von Reinhard Glaß, Sülzhayn 1. Kurzcharakteristik Die Dorfkirche Rüdigsdorf steht Der mittelalterliche Turm ist noch sehr gut erhalten und in Bruchsteinmauerwerk aus Anhydritstein und Gipsmörtel über einer Grundfläche von 5,85 x 5,85m errichtet. Wie in einigen anderen Kirchen der ehem. Grafschaft Hohnstein (Kreis Ilfeld), steht auch in Rüdigsdorf der Turm im Osten über dem Chor. Der Turmunterbau ist im Inneren als gotisches Kreuzgewölbe ausgebildet. Darüber befindet sich das Glockengeschoß mit eichenem Fachwerkeinbau, darüber das Satteldach. Das Kirchenschiff wurde im 16. Jahrhundert über einer Grundfläche von 6,70 x 6,70m errichtet. Eine Inschrift über dem Fenster der Nordseite trägt die Jahreszahl 1527. Der Unterbau ist ebenfalls in Bruchsteinmauerwerk aus Anhydritstein und Gipsmörtel errichtet. Aber auch Porphyr, Grauwacke und Sandsteine prägen das Bild des Mauerwerkes, insbesondere das der Westseite. Darüber steht ein Fachwerkaufsatz mit Satteldach. Im Rahmen einer 1894 durchgeführten Kirchenerneuerung wurden die beiden Südfenster mit Porphyrgestein und Stürzen eingefasst und vier Strebepfeiler in Porphyrquadermauerwerk an der Südseite aufgemauert. Diese Baumaßnahmen wurden nach Plänen des Konsistorialbaumeisters Conrad Wilhelm Hase / Hannover durch Maurermeister Köhler / Neustadt ausgeführt. Durch schlechte Materialauswahl waren die Strebepfeiler schon 20 Jahre später baufällig und blieben es bis zu ihrer Abtragung im Jahre 1996. Die 1894 angefügten Strebepfeiler sollten die Kirche gegen den abschüssigen Kirchhof stabilisieren, doch tatsächlich war es umgekehrt. Der Abbruch der baufälligen Strebepfeiler 1996 erhitzte die Gemüter, insbesondere derjenigen Einwohner, die die Kirche nie oder nur am Hl. Abend betreten. In diesem Zusammenhang wurde seinerzeit auch Kritik am zuständigen Pastor in Niedersachswerfen laut. All den Kritikern am Rückbau der Strebepfeiler sei an dieser Stelle ausführlich aus einem Baugutachten vom August 1913 zitiert: "Aufgrund einer örtlichen Besichtigung der Kirche in Rüdigsdorf am 7.August 1913 wurde das Folgende festgestellt. Es ist nicht nur der südöstliche Strebepfeiler stark baufällig, sondern auch die übrigen drei an der Südseite aufgeführten Pfeiler weisen starke Zeichen des Verfalls auf. Als Grund dieses Verfalls ist in erster Linie das schlechte Material, aus welchem die Pfeiler hergestellt sind, anzusehen. Der Porphyr ist an der Oberfläche stark verwittert, was bei der geringen Zeit des Bestehens der Pfeiler wohl darauf zurückzuführen ist, dass der Stein nicht ordnungsmässig aus einer tiefen, sondern aus einer nur wenig unter der Humusschicht gelegenen Lage, gewonnen worden ist. Sodann ist der verwendete Mörtel, ein derartig schlechter, dass er mit Leichtigkeit aus den Fugen im staubförmigen Zustande herausgeholt werden kann. Vor allem letzter Umstand hat dem Wasser die Möglichkeit gegeben, in die Fugen einzudringen und im Winter durch Frieren die Steine auseinander zu treiben....... Die im Gutachten aus dem Jahr 1913 geforderte Wiederherstellung des "alten Zustandes der Kirche im Aeussern" durch Abriß der vier Stützpfeiler erfolgte erst 83 Jahre später, im Herbst 1996-. Die letzte große Innenrenovierung bzw. Restaurierung der Kirche fand in den Jahren 1956 bis 1958 unter Leitung des Nordhäuser Architekten Konrad Riemann statt. Die Kirchenerneuerung umfasste seinerzeit folgende Maßnahmen:
