen Gehöfte der Plünderung und dem Zugriff der Fremdarbeiter ausgeliefert. So wurde auch der Auekrug, weil er von seinem Besitzer verlassen worden war, ausgeplündert. Die Scheune des Auekruges war bei den Kriegsereignissen selbst als einziges Gebäude, das zu Hattorf gehörte, abgebrannt. In der Röder-Mühle erschienen wiederholt nachts Fremdarbeiter und durchstöberten das Gebäude und forderten Schmuck usw. Die auf der Straße benutzten Fahrräder hatten vollends ihren Besitzer gewechselt. Jeder Fremdarbeiter hieß einen Deutschen, der ein Rad benutzte, absteigen und behielt das Rad für sich. Beim Abtransport in ihre Heimat verkauften sie es oder schlugen es meist entzwei. Die Viehdiebstähle bei den einzelnen Bauern nahmen nicht ab. Es verging kaum eine Woche, in der nicht ein Rind von der Weide verschwand oder ein Schwein, gleich auf dem Hof geschlachtet und zerteilt, verschwand. Aus diesen Gründen wurden Fenster mit Eisenstäben versehen, soweit es erforderlich war, und die Einwohner hielen nachts Wache. Es wird jedoch bezweifelt, daß alles Vieh nur von Ausländern gestohlen wurde. 1945 - etwa Juli - hielt der Amerikaner eine Razzia im Orte nach nicht entlassenen deutschen Soldaten. Alle ohne Entlassungsschein in die Heimat zurückgekehrten Landser mußten sich wieder melden und wurden abtransportiert. Die meisten kamen nach etlichen Wochen wieder zurück. Einige hatten das Pech, noch jahrelang in Gefangenschaft gehalten zu werden. Die englische Geheimpolizei nahm von allen verdächtigen Personen und mit Entlassungsschein versehenen Soldaten einen Fingerabdruck, dem ein peinliches genaues Verhör folgte. Am 1. Mai 1945 ging ein betrunkener Russe in die Gärten Hattorfs mit dem Ruf: "Heute nix Arbeit, heute 1. Mai!" Hierbei muß er auch mit einem Amerikaner in Berührung gekommen sein, der ihn dann kurzerhand erschoß, zumal der Russe auch bewaffnet war. Die Kriegsgefangenen des ersten Weltkrieges, meist Russen, waren im Gemeindehaus in der Schnippstraße untergebracht; die des zweiten Weltkrieges, meist Franzosen, lagen im Schützenhaus. |