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Die Laurentius waren große, dünne Leute von bescheidenen aber vornehmen Wesen. Der etwas kleinere und noch dünnere Leutnant unterschied sich von seinem bartlosen Bruder auch durch seinen dunklen Schnurrbart im Stil des alten Dessauers, auch umrahmte eine schwarze Perücke sein kleines, von zahlreichen Runzeln durchzogenes Antlitz. Aber im Scheine des auf dem Festplatz entfachten großen Feuers und der lohenden Fackeln sah der feine alte Krieger, in straffer Haltung neben der neugepflanzten Eiche stehend, wie ein Jüngling aus längst versunkenen Zeiten aus und war der Gegenstand allgemeiner Huldigung und Begeisterung.

Die Ansprache, die er eigentlich halten sollte, hatte er jedoch auf seinen Bruder Gottfried übertragen. Dessen Rede gefiel den lauschenden Dorfleuten gut, noch mehr wohl die herzliche, offene, aber energische Art des Redners. "Wenn die Ole mal afgeiht, denn willt wi düssen!", sagten sie. Die letzte Fackelglut benutzte man, um sich in der Dunkelheit den Weg hinunter zum Dorfe zurück zu suchen unter den Jubelklängen des Liedes: "Lust'ge Hannoveraner, das sein wir!" Das war am 18. Juni 1865. Und am 27. Juni des nächsten Jahres war die Schlacht von Langensalza. Auf die Kunde des Sieges sagte man in der Pfarre: "Na, natürlich! Unsere herrlichen Kürassiere und Grenadiere haben die Hungerpreußen besiegt!" Dann kam die Kunde, das von den drei Leuten des Dorfes, die in der Schlacht gewesen waren, die zwei Kürassiere heil davongekommen seien, aber der lange Grenadier Diekmann hatte den Arm gebrochen, weil ihm ein preußisches Pferd daraufgefallen war, nun, ohne Schaden geht ja so was nicht ab. Aber als drei Tage später am Vormittag bei strahlendem Sonnenschein der Vater mit mir im Garten wandelte, um mir meine Lektion zu überhören, erschien der Lehrer Cofdes und berichtete in höchster Aufregung von einer Kapitulation des gesamten hannoverschen Heeres. "Das ist unmöglich, wir haben ja eben einen großen Sieg gewonnen!" , meinte der Pastor. Aber das Unmögliche war Tatsache, der König hatte kapituliert, und sein Land wurde annektiert. Die sommerliche Einquartierung blieb weg, das Dorf sah überhaupt während der nächsten 10 Jahre keine Truppen mehr.

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