[Einleitung] [Kurzcharakteristik] [Neubaupläne] [Orgel] [Glocken] [Turmuhr] [Ausblick] von Reinhard Glaß/Sülzhayn Petersdorf liegt ca. 2km nordöstlich der Stadt Nordhausen am Harz in einem Tal. Durch den Ort führt eine alte Straße in den Harz, über die der Leimbacher Pastor Just Ludwig Günther Leopold (1761-1822) in seiner 1817 erschienenen "Kirchen-, Pfarr- und Schul-Chronik" schreibt: "Der Ort hat seit 1806 sehr viel gelitten, weil die Militairstraße von Nordhausen nach Hasselfelde durch denselben hindurch gehet und leidet aus diesem Grunde bis auf den heutigen Tag."Über den geologisch bedingten Mangel an trinkbarem Wasser berichtet Leopold außerdem: "Petersdorf liegt von Leimbach 1 1/4 Stunde weit nordwärts. Seine Grundlage ist Kalkgebirge, weswegen der Ort selbst Wassermangel, an gutem Wasser wenigstens gänzlichen Mangel hat. Dieses findet sich etwa 500 Schritte weit vom Dorfe am Fuße eines Holzberges, der Eichenberg genannt, in einem Brunnen, aus welchem man das Wasser mit der Hand schöpfet. Aus diesem Brunnen hohlt nicht nur die ganze Gemeinde ihr Koch- und Wasch-Wasser; sondern im Winter alles benöthigte Wasser für Menschen und Vieh, d.h. für 26-30 Pferde, 100 Stück Hornvieh und etwa 400 Stück Schaafe u.s.w. ohne daß der Brunnen je nachließe. Wenn einige Tonnen voll geschöpft worden sind; so muß man vielleicht eine Viertelstunde, aber nicht länger, warten, ehe man eine dritte füllen kann. Zu mancher Jahreszeit, aber nicht immer, haben einige Einwohner Wasser in Brunnen und gegrabenen Löchern, welches aber nur zum Viehtränken gebraucht werden kann. Desgleichen findet sich gleich am untersten Ende des Dorfs ein Teich voll solches Wasser, der jedoch im Winter völlig eingefriert. In völlig gleicher Lage befindet sich auch Steigerthal und gewissermaßen auch Rüdigsdorf." Die Petersdorfer St. Johannis-Kirche liegt nicht - wie allgemein üblich - am höchsten Punkt des Ortes, sondern im Tal an einer Serpentine der durch den Ort führenden Hauptstraße. 2.1. Das Äußere
Unter dem südlichen Anbau befand sich bis 1965 die Familiengruft der Freisassen-Familie Böttcher (Fürstliche Domäne). Der Leimbacher Pastor Johann Michael Günther Leopold (1722-1800), Vater und Amtsvorgänger des o.g. Chronik-Verfasser J.L.G. Leopold (1761-1822), widmet dem Böttcherschen Erbbegräbnis in der von ihm begonnenen Petersdorfer Memorabilia einen ausführlichen Bericht: "Anno 1755 im Octbr. hat die Frau Böttcherin als damalige Besitzerin des hiesigen Freysaßen Hofes für sich und ihre Familie ein Erbbegräbniß unter das so genannte Leichhauß an der Kirche gebauet. Die Vergünstigung dazu zu erhalten hatte sie mich, den Pastor über ein ganzes Jahr vorher darum angegangen. Ich hatte aber sehr wichtige Ursachen ihrem Begehren nicht zu willfahren, unter andern diese, daß sie mir den unchristlichen Vorwand sagte: sie habe in ihrem ganzen Leben mit der Gemeine gestritten und sich gezanket; darum wolle sie einmal im Tode von andern Gräbern abgesondert, für sich in der Erde ruhen. Da sie also bei mir kein Gehör in diesem Stücke fand: so wendete sie sich zu den damaligen Inspector in Neustadt, Herrn M. Ortmann welcher durch seine Vorsprache es bey dem Hoch Gräfl. Consistorio dahin brachte, daß ihr vergönnet wurde gegen Erlegung 20 rthlr an die Kirche /welche sie auch bezahlet hat/ oberwähntes Erbbegräbniß zu bauen.2.2. Das Innere Seine heutige Gestalt erhielt das Innere der Kirche bei den umfangreichen Renovierungs- und Baumaßnahmen der Jahre 1964/65 unter Leitung des Nordhäuser Architekten Konrad Riemann. Folgende Maßnahmen gelangten zur Ausführung: 1.) Das kleine Kirchenschiff wurde zur Wiederherstellung eines klaren Raumeindruckes von dem Übermaß an Einbauten befreit, d.h. die zweistöckige Westempore und die Seitenemporen (1801 eingebaut) wurden abgebrochen. 2.) Im westlichen Kirchenraum gelangte 1964 der Einbau einer Winterkirche/Gemeinderaum zur Ausführung. Zur darüber geschaffenen Orgelempore wurde eine neue Treppe eingebaut. 3.) Das Tonnengewölbe, dessen Verbretterung stark abgängig war, erhielt eine Verkleidung aus Press-Spanplatten mit Verleistung, unter Beibehaltung der Flächenführung. 4.) Die Wände im Inneren wurden geputzt und geweißt, dabei bewußt auf eine Begradigung der ausgebogenen und unebenen Wände verzichtet. 5.) Der durch einen barocken Kanzelaltar, Patronatsgestühl und eine Treppe verbaute Chor wurde neugestaltet. Sämtliche hölzerne Einbauten wurden entfernt. Der wertvolle Kanzelkorb, mit Figuren und Schnitzwerk geschmückt, blieb erhalten, erhielt einen Sockel und wurde als freistehende Kanzel (Ambo) rechts am Triumphbogen aufgestellt. Ein neuer freistehender Altartisch in einfachen Formen aus Muschelkalkstein - in seiner Größe dem Kirchenraum angepasst - ersetzte den alten massiven Altar. . 