Predigt zu 400 Jahre St. Andreas zu Tettenborn am 24. August 2008 von Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber Liebe Gemeinde! Gut 800 Jahre gibt es im Südharz die christliche Gemeinde und mit ihr auch in Tettenborn eine Gottesdienststätte. Die Zisterzienser haben von Walkenried - ihrem Klostersitz - zur Kultivierung der Region beigetragen. Betend und arbeitend, ora et labora, so haben sie ihre christliche Existenz gestaltet. Sie wussten, dass Arbeiten allein das Leben verkümmern läßt, sie wollten aber auch keine spirituelle Lebensform fern der praktischen Lebensvollzüge gestalten und haben deswegen immer ihre körperliche Arbeit als Gottesdienst verstanden. Unsere Kirchen, ihre Andreaskirche hier in Tettenborn steht für diesen Zusammenhang. Christen versammelten sich in ihnen, um Gott zu danken, ihn zu loben, in der Fürbitte das vor ihn zu bringen, was ihr Leben und das Leben in der Welt und Kirche beschwert. Und sie gehen von hier getröstet und gestärkt zurück in ihren Alltag. Gott sei Dank, dass dies durch die Jahrhunderte so war. Als vor mehr als 400 Jahren der Vorläuferbau der jetzigen Kirche arg marode war, haben sich Ihre Vorfahren aufgemacht, die Kirche zu renovieren. Hierzu wurde der Patronatsherr der Freiherr von Tettenborn von der Regierung in Bleicherode aufgefordert. Nachdem sich viele Tettenborner Gläubige beschwert hatten. Damals wurden Dach und Innenraum erneuert und diese wunderbare Empore eingebaut. Sie haben eine schöne Kirche, eine liebevoll gepflegte dazu. Natürlich hat sie all die Umbrüche der Jahrhunderte miterlebt. Auch die Konfessionsunion, die im 19. Jahrhundert in Ihrer Gemeinde vollzogen wurde. Tettenborn gehörte ja früher zum Gebiet des heutigen Landes Thüringen zum preußischen Regierungsbezirk Erfurt in der Provinz Sachsen. Und die evangelische Gemeinde war eine Gemein der heutigen Kirchenprovinz–Sachsen. Sie haben immer wieder erlebt, was es bedeutet, Gemeinde im Grenzland zu sein. Umgegliedert wurden Sie nach dem zweiten Weltkrieg, kirchliche zunächst dem westfälischen Kirchenkreis Herford als einer unierten Schwesterkirche zugeordnet. Die Grenze in ihrer ganzen Brutalität hautnah, Flüchtlingsschicksale miterlebend und selber abgeschnitten von denen, die zu Ihnen gehörten – so haben Sie diese Jahre erlebt. Das ehemalige Grenzlandmuseum in Ihrem Ort erinnerte an diese Zeit. Die Kirchen haben versöhnend gewirkt, schon vor dem Fall der Mauer. Es gab Begegnungen und partnerschaftlichen Austausch, den konnte eine Staatsmacht, die den Atheismus in ihrem Programm hatte, nicht verhindern. Aber die Mauer und der Stacheldraht mit den Schießanlagen und Wachtürmen hat das Grenzland schon verändert. Nicht nur hier bei Ihnen auch andernorts in unserer Landeskirche, sie haben das Land auf beiden Seiten verändert. So leiden wir unter den demographischen Folgen, die besonders in diesen Regionen zu spüren sind und eben damit zusammenhängen, dass junge Menschen fortgezogen sind, weil sie hier keine Arbeitsplätze fanden, keine Zukunft mehr für sich sahen. Um so dankbarer bin ich für das treue Wirken und für die kraftvolle Präsenz der Menschen in unseren Kirchengemeinden, die dazu führten und führen, dass das Leben in dieser landschaftlich so schönen Region lebenswert blieb und bleibt. Gewiss, Sie haben viele Änderungen ertragen müssen: Nach der Wende die Einbindung in die braunschweigische Landeskirche, bis vor wenigen Wochen noch seelsorgerlich begleitet von einem westfälischen Pfarrer und nun die Zuordnung Ihrer Gemeinde zum Pfarramt in Wieda und damit die Aufgabe des Pfarrsitzes und des Pfarrhauses. Es sind Veränderungen, die schmerzen und die auch von der Landeskirche nur sehr ungern angegangen worden sind. Um so dankbarer bin ich, dass Sie diesen Prozess in so konstruktiver Weise mittragen. Ich hoffe jedenfalls, dass wir in absehbarer Zeit die im Augenblick vakante Stelle wieder besetzt haben. Dem Kirchenvorstand, der Küsterin, dem Organisten und dem Vakanzvertreter, Herrn Pfarrer Reinhardt aus Walkenried danke ich für das außerordentliche Engagement in der Übergangszeit. In Ihrer Gemeinde wird gebaut, nicht mit Stein und Mörtel, sondern auf dem Grund der Treue Gottes, von der in jedem Gottesdienst die Rede ist. Es wird gebaut, damit das Leben, das des Einzelnen und das der Gemeinschaft gelingt. Ich lese den Predigttext aus Matthäus 7: "Wer meine Worte hört und sich nach ihnen richtet, ist wie ein Mann, der überlegt, was er tut, und deshalb sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht, die Flüsse über die Ufer treten und der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, so stürzt es nicht ein, weil es auf Fels gebaut ist. Wer dagegen meine Worte hört und sich nicht nach ihnen richtet, kommt mir vor wie ein Dummkopf, der sein Haus auf Sand baut. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht, die Flüsse über die Ufer treten, der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, so stürzt es ein und der Schaden ist groß.“ Wir Menschen sind alle am Bauen. Das ist unsre Bestimmung, denn Leben heißt bauen. Von den ersten Atemzügen an, die ihr getan habt und die wir alle getan haben, gleicht unser Leben einer Baustelle. Die Liebe der Mutter und die Fürsorge des Vaters haben die ersten Steine aufeinandergesetzt und in den beginnenden Bau unseres Lebens eingefügt. Die Kindergärtnerin, die Lehrer in der Schule - sie alle haben weitergebaut an dem, was die Eltern und Angehörigen begonnen haben. Unser ganzes Leben gleicht im Grunde einem Haus, an dem Tag für Tag gebaut wird. Der eine bringt es mit dem Bau seines Lebens vielleicht zu einem weithin sichtbaren, viel beachteten und bestaunten Bauwerk, um das ihn viele beneiden. Das Lebenswerk eines andern ist dann eher mit einem schlichten und bescheidenen Reihenhäuschen zu vergleichen, das nicht in die Augen fällt, sondern ganz unauffällig in der Reihe bleibt und nicht besonders beachtet wird. Ein Haus, wie es viele andere gibt. Wie weit wir es mit unsrem Leben einmal bringen werden - wir alle, Junge und Alte, Konfirmanden und Eltern sind von Jesus in diesem Gleichnis als Bauherren angesprochen. Wir bauen unablässig auf der Baustelle unseres Lebens, mit jedem Gedanken, den wir fassen, mit jedem Handgriff, den wir tun, bis wir einmal am Ende unsrer Tage das Werkzeug aus der Hand legen und der Bau eingestellt wird. Zwei Grundregeln für den Bau unseres Lebens und des Lebens in der Gemeinde will Jesus uns nun in diesem Gleichnis einprägen. 1. Nicht auf Flugsand bauen! 2. Auf den Felsen vertrauen! Amen |