Stadtmauer

Die Osteroder Stadtmauer

Nach einer frühen Zerstörung Osterodes als „blühende Siedlung“ im Jahr 1152 nahmen die Osteroder enorme Anstrengungen zum Bau einer Stadtmauer auf sich, um die Sicherheit ihrer Siedlung zu gewährleisten. 1233 umfasste die Stadtmauer zunächst nur die Talsiedlung, der Bereich der erst 1238 gegründeten Neustadt (Standort!) und des Klosterbezirks St. Jacobi samt Wirtschaftsgebäude wurde 1330 in den Mauerring einbezogen.


Osteroder Stadtsiegel von 1261
mit Darstellung zweier Stadtmauertürme

Neben den besonderen Rechten (bürgerliche Freiheit, Selbstverwaltung) und dem Markt war die Befestigung ein wesentliches Merkmal der Städte im Mittelalter. Die Bürger übernahmen selbst die Bewachung und bei Bedarf die Verteidigung ihrer Stadt. Jeder Bürger musste Waffen und Rüstung für den Notfall bereithalten, regelmäßig damit üben und bei Alarm sofort eine ihm zugewiesene Position auf der Stadtmauer besetzen.

Die Stadtmauer war ca. 1700 m lang und wurde aus örtlichem Baumaterial errichtet. Vor der eigentlichen Mauer befand sich noch ein System von Vorwällen, Teichen, Landwehren und Warttürmen, das die schnelle Annäherung von Feinden behindern sollte. Osterode besaß mit dem Johannistor, dem Jacobitor, dem Neustädter Tor und dem Marientor vier Stadttore. Noch heute erinnern Straßennamen an diese mittelalterlichen Tore. Ab 1800 brach man die Stadttore ab, um die Straßen zu verbreitern. Militärische Funktion hatten die Tore längst nicht mehr, doch erhob man noch Abgaben und Steuern auf Waren.

Text nach E. Eder und F. Vladi

In den noch unsanierten, weiter verwitternden Gipsmörtelfugen der Stadtmauer siedeln heute Pflanzen, die typisch für die Felsvegetation der Gipskarstlandschaft um Osterode sind, wie z.B. Zimbelkraut, Stinkender Storchschnabel, Mauer- und Streifenfarn, Gewöhnlicher Tüpfelfarn, Platthalm-Rispengras, Mauer-Lattich und scharfer Mauerpfeffer.

Gips und Kiesel

Die Stadtmauer wurde aus grob zugehauenen großen Flussgeröllen der Söse errichtet, die überwiegend aus unterkarbonischem Quarzit des Acker-Bruchberges bestehen. Da in der Umgebung Osterodes Gips anstand, war es selbstverständlich, dass man Gips als Bindemittel für den Mauerbau benutzte, der direkt an der Baustelle gebrannt wurde.
Die kleinen Gipsbrüche der damaligen Zeit sind in den heutigen großen Gipstagebauen aufgegangen. 1548 ist erstmals eine "Ratskalkmühle" in Osterode erwähnt. Man bezeichnete den Gips als (schwefelsauren) Kalk. Die "Kalköfen" der Umgebung waren eigentlich Gipsbrennöfen.
Die Unterhaltung der Stadtmauer war kostenträchtig.
Verfugungen im 20. Jh. mit Zement führten im Kontakt mit dem Gipsmörtel im Mauerinneren zur Bildung des Treibminerals Ettringit und lösten neue Bauschäden aus. Aufwändige Restaurierungen mit nachgebranntem historischem Gipsmörtel durch Werner Binnewies, Förste, erfolgten ab 1996 (Foto).

Typische Gesteine der Osteroder Stadtmauer

Die in der Stadtmauer verarbeiteten Gesteine sind zugleich ein repräsentativer Querschnitt durch die Geröllfracht der Söse:

  • Ackerquarzit (weiß über beige, rosa, lila, rot bis dunkelrot)
  • Grauwacke, z.T. konglomeratisch, aus der Sösemulde
  • Hornfels und selten Granit vom Sonnenberg - Diabas und Lydit aus Lerbach.
Örtlicher Herkunft sind der plattige Dolomit, z.T. aus Abbruch anderer Gebäude, sekundär vermauerte Ziegel, sowie Gipsmörtel.

GPS-Koordinaten
N 51.7255° E 10.2490°

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