Die St. Martini-Kirche zu Stolberg

Stolberg ist Sitz einer Pfarrstelle, die neben dieser Stadt die Gemeinden Rodishain, Rottleberode, Stempeda und Uftrungen umfasst. Diese kulturgeschichtlich bedeutsame Kirche weist Stilmerkmale von der romanischen Entstehungszeit über die Spätgotik und dem Barock bis zum Klassizismus auf. Bemerkenswert ist die reichhaltige Innenausstattung, die teilweise in vorreformatorische Zeiten zurück reicht.


Der mittelalterliche Altar der St. Martini-Kirche

- von Anja Piske (Halle/Saale) -

In jüngster Zeit wurden das Fragment mit der Darstellung der Gefangennahme und Kreuzigung Christi sowie das Tafelgemälde, auf dem die Anhörung Christi vor Pilatus und seine Grablegung zu sehen ist, restauriert. Vor allem stilistische Beobachtungen lassen vermuten, dass die beiden Tafelmalereien ursprünglich dem gleichen Entstehungszeitraum entstammen. So entdeckte man das Fragment beim Abriss der alten Superintendentur in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts als Seitenbrett wieder, währenddessen das gerahmte Tafelgemälde im Chor der Stadtkirche St. Martini zu Stolberg aufbewahrt wurde.

Die thematische und stilistische Zusammengehörigkeit wird auch durch andere Beobachtungen bekräftigt: Abgesehen von dem barocken Ornamentband des 17. Jahrhunderts auf der gerahmten Tafel, zeigen beide Malereien verwandte Übergangsspuren. So ist z.B. erkennbar, dass die Hintergründe zunächst rein in Gold gestaltet waren und erst eine Übermalung des ausgehenden 15. Jahrhunderts die jetzigen landschaftlichen Motive hinzufügte. Die ersichtlichen kompositorischen Ungereimtheiten sind Folge späterer Beschädigungen bzw. Beschneidungen, die die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Maßen beider Tafeln erklären.

Es ist anzunehmen, dass beide überlieferten Tafelmalereien Teile des „Corporis Christi - Altars“ waren, der erstmals 1414 in einer Urkunde, die sich im Kirchenarchiv Stolberg befindet, erwähnt wird. In dieser verleiht der Erzbischof Johannes von Nassau auf dem von ihm zuvor gestifteten „Corporis Christi“ - Altar einen Ablass. Aus einem Eintrag im Ratsjahrbuch der Stadt von 1490 lässt sich die Geschichte des Altars weiterverfolgen: Neben sieben anderen wurde auch er nach Abschluss des Kirchenumbaus unter Pfarrer Ulrich Rispach von 1484 - 1490 im Chor neu geweiht. Erwähnenswert ist dabei, dass alle acht Altäre als „neu“ bezeichnet wurden, was hinsichtlich des „Corporis Christi“ - Altars auf eine „Modernisierung“ schließen lässt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist von einer Nutzung als Nebenaltar auszugehen. Vielleicht war er vor dem Kirchenumbau der alte Hochaltar.

Sehr wahrscheinlich handelte es sich bei dem „Corporis Christi - Altar“ um eine Form des Schreinaltars mit beweglichen Flügeln, die das Innere, meist kostbare Schnitzobjekte, schützten. Dieser Altartypus war zu Beginn des 15. Jahrhunderts nördlich der Alpen sehr verbreitet. Traditionell waren die sichtbaren Malereien bei geschlossenem Zustand verhältnismäßig einfach in Tempera oder Öl ausgeführt, währenddessen die Tafelmalereien im Inneren meist einen Goldhintergrund aufwiesen. Demnach werden sich die überkommenen Malereien auf der Innenseite der Flügel befunden haben. Die ebenfalls auf der Rückseite der Tafeln gefunden Farbreste könnten dann von der Bemalung der Werktagsseite stammen. Je nach dem, ob es sich um einen Wandel- oder um einen einfachen Schreinaltar gehandelt hat, lassen sich die Anordnungsvorschläge weiter konkretisieren: Beim Wandelaltar gibt es neben der Werktags- und Festtagsseite noch eine Sonntagsseite. Letztere wurde meist von Malereien, die mit Gold hinterlegt wurden, geschmückt, währenddessen die Festtagsseite aus reinem Schnitzwerk bestand. Bei einem solchen Aufbau müsste es dann noch zwei weitere Flügel gegeben haben. Falls es sich jedoch um einen einfachen Schreinaltar gehandelt hat, hätten die beiden überkommenen Tafelmalereien den Schrein rechts und links flankiert. Genauere Untersuchungen könnten möglicherweise die Frage klären, ob die vier Schnitzereien, die sich momentan an der südlichen Chorwand befinden, ebenfalls Teil des „Corporis Christi“ - Altars waren und z.B. die Festtagsseite oder das Innere des Schreins geschmückt haben.

Eine Quelle des 16. Jahrhunderts gibt letztmalig Auskunft über den Altar: 1547 geht er in den Besitz der Grafen von Stolberg über. Es bleibt daher anzunehmen, dass das Grafenhaus die Barockisierung der gerahmten Tafel in Auftrag gab, nachdem das ursprüngliche Altarensemble bereits zerstört gewesen war.


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  1. Pfarramt Stolberg, Pfarrer Jörg Thoms, Schloßberg 10, 06547 Stolberg,
    Telefon und Fax: 0 34 654 - 85 53 34, E-Mail: pfarrer.joergthoms@web.de
  2. Harz-Information der Stadt Stolberg: Telefon 03 46 54 – 454 oder 1 94 33

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