Gefährlicher Spuk bei den Teufelsbädern In einem moorigen Wiesengrund, etwas abseits der Bundesstraße 243 zwischen Osterode und Herzberg, liegen von Erlen und Schilf umsäumt und von der Sage umwoben, die Teufelsbäder. Rätselhafte Ereignisse und Geschehnisse in diesem Gebiet, die nie geklärt wurden, und nicht zuletzt die von der Natur geschaffene und auf den Betrachter besonders in der Abenddämmerung unheimlich wirkende Landschaft mögen diesen Teichen den Namen gegeben haben. Ob der Teufel, der als eine gehörnte Gestalt bekannt ist und mit einem Pferdefuß und einem Ziegenbein ausgestattet sein soll, hier jemals gebadet hat, ist zu bezweifeln. Vielmehr ist anzunehmen, daß er Wasser und Schilf als Tarnung benutzte für seine groben Streiche, die manch arglose Wanderer oder Angler zu spüren bekamen, die in sein Gebiet eindrangen und allzuoft auch mit dem Leben bezahlen mußten. Der eigentliche Wohngrund des Teufels soll aber nicht irgendwo in dem unübersichtlichen Teichgelände sein, sondern in dem noch mehr im Hintergrund befindlichen, von alten Eichen, Fichten, Weiden, Gestrüpp und tiefem Morast umgebenen grünäugigen Teufelsloch, einem von Algen und verschiedensten Schlingpflanzen bedeckten Wassertümpel von unergründlicher Tiefe. Als einstmals ein Bürger aus Osterode an einem schwülen Gewittertag auf Umwegen zu den Teufelsbädern schlich, um zu angeln, ahnte er noch nichts von der Gefährlichkeit seines Unternehmens. Angeln ohne Angelschein galt auch damals schon als Wilddieberei, und er ward deshalb darauf bedacht, nicht vom Förster erwischt zu werden. Daß es außer dem Förster aber noch jemanden geben sollte, den er zu fürchten hatte, daran glaubte er nicht. Alles Schaurige, das ihm über die Teufelsbäder und ihre Umgebung zu Ohren gekommen war, hielt er für eine Mär. In der Nähe der Teiche angekommen, sah er am Waldrand Rauch aufsteigen. "Es wird ein von Waldarbeitern verlassenes Holzfeuer sein", meinte er sorglos; denn die Waldarbeiter waren längst daheim. Als er gleich darauf um eine Baumgruppe bog und unverhofft vor dem Feuer stand, sprang wie von einer Tarantel gestochen eine hagere Gestalt aus der Glut und verschwand im Unterholz. "Donnerlüttchen!" rang es sich über seine Lippen, "ist denn so etwas möglich?" Schnell schlug er drei Kreuze. Das tat er immer, wenn ihm etwas unheimlich vorkam oder wenn er glaubte, daß er eines besonderen Schutzes bedürfe. Keinen Augenblick zu früh; denn gleich darauf fuhr ein greller Blitz, dem ein furchtbarer Donnerschlag folgte, durch das Gewölk und schlug unmittelbar neben ihm mit solcher Wucht in eine Eiche, daß der Stamm zersplitterte. Der Angler wurde von einem mächtigen Luftdruck zu Boden geschleudert und blieb eine Weile wie leblos liegen. Doch dann sprang er entsetzt auf und flüchtete unter eine hochgerissene Baumwurzel, wo er vor dem sich jetzt in voller Stärke entladenden Gewitter notdürftig Schutz fand. "Da will mir doch jemand ans Leder", knurrte er atemlos, aber an Umkehr dachte er keineswegs; denn zu tief war die Anglerleidenschaft in ihm verwurzelt. Kaum hatte das Unwetter etwas nachgelassen, saß er mit ausgeworfener Angel und einem Sackleinen über den Schultern am Uferrand eines der Bäder und hoffte auf einen guten Fang; denn bei Gewitterschwüle beißen die Fische besonders gut. Aber Stunde um Stunde verrann. Die Nacht war längst hereingebrochen, zu regnen hatte es aufgehört und der Himmel sich durch den aufkommenden Mond gelichtet, doch an seine Angel war bisher kein Fisch gegangen. "Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu", wetterte er, "das ist ja