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War vor hundert Jahren ein gedielter Wohnraum ein unerhörter Luxus, so gibt es heute kaum noch ein Haus, in dem nicht sämtliche Räume gedielt sind. Damals war der Fußboden aus Ton oder Lehm gestampft und wurde an Sonn- und Feiertagen mit weißem Sand bestreut, der von ambulanten Händlern gekauft wurde. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts bürgerte sich mit dem Aufblühen der Südharzer Gipsindustrie allmählich der sogenannte Estrichfußboden ein, der erst seit der Jahrhundertwende durch den wärmeren und deshalb gesunderen Holzfußboden verdrängt wurde. Das Fundament der alten Höfe wurde aus den Flußkieseln der Sieber und Oder errichtet, die mit Gipsmörtel verbunden wurden. Diese Grundmauern waren beinahe unzerstörbar, waren aber leider hygroskopisch und griffen das darüberliegende Balkenwerk an. Verschwunden sind seit Jahren auch die Backöfen, die bei jedem Hause standen.

Im Zuge der geschilderten baulichen Entwicklung ist auch die Tierwelt in und um Haus und Hof ärmer und einförmiger geworden. Daß ist nur zu begrüßen, in einigen Fällen aber auch zu bedauern. Als die Eulenlöcher in den Giebeln und Scheunen der Häuser verschwanden, nahm auch die Zahl der Schleiereulen und verschiedener anderer Eulenarten rapide ab. Mit dem Abreißen der alten Backöfen und mit der fortschreitenden Wohnungshygiene hörte auch das trauliche Zirpen der Heimchen auf. Als die Strohdächer abgerissen wurden und rings um das Dorf während der Verkoppelung die Brüche und toten Arme der Sieber und Oder trockengelegt wurden, beraubte man den Storch, den Göttervogel, seiner natürlichen Lebensbedingungen. Ein einziges Storchenpaar wohnt noch in Hattorf zur Freude von Jung und Alt. Nur die Stallschwalbe, das Rotschwänzchen, der Sperling und seit Jahrzehnten sich zu stark vermehrende Star haben dem Hause die Treue gehalten. Die Anwendung sicher wirkenden Bekämpfungsmittel und die verbesserte Bauweise haben die Zahl der Ratten ganz erheblich eingeschränkt. Gerade die Ratte war es, die jahrhundertelang die Verbreiterin der Pestepedemien war. Der Stich des infizierten Rattenflohs schleppte die Seuche von Haus zu Haus.

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