Bevor die, im südlichen Rotenberg verlaufende, politische Grenze zwischen dem Kurfürstentum Mainz und dem Herzogtum Braunschweig-Grubenhagen auch eine religiöse Grenze wurde, waren die menschlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Ortschaften südlich und nördlich des Rotenbergs sehr eng. Hunderte von jungen Gänsen (Gössel) wurden alljährlich, aus Gieboldehausen "importiert", in Hattorf gemästet; ebenso die Ferkel. Auch die jungen Pflanzen des Spitzkohls, der in Hattorf reichlich angebaut wurde, kamen damals aus Rüdershausen. Zu der Zeit wurden auch die zwischenmenschlichen Beziehungen gepflegt und vertieft, so dass zu dieser Zeit oft hinüber- und herübergeheiratet wurde. Mit dem Ausbau der Grenze zwischen den beiden Staaten und der damit entstandenen "Weltanschaulichen Trennung", schliefen diese Beziehungen und Verbindungen damals langsam ein. So blieben die Bürger in Hattorf lange Zeit evangelischen Glaubens. Die wenigen Katholiken, die damals in Hattorf wohnten, waren junge Mädchen und Burschen, die sich aus den eichsfeldischen Ortschaften kommend, als Mägde und Knechte ihren Lebensunterhalt in Hattorf verdienten. Im Jahre 1900 wurde dann in Hattorf eine Flachsspinnerei in Betrieb genommen. Die Firma George Stelling, Gräber & Com. benötigte hierfür viele fleißige und intelligente Arbeiter. Der Bedarf hierfür konnte allein mit den Hattorfer Einwohnern nicht gedeckt werden. Viele Flachsspinner und sonstige Spezialisten, wurden daher aus dem Sudetenland und aus Liebau nach Hattorf verdingt. Diese neuen Bürger Hattorfs waren fast ausnahmslos Katholiken. Aus Mangel an Bürgern kath. Glaubens, hatte unsere Heimatgemeinde damals noch kein kath. Gotteshaus. So stellte die Werksleitung der Flachsspinnerei zunächst den werkseigenen Speisesaal für die sonntäglichen Andachten zur Verfügung. Bis zum Jahr 1949 kam ein kath. Pfarrer hierfür aus der Nachbargemeide Herzberg nach Hattorf. Auch der Religionsunterricht wurde jeweils von einem kath. Lehrer aus Herzberg erteilt. Durch die vielen (kath.) Flüchtlinge, die in den Nachkriegsjahren ihre neue Heimat in Hattorf fanden, wurde der Speisesaal der Spinnerei rasch zu klein. 500 katholische Bürger in Hattorf, und keine Kirche ! Dieser Missstand musste ein Ende haben. Ein kath. Kirchenbauverein wurde in's Leben gerufen und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Bauplatz. Von der Realgemeinde erwarb man einen Baugrund in der Mühlenwehrstraße, und zwar gegenüber dem Mädchenheim, rechts neben dem Stellingsteg. Durch eifrige Sammeltätigkeit unter den Gläubigen und Unterstützung der Frauenverbände in Speyer schien dieses Vorhaben in greifbare Nähe zu rücken. Als die Bauplanung, einschließlich der Kostenberechnung, endlich vorlag, erklärte das Wasserwirtschaftsamt den Bauplatz jedoch für einen Kirchenbau als ungeeignet, lag dieser doch unterhalb des Überschwemmungshorizonts der nahen Flüsse Oder und Sieber. Zum Glück sprang die politische Gemeinde Hattorf zu diesem Zeitpunkt helfend ein: Am 12. Oktober 1958 war es dann soweit: Die Grundsteinlegung des Neubaus der katholischen Kirche konnte erfolgen. Bereits ein Jahr später fand die Einweihung des Gotteshauses, des Jugendheims und des Pfarrhauses statt. Die feierliche Einweihung nahm damals der Bischof Heinrich Maria Jannsen aus Hildesheim vor. Diesen Tag wird Hattorf nicht vergessen: Eine schier unübersehbare Menschenmenge, sämtliche Hattorfer Vereine mit ihren Fahnen und auch die protestantischen Pfarrer aus dem weiten Umkreis begrüßten den höchsten Würdenträger der Hildesheimer Diözese. Alle Häuser der Rotenbergstraße waren hierfür beflaggt und mit frischem Grün geschmückt. Bürgermeister Barkes Ansprache schloss damals mit den Worten: "Toleranz auf allen Kanzeln !" |