einfach wie verhext." Und erstmalig kam ihm der Gedanke, daß am Gerede der Leute über den Spuk an den Bädern etwas Wahres sein könnte. Von weit her vernahm er jetzt das Schlagen einer Turmuhr. Sie verkündete die 12. Stunde. Der letzte Schlag war noch nicht verklungen, da stand wie aus dem Boden gewachsen neben ihm eine Gestalt von gespenstigem Aussehen. Das Gesicht des Fremden war nicht zu erkennen; denn es lag im Schatten eines breitkrempigen Hutes. Doch unter dem Hut glühte ein gefährliches Augenpaar, das ihn zu durchbohren schien. Dem Angler lief es eiskalt über den Rücken, und er glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Doch es geschah etwas Unerwartetes: Der Fremde öffnete einen Beutel, der voll war von Fischen aller Größe und Farben, und zeigte dabei ohne ein Wort zu sagen in Richtung des Teufelsloches. Gleich darauf war er mit samt dem Beutel, so lautlos und geisterhaft, wie er gekommen, wieder verschwunden. Es schien, als habe ihn die Erde verschluckt. Dem Angler fiel ein Stein vom Herzen. In seiner Erregung vergaß er ganz, drei Kreuze zu schlagen. Wer war diese zwielichtige Person mit den stechenden Augen, die sich den Anschein gab, ihm helfen zu wollen? Wollte sie ihm wirklich helfen oder nur in eine Falle locken? Waren diese herrlichen Fische wirklich aus dem Teufelsloch? Er fand keine Antwort. Doch plötzlich fuhr er empor und schaute zum Himmel. Ja, richtig, heute war Vollmond, und bei Vollmond, so wollte es der Volksmund wissen, sollten aus der Untiefe des Teufelsloches riesige urige, uralte Fische, zum Teil mit Moos auf dem Rücken, an die Oberfläche kommen und im unwirklichen Licht des Mondes ihre Kreise ziehen. Allerdings, und das waren seine Bedenken, gab es niemanden, der es hätte bestätigen können; denn von allen Anglern, die bei Vollmond zum Teufelsloch gegangen waren, war bisher niemand zurückgekehrt. Allein seine Leidenschaft ließ ihm keine Ruhe. Das Spiel dieser sagenhaften Fische einmal zu beobachten und vielleicht einen von ihnen zu erbeuten, reizte ihn ungemein. So ging er gleich darauf eiligen Schrittes durch den grauen Nebel des Wiesengeländes auf den düsteren Hochwald zu, in dem zwischen uralten Bäumen und Gesträuch das Teufelsloch lag. Der schaurige Ruf eines Nachtvogels meldete seinen Eintritt in den Wald. Unwillkürlich fuhr er zusammen. Wurde er erwartet? Schon kurze Zeit darauf sah er das im Mondlicht liegende Teufelsloch. Im Schatten hohen Gestrüpps schlich er sich lautlos auf schwankendem Untergrund bis an den Rand des Ufermoores heran. Unbewegt lag der grünliche Wasserspiegel. Kein Windhauch störte die geisterhafte Stille. Wald und Wasser schienen kein Leben zu bergen, nichts von dem, was den Vorstellungen und Erzählungen des Volksmundes entsprach und ihm der Unheimliche glauben machen wollte. Er war enttäuscht. Ein Fluch kam über seine Lippen. Ja, und wer flucht, dem hilft der Teufel, wenn auch auf seine Art. Kaum hatte er nämlich die Angel geworfen, da gab es schon einen mächtigen Ruck, und er lag der Länge nach im gefährlichen Ufermoor. Krampfhaft hielt er mit beiden Händen die Angelrute. Vergebens, er wurde fortgezogen. Zu seinem Glück riß gleich darauf die Schnur, sonst hätte ihn wahrscheinlich das Moor verschlungen. Noch immer aber hatte der Angler die Gefahr nicht erkannt. Obwohl er sich nur mit Mühe und Not auf festen Untergrund ziehen konnte, schimpfte er "Mord und Brand", daß ihm dieser einmalige Fisch entkommen war. Eilig brachte er sein Angelgerät wieder in Ordnung und verstärkte die Schnur durch eine weitere. Er fühlte, um diesen Fisch zu fangen, ohne