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Der weiße Rabe von Hattorf.
(Hochdeutsche Fassung)

Vor vielen Jahren, als es in Hattorf noch keine Eisenbahn gab, war dort, wo heute die Flachsspinnerei steht, nämlich zwischen Sieber, Oder und dem Bahnkörper, ein großer Anger mit hohen Pappeln, auf dem die Schäfer ihre Herde hüteten. Als die beiden Hirten eines Mittags im Schatten der Bäume ruhten, sah der alte Schirmer, daß sich in dem Rabennest, welches sich über ihnen in einer Pappel befand, etwas weißes regte und machte seinen Kumpel darauf aufmerksam. Wilken - Schaper, der die jüngeren Arme und Beine hatte, war neugierig und kletterte in den Pappeln hoch. Da sah er in dem Nest einen jungen weißen Raben. Er scheuchte ihn mit seiner Mütze hoch, und der Vogel flatterte auf die Erde hinab, wo ihn der alte Schäfer griff. Wilke nahm den Vogel am Abend mit nach Hause. Er kam bei seiner Frau aber schön an. Die wollte von dem weißen Raben nichts wissen. So brachte er den seltenen Vogel seinem Schwiegersohne, dem Tischler Rudolph, der freute sich und gab sich viel Mühe mit dem Raben, der bald ganz zahm und zutraulich wurde. Tagsüber hatte Jakob, so wurde der Rabe gerufen, seine Freiheit und flog überall in der Nachbarschaft umher. Am Abend wartete Jakob in einem hohen Birnbaum auf dem Hofe, bis ihn sein Herr ins Haus rief. Eines Abends jedoch vergaß der Tischler, den Vogel ins Haus zu holen. Als seine Frau am anderen Morgen Heu herunterwerfen wollte, lag der arme Jakob mit abgebissenen Kopf vor der Tür. Ein Iltis oder ein Marder hatte ihn in der Nacht getötet. Der Tischler hat noch lange seinem Freund nachgetrauert.

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