Größere Arbeiten im Inneren wurden zuletzt 1980 durchgeführt. Das vom Schwamm befallene Kirchengestühl wurde entfernt und die heutige Bestuhlung angeschafft. Das Kirchenschiff erhielt neuen Fußboden (Terrazzoplatten). Das Mauerwerk im Altarraum wurde im unteren Bereich vom Putz befreit, selbiger neu ausgemalt. Der wuchtige Altar wurde unter Beibehaltung der massiven Marmorplatte auf kleinerer Basis neu aufgemauert. Nach dem politischen Umbruch der Jahre 1989/90 erfolgten umfangreiche Sanierungs-und Sicherungsarbeiten am Mauerwerk der Kirche und der einsturzgefährdeten Kirchhofsmauer. Ohne diese Maßnahmen wäre die Kirche bereits heute zur Ruine verkommen. Offensichtlich wurden die Sanierungsarbeiten am Mauerwerk des Kirchenschiffs in den 1990iger Jahren mangelhaft ausgeführt. Ab März 2005 war das Gotteshaus gesperrt, da die erst wenige Jahre zuvor sanierte nördliche Wand des Kirchenschiffes einzustürzen drohte. Nach abermals erfolgter Mauerwerkssanierung konnte die Kirche zu Pfingsten 2008 mit einem Gottesdienst wieder in Benutzung genommen werden. Doch die Freude darüber währte nur kurz. Seit 2011 ist der südwestliche Bereich des Kirchenschiffes ein Sanierungsfall, der frühestens 2015/16 in Angriff genommen werden kann. Wie das Kirchengebäude langfristig erhalten werden kann, ist gegenwärtig wieder so offen, wie vor 1990. Zwar sind in Rüdigsdorf noch rund 50% der Einwohner Mitglied der ev.-luth. Kirche, doch ist dieser Umstand bei einer Einwohnerzahl von knapp 80 Menschen hinsichtlich der für eine Erhaltung notwendigen finanz. Mittel wenig hilfreich. Allerorten sind die Kassen leer und dies wird man in absehbarer Zeit auch am Zustand von Kirchengebäuden (wieder) erkennen können. 2. Die Orgel Bei der Innenrenovierung 1956-58 wurde die sehr hoch stehende Orgelempore (2. Empore) abgebrochen. Die Orgel wurde abgebaut und auf einer neu errichteten tiefer gesetzten alleinigen Empore wieder aufgestellt. Dabei erhielt die Orgel den neuen Prospekt. Diese Arbeiten wurden von der Firma Böhm / Gotha ausgeführt. Außer den notwendigen baulichen Veränderungen und Reparaturen wurde an der Orgel bis heute nichts verändert. In letzter Zeit war das Instrument nur noch leidlich spielbar und wird vermutlich in absehbarer Zeit verstummen. C - f''' / Pedal C-c'
4. Die Glocken Beide Glocken waren im Ersten Weltkrieg wegen ihres wissenschaftlich-historischen Wertes von der Beschlagnahme befreit. Im Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Glocken in die Kategorie C (künstlerisch bzw. historisch wertvoll) eingeordnet, doch mußte die Kirchengemeinde 1942 die größere Glocke für Kriegszwecke abgeben. Die B- und C- Glocken wurden damals zunächst in Sammellager verbracht, von wo aus sie dann je nach Bedarf der Verhüttung zugeführt wurden. Diesem Umstand ist es mit zu verdanken, dass die Glocke nach dem Zweiten Weltkrieg auf einem Glockenfriedhof - lt. mündl. Überlieferung in Hamburg - wiedergefunden wurde. Dank der Vermittlung des damaligen hann. Landesbischofs Hanns Lilje (1899-1977) erhielt die Kirchengemeinde Rüdigsdorf die Glocke zurück. 5. Kriegerdenkmal 1914-1918 Auf dem Kirchhof befindet sich das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Laut Inschrift wurden folgende Rüdigsdorfer Opfer des Krieges: Res. Fritz Goymann, 3.73
Am Volkstrauertag 1999 (14.11.) wurde am Ehrenmal eine Gedenktafel für die Opfer des Zweiten Weltkrieges angebracht. Leider blieb diese auf den allg. Schriftzug "Zum Gedenken unserer Gefallenen und Vermißten 1939-1945" begrenzt. Für eine namentliche Nennung der Opfer konnte keine Einigkeit unter der Einwohnerschaft hinsichtlich der Aufnahmekriterien erzielt werden. Quellen:
S/W-Fotos: Pfarrakten Rüdigsdorf (soweit nicht anders vermerkt) |