Hintergrund Nahezu alle Produkte des täglichen Lebens bestehen aus Rohstoffen, so dass umgerechnet ein jeder von uns im Laufe seines Lebens etwa 1.000 t an natürlichen Ressourcen verbraucht. Mineralische Rohstoffe, d.h. Metalle, Industrieminerale, Steine und Erden, damit auch Kalksteine bilden als natürliche Grundstoffe das Fundament für die wirtschaftliche Entwicklung und den Lebensstandard der Bevölkerung. Rohstoffe können aber nur dort der Natur entnommen werden, wo sie geologisch entstanden sind. Die geologische Entwicklung des Westharzes erlaubt es, am Standort Winterberg-lberg massige, hochwertige Kalksteine für verschiedenste Einsatzbereiche abzubauen. Lage und Alter des Riffkomplexes Die Anhöhen des Winterbergs und des Ibergs liegen im südwestlichen Teil des Harzes nördlich der Bergstadt Bad Grund an der Bundesstraße 242 (Abb. 1). Abb 1: Links: Lage des Abbaugebietes in der topographischen Karte TK25, Blatt 4127 (Seesen). Rechts: Ältere geologische Kartierung des Abbaugebiets (aus E. Gischler (1992): Das devonische Atoll von Iberg und Winterberg im Harz nach Ende des Riffwachstums). Seit dem Jahr 1938 werden am Winterberg auf einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer Kalksteine des Devons (ein 355 bis 410 Mio. Jahre alter Zeitabschnitt in der Erdgeschichte) zur regionalen Rohstoffversorgung genutzt. Im Jahre 2005/2006 erfolgte auf einer südlich angrenzenden Erweiterungsfläche der Aufschluss des Steinbruchs Iberg (Abb. 2). Betreiber beider Steinbrüche ist die Fels-Werke GmbH mit Sitz in Goslar. | Abb. 2: Links: Blick nach Nordwesten in den Steinbruch Winterberg. Rechts: Aufschluss der ersten Sohle im Abbaufeld Iberg. Der Steinbruch schließt direkt südlich an den Winterberg an. Beginn und Ende des Riffwachstums Das Kalksteinvorkommen entstand zu Beginn des oberen Mittel-Devons (vor ca. 387 Mio. Jahren) im Bereich einer von Wasser bedeckten Beckenregion im Westharz. Es herrschten tropische bis subtropische klimatische Verhältnisse (eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung von Riffen), die auf vermutlich vulkanischem Substrat nahe unter der Wasseroberfläche die Ansiedlung erster riffbildender Organismen ermöglichten. In den folgenden Jahrmillionen sank der Meeresboden langsam ab. Während dieser Absenkung konnten die Lebensgemeinschaften kontinuierlich im lichtdurchfluteten Bereich unterhalb der Wasseroberfläche nachwachsen und die Mächtigkeit des Riffes entsprechend vergrößern (Abb. 3). Im Laufe der Zeit entwickelte sich so ein atollartiges Riff mit einer Lagune und einem umschließenden Riffkranz. Abb. 3: Beispielhafte Rekonstruktion einer mitteldevonischen Riff-Lebensgemeinschaft (aus S.M. Stanley (1994): Historische Geologie). Ähnlich können wir uns heute den Lebensraum am Grunde des Meeresbodens zum Zeitpunkt der Riffbildung am Winterberg - Iberg vorstellen. | Die Lebensgemeinschaften des Riffs sind heute als Fossilien in den Kalksteinen erhalten (Abb. 4): Korallen und Stromatoporen, die als eigentliche Riffbildner den Großteil der Faunengemeinschaft ausmachten; Brachiopoden, die sich am Riff festsetzten; Schnecken, die auf dem Riff weideten; Crinoiden und Bryozoen, die auf der unebenen Oberfläche des Riffs hervorragten. Abb 4: Als Fossilien überlieferte Lebensgemeinschaften das Winterberg - Iberg-Riffs. Links: Stromatoporen in grauem Kalkstein. Rechts: Ein mit Bruchstücken verschiedenster Fossilien durchsetzter Kalkstein. Das Riffwachstum endete im unteren Ober-Devon (vor ca. 374 Mio. Jahren). Grund dafür war entweder eine stagnierende Absenkung des Untergrundes oder aber ein zu rascher Meeresspiegelanstieg, der von den Organismen nicht mehr kompensiert werden konnte. Übrig blieb ein mehrere hundert Meter mächtiger, chemisch hoch reiner Kalksteinkomplex, der in den nachfolgenden Jahrmillionen durch jüngere Sedimente bedeckt und durch Deformationen der Erdkruste tektonisch beansprucht wurde (Abb.5).
Abb. 5: Links: Jüngere, gefaltete Deckschichten des Kalksteinkomplexes (Grauwacken-Tonschiefer-Wechselfolge) geben deutliche Hinweise auf kompressive Deformationen des Abbaugebietes im Laufe der Erdgeschichte. Rechts: Detaillansicht der Wechselfolge. |