6.) Das hinter dem Kanzelaltar befindliche Mittelstück eines Tryptichons (siehe hist. Innenaufnahme oben), dessen beide Seitenflügel verloren gingen, wurde durch die Kunstmalerin und Restauratorin Lang-Scheer aus Dresden restauriert. Das Holzrelief stellt die Grablegung Christi dar. Meisterhaft ist die Linienführung: Die gekrümmten Rücken von Maria und Johannes bilden einen Bogen, der den Blick des Betrachters auf Christus und das Leiden am Kreuz zwingt. Vermutlich ist die Holzplastik eine frühe Renaissance-Arbeit. Der Faltenwurf der Gewänder sowie auch teilweise die Gesamtkomposition tragen gotischen Charakter. Befestigt an einem eigens hergstellten Holzkreuz wurde das Reliefbild hinter dem Altartisch aufgestellt. 7.) Die Kirche erhielt neue, in einfacher Form gehaltene Kirchenbänke. Das unter dem Seit den 1880iger Jahren verfolgte die Kirchengemeinde Petersdorf aufgrund des baulichen Zustandes der Kirche Pläne zum Neubau einer Kirche. Die Finanzierung des Projektes sowie die Ausarbeitung eines geeigneten Entwurfes zogen sich über drei Jahrzehnte hin. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Inflation mußten die kurz vor der Ausführung stehenden Pläne für immer zu den Akten gelegt werden. Entwurf des Leimbacher Pastors Willerbach (1871-1935) aus dem Jahr 1911 Willerbachs Entwurf war aüßerlich eher unscheinbar, im Inneren aber sehr modern:
Neugotischer Entwurf des Hannoverschen Architekten Alfred Sasse (1870-1937) aus In den Pfarrakten heißt es: "Der eingereichte Entwurf von Herrn Sasse, Hannover, wahrt nach Ansicht Ihrer Durchlaucht der Fürstin Mutter [von Stolberg-Stolberg] nicht genug den dörflichen Charakter. Die Kirche würde eher ihrem Charakter nach in einen Villenvorort einer grösseren Stadt passen. Vor allem wünscht Ihre Durchlaucht, dass der bisherige Eindruck des Turmes mit seinem Fachwerkkörper im Allgemeinen im Dorfbilde erhalten bleibt." In seiner Kirchen-, Pfarr-und Schulchronik berichtet Pastor J.L.G. Leopold (1761-1822) auf Seite 161, daß "1799 statt einer alten, höchst elenden Orgel von Scheidler eine neue erbauet" wurde. Diese Orgel wurde 1880 abgetragen und verkauft. Wohin ist anhand der Petersdorfer Pfarrakten nicht ersichtlich. Ein Pedalharmonium diente danach der gottesdienstlichen Begleitung. 1894 wurde dieses Instrument durch ein größeres ersetzt. Die Abtragung der Orgel stand im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Kirchenneubau, der nicht realisiert werden konnte (siehe 3.). Das als Übergangslösung gedachte Pedalharmonium war bis in die 1950iger Jahre hinein in Benutzung. "Nun, da die Kirche(...) in so glücklicher Weise neugestaltet worden ist, konnte auch das Orgelvorhaben mit der hier bestmöglichen Lösung zum Ziel kommen. Jetzt ist nur noch eine Empore vorhanden; auf ihr ist das Orgelwerk genau in der Mitte (sowohl nach der Breiten- wie auch nach der Tiefendimension) aufgestellt worden; somit steht es ziemlich vorne an der Brüstung; dazu hat man es noch auf ein Podium gesetzt, was für die Entfaltung des Klanges sehr günstig ist.
Bis 1905 bestand das Geläut aus zwei Glocken, Umgüsse aus dem Jahr 1789 (vgl. Leopold). 1905 wurde das bis dahin aus zwei Glocken bestehende Petersdorfer Geläut durch den Guß Läuteglocke:
DIE SIND GOTTES KINDER. FRANZ SCHILLING IN APOLDA Diese 1905 gegossene Glocke war in beiden Weltkriegen von der Beschlagnahme befreit und Nach dem Verlust der zwei Bronzeglocken aus dem Jahr 1789 im Ersten Weltkrieg, wurden Läuteglocke:
nach 1800 gegossene Glocken üblich war. Glocken dieser Gruppe wurden nach Abnahme unverzüglich der Verhüttung zugeführt. Die 1920 und 1921 gegossenen Läuteglocken mußten schon zwanzig Jahre nach ihrer Anschaffung für den Zweiten Weltkrieg abgegeben werden. Bei der Trauung des Petersdorfer Landwirtes und langjährigen Küsters Otto Mieth mit Amanda Wille am 16.Mai 1942 erklang das vollständige Geläut aus drei Glocken letztmalig. Nach dem Krieg gab es Bestrebungen, wieder zwei Bronzeglocken anzuschaffen, doch konnten diese nicht umgesetzt werden. Die mechanische Turmuhr (Baujahr 1936) stammt von der Firma Wilhelm Kühn/ Gräfenroda und Nach dem politischen Umbruch der Jahre 1989/90 konnten durch finanzielle Unterstützung des Quellen: Leopold, J. L. G. : Kirchen-, Pfarr- und Schulchronik der Gemeinschafts-Aemter Heringen und Kelbra; der Grafschaft Hohnstein; der Stadt Nordhausen, und der Grafschaften Stolberg-Rosla und Stolberg-Stolberg seit der Reformation. Nordhausen 1817, S.156ff. Pfarrarchiv Niedersachswerfen:
Farbfotos: Reinhard Glaß, Sülzhayn |