sich selbst zu gefährden, mußten alle Künste und Erfahrungen, die er gesammelt hatte, angewandt werden. Zu diesem Zweck bestieg er einen am Ufer stehenden Weidenbaum, dessen Stamm ihm außerordentlich biegsam erschien, und befestigte weit oben die Schnur. Sollte der überaus starke Fisch ein zweites Mal beißen, dann würde ein ruckartiges Spannen der Schnur durch das Nachgeben des Stammes vermieden, und ein Zerreißen der Schnur war weniger möglich. Nach gewisser Zeit war es dann ein leichtes, den abgekämpften und erschöpften Fisch ans Ufer zu ziehen. Gesagt, getan. Erwartungsvoll warf er nun die Angel von seinem schwankenden erhöhten Stand. Ein leises, kaum hörbares Klatschen war zu vernehmen. Er hielt den Atem an! Aber außer diesem Geräusch störte nichts die Grabesstille, die ihn umgab. Die Zeit verging. Der Mond senkte sich tiefer und tiefer, und die Schatten auf dem Wasser wurden länger und länger. Den Angler packte Ungeduld. Da, plötzlich ein furchtbarer Ruck, viel stärker als zuvor. Mit beiden Armen umklammerte er den Weidenstamm, der tief auf das Wasser herabgezogen wurde. "Donner und Blitz!" Der Angler war entsetzt. Mit solch gewaltiger Kraft des Fisches hatte er nicht gerechnet. War es wirklich ein Fisch? Ihm kamen Bedenken. Aber zu spät! Der Baum bog sich tiefer und tiefer und berührte schon fast den Wasserspiegel. Der Stamm knackte bedrohlich. Was sollte er tun? - Er überlegte fieberhaft. - Nur ein schneller Sprung zum Ufer konnte ihn noch retten. Allein, aus dem Jäger war ein Gejagter geworden. Am Ufer, gleich an der Baumwurzel der Weide, lag ein mächtiger einäugiger Fisch von abstoßender Häßlichkeit mit weit aufgerissenem Maul. Das nadelscharfe Gebiß schimmerte im fahlen Mondlicht. Starr war das grausame Auge, das sich gewölbt auf der Stirn dieses unheimlichen Fisches befand, auf ihn gerichtet. Es verriet gefährliche Angriffslust. Dem Angler stockte der Atem. "Ein Raubfisch, ein Satansfisch!" durchfuhr es ihn. Diesem abartigen Fisch konnte nur der Teufel das Leben eingeblasen haben. Der unheimliche Fremde, der kein anderer als der Teufel gewesen sein konnte, hatte ihn hereingelegt. Er war ihm in die Falle gegangen. Von panischer Angst erfaßt, sprang er blindlings ins Wasser und glaubte, durch Schwimmen das gegenüberliegende Ufer erreichen zu können. Doch da schoß von dort ein weiterer Raubfisch auf ihn zu. Der Angler, der in seinem Leben bisher für Gebete nicht die geringste Zeit gefunden hatte, rief in höchster Not: "Heiliger Petrus, hilf", und drehte sich dabei blitzschnell zur Seite. Ob ihm der Ausruf geholfen hat, vermag niemand zu sagen. Als er sich nach einem dumpfen Knirschen entsetzt zurückwandte, sah er, daß der zweite Raubfisch dem ersten ins offene Maul gefahren war und sich beide tödlich verfangen hatten. Wild peitschten sie das Wasser. War das seine Rettung? Mit hastigen Zügen schwamm er ans Ufer, stieg aus dem Wasser und lief wie von Furien gehetzt davon. Kurz vor dem Waldrand schlug eine Fichte hinter ihm krachend zu Boden. Gleich darauf fuhr ihm eine behaarte Pfote ins Gesicht, so daß er glaubte, er müsse ersticken. Mit Mühe und Not konnte er sich ins freie Gelände retten und kam zu Tode erschöpft daheim an. Als er den Mund öffnete, um zu sprechen, brachte er kein Wort heraus. Seine Frau sah, daß ihm die Zunge fehlte. Erst viele Jahre später, angesichts des nahenden Todes, wich seine Furcht vor dem Teufel, und er schrieb sein grausiges Erlebnis nieder. Es wurde dadurch der Öffentlichkeit bekannt. Quelle: Karl Bertram: Märchen und Sagen aus den Harzbergen Illustrationen von Franz Reins |