Die Karstlandschaft des Landkreises Göttingen

Der Südharz ist eine landschaftsökologische und naturräumliche Einheit von geologisch bedingter Eigenart, engräumiger Vielfalt naturnaher Strukturen und hervorragender landschaftlicher Schönheit. Bestimmendes Element sind z.T. großflächige Ausstriche stark verkarsteten weißen Gipsgesteines (nackter Karst), das in dieser Mächtigkeit und Ausprägung in Deutschland sonst nicht weiter vorkommt. Gerade deshalb hat der Südharz in der naturwissenschaftlichen Forschung seit jeher einen hohen Stellenwert.

Entlang des westlichen und südlichen Harzrandes verläuft ein wenige hundert Meter bis mehrere Kilometer breiter Streifen zusammenhängender Gesteine der geologischen Zeiteinheit des Zechsteins, ca. 250 Millionen Jahre alt. Es sind Ablagerungen eines ehemals weite Teile Mitteleuropas bedeckenden Meeres. In dem damaligen heißen Klima ist das Meerwasser wiederholt verdunstet, die im Wasser gelösten Stoffe reicherten sich an und fielen in mehrfach sich wiederholender Folge als Karbonate, Sulfate (dieses sind die weißen Gipsfelsen) und Chloride aus. Auf Untiefenzonen wuchsen Riffe aus Kalkalgen und Moostierchen (Bryozoen).

Südharz  –  einst bei Kairo?

Kontinentalverschiebung heißt der Mechanismus, dank dessen Gipsfällung im Zechsteinmeer erst möglich war. Im Perm lag, was dann Europa wurde, am Äquator! Trocken heißes Klima brachte das Meerwasser zum eindampfen, so, wie im Toten Meer. In der heutigen kühlen Nordsee wäre dies ganz unmöglich!

Tausende Meter weiterer Ablagerungen türmten sich im Erdmittelalter über die Gipsschichten der Zechsteinzeit. Vor etwa 100 Millionen Jahren wurde Mitteldeutschland wieder Festland, der Harz begann sich aufzurichten. Im Eiszeitalter, seit 1 Mio. Jahren, entstand das heutige Mittelgebirgsrelief, eingeschnitten in die ehemaligen Meeresablagerungen als Schichtstufenlandschaft (s. geologischen Schnitt). Der bis zu 200 m mächtige untere Gips, der Hauptdolomit (bis 70 m) und die jüngeren Gipse (bis 20 und 70 m) bestimmen den Aufbau der heutigen Landschaft. Schicht über Schicht dieser Gipse, Dolomite und Tone kann man am westlichen und südlichen Harzrand von Seesen bis Eisleben verfolgen, z. B. der Kupferschiefer, den eine Perlschnur von Bergbaupingen und –halden säumt, und auf weiten Strecken die Klippenzüge weißer Gipsfelsen.

In den eiszeitlichen Kaltphasen stagnierte die Verkarstung bei tiefgründigem Bodenfrost. In den wärmeren Zwischeneiszeiten entwickelte sich die Verkarstung unter feuchtem Klima rasch weiter. Da die Lebensdauer von Karstformen in Gipsgestein recht kurz ist, entstammen alle heute sichtbaren Gipshöhlen, Erdfälle und Quellen der gegenwärtigen Warmzeit, sind also nicht älter als 12.000 Jahre.

Beim Abbau von Gips, bei wissenschaftlichen Grabungen in Höhlen oder der Erforschung von Ablagerungen in Erdfallteichen wurden immer wieder Überreste von Tieren und Pflanzen früherer Epochen gefunden. Pollen und Sporen aus solchen Teichsedimenten geben Auskunft über die Abfolge des Klimas, die allmähliche Wiederbewaldung am Beginn einer Warmzeit, die Vegetation und auch über die ersten Spuren der Menschen (Rodungen, Ackerbau) am Südharz.

Aus den Kaltzeiten stammen Wollhaarnashorn, Mammut, Höhlenbär, Riesenhirsch und erste Steinwerkzeuge, aus den Warmphasen Siedlungsspuren oder Bestattungen in oder bei den Höhlen.
 

GEOLOGISCHE ZEITTAFEL ZU DEN GESTEINEN
AM WESTLICHEN UND SÜDLICHEN HARZRAND
Alter in Mio. Jahren
System
Abteilung *
Ablagerungen und Ereignisse
2
Quartär
Pleistozän
HolozänHöhlenbildung und -sinter, Erdfälle, Mensch
Höhlenbildung, Dauerfrost, Talbildung
65
Tertiär ?letzte Harzhebung
Bildung von Verebnungsflächen und Tälern
Einsetzen der Höhlenbildung
140
Kreide saxonische Gebirgsbildung
Auftauchen des Harzes aus dem Meer
195
Jura Der (spätere) Harzraum ist Meeresgebiet mit
Festlandsphasen
225
TriasKeuper
Muschelkalk

Buntsandstein

Kalke und Mergel bei Gittelde
(mit Karstquelle in Willensen)
rote Sand- und Tonsteine
oft von Erdfällen durchbrochen
285
PermZechstein
 

Rotliegendes

Meeresüberflutung, Tonsteine, Dolomite, Anhydrite/ Gipse u. Salze d. Eindampfungszyklen 1-3
(-8), Algen- u. Bryozoenriffe
trockenheiße Festlandszeit, Walkenrieder Sande, Porphyre, Tuffe u. Arkosen d. Südharzvulkane
350
KarbonOberkarbon

Unterkarbon

Gangvererzung
varistische Gebirgsbildung
Meeresgebiet, Grauwacken, Quarzite, Tonschiefer, Grauwacken, Diabas-Vulkanismus
405
DevonOberdevon
Mitteldevon
Unterdevon
Kiesel- u. Tonschiefer, Diabase, Roteisenerz
Riffbildung am Iberg-Winterberg (Bad Grund)
Herzynkalke, Tonschiefer, Kalkgrauwacken
440
Silur dunkle Tonschiefer mit Graptolithen
kaledonische Gebirgsbildung
Ordovizium und Kambrium: keine Ablagerungen im Harzgebiet bekannt
* soweit Ablagerungen vorhanden

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