Die Ursprünge des kirchlichen Lebens in Breitungen liegen auf dem Arnoldsberg. Auf dieser unmittelbar nördlich von Breitungen gelegenen, 285m hohen Bergzunge befindet sich eine viereckige Wallanlage mit vorgelegtem Graben. Im Inneren dieser Anlage sind noch bis heute einige wenige Strukturen schwach erkennbar, die als die Mauerreste der ehemaligen Arnoldskapelle interpretiert werden können. Die Arnoldskapelle ist von ihrer Bauweise eine kleine, einschiffige Hallenkirche mit einer runden Apsis im romanischen Stil gewesen. Die Decke war sicherlich nicht als Gewölbe, sondern als Balkendecke ausgeführt. Wahrscheinlich besaß sie nur einen Altar in der Apsis, der dem Heiligen Arnold geweiht war. Ihre Größe von geschätzt unter 50 m˛ bot Mönchen genug Raum, nicht aber der Gemeinde des ganzen Ortes, so dass dann später auf dem Kirchberg eine neue Kirche gebaut wurde. Der Ursprung der Arnoldskapelle liegt im 10. Jahrhundert und ist untrennbar mit den Anfängen des Ortes Breitungen verbunden. Auch wenn aus dieser Zeit keine direkten Überlieferungen mehr vorhanden sind, lassen sich einige Vermutungen über die Entstehung der Kapelle anstellen. Im 8. und beginnenden 9. Jahrhundert war diese Siedlungsgegend zwischen Südharz und Kyffhäuser zwar formal christianisiert worden, doch insbesondere in den Siedlungen abseits der größeren Orte wurde der „heidnische“, nichtchristliche Volksglauben weiterhin praktiziert. Um einerseits die Christianisierung auch tatsächlich im Volk zu verankern und andererseits das Land effektiver für die landwirtschaftliche Versorgung zu nutzen, wurden gezielt Klöster gegründet. Wie eine Klostergründung vor sich ging, ist in vielen Klosterchroniken überliefert: Einem bereits bestehenden, oft auch sehr weit entfernten Kloster wurde ein größeres Landstück und mindestens ein Dorf von der weltlichen Macht als Lehen mit der Auflage übereignet, dort ein neues Kloster zu gründen und die Landwirtschaft und die öffentliche Ordnung zu organisieren. Aus dem Mutterkloster wurde ein Abt mit zwölf Mönchen – in Anlehnung an Jesus und die zwölf Apostel – in die neue Gegend geschickt. Als erstes wurde eine kleine Kapelle gebaut, um die Gebetszeiten und Gottesdienste feiern zu können. Dieses Vorgehen ist auch für die Anfänge in Breitungen vorstellbar. Einen wichtigen Hinweis liefert der bereits mittelalterlich bezeugte Kirchenname „Arnold“, denn im gesamten Mitteldeutschen Raum ist keine weitere Kirche mit diesem Namen bezeugt. Als St. Arnold wurde in der katholischen Kirche des Mittelalters neben einem wenig bedeutenden Ritter Arnold aus Schaffhausen/Schweiz ein Arnold von Arnoldsweiler (heute ein Stadtteil von Düren in Nordrhein-Westfalen) verehrt. Auch wenn über diesen Arnold nicht viel zu erfahren ist und er manchmal mit dem Bischof Arnulf von Metz (gest. 640) verwechselt wird, gehörte er historisch wahrscheinlich in den Umkreis des Kaisers Karl des Großen und starb zwischen 800 und 830. Im Gebiet zwischen Aachen und Köln wird er als Lokalheiliger verehrt, so dass sich heute abgesehen von der Breitunger Kirche nur in dieser Region St. Arnolds-Kirchen befinden. Es ist deshalb vorstellbar, dass im Rheinland des 10. Jahrhunderts ein Kloster mit dem Namen St. Arnold existierte, das 12 Mönche und einen Abt in den mitteldeutschen Raum ausschickte, um dort ein neues Kloster zu gründen. Die ausgesandten Mönche nahmen den Namen „St. Arnold“ mit und weihten die neue Kapelle diesem in unserer Gegend vollkommen unbekannten Heiligen. Da der Ort Breitungen einen mit „Arnold“ verbundenen Ortsnamen trägt, ist vorauszusetzen, dass schon vor der Klostergründung eine Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Breitungen existierte. Eine weitere Mutmaßung betrifft die Bedeutung des Arnoldsberges. Als der Pfarrer und Chronist Kranoldt um 1750 den Arnoldsberg beschreibt, berichtet er von einer Kapelle, die von hohen Eichen umgeben ist. Bei Klostergründungen des 10. Jahrhunderts gab es die verschiedentlich bezeugte Vorgehensweise, sich einen ehemals mit heidnischem Glauben besetzten Ort für den Bau einer Kapelle oder einer Kirche auszusuchen. Die geographische Struktur des Arnoldsberges und die von Kranoldt bezeugten hohen Eichen (Kranoldt: Merckwürdigkeiten der Goldenen Aue, S. 751), die oft ein Symbol für einen germanischen Kult waren, könnten ein Hinweis darauf sein, dass sich dort ein für die Bewohner der Siedlung heiliger Ort befunden hatte, der dann mit dem Bau der Kapelle „christianisiert“ wurde, so dass die Menschen in die Kapelle zu ihrem gewohnten heiligen Ort gingen. |