Einst größte Gipsfabrik - 1944/45 grauenvolles KZ Um 1925 galt das Gipswerk "Juliushütte" des Unternehmers Julius Bergmann am Ponttelberg vor den Toren Ellrichs als damals größte Gipsfabrik in Deutschland. In den letzten zwei Jahren des 2. Weltkrieges wurde die Juliushütte ein berüchtigtes und grausam geführtes Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora. Im Sommer 1964 wurden die noch vorhandenen Reste der "Juliushütte" abgebrochen und abgeräumt. "Juliushütte existiert nicht mehr" - Unter dieser Schlagzeile berichteten die "Bad Sachsaer Nachrichten" ("Harz Kurier") am 6. Juni 1964 über den Abbruch von Gebäuderesten eines Walkenrieder Ortsteiles am Stadtrand von Ellrich. Juliushütte, das war fast schon Niemandsland direkt an der innerdeutschen Grenze. Aber es war nach 1945 auch Wohnstätte für etwa 100 Menschen. Juliushütte war Durchgangsschleuse für Tausende, die auf Schleichwegen die immer stärker gesicherte Grenze zwischen Ost und West zu überwinden suchten. Juliushütte war von 1877 bis 1953 Industrie-Standort. Von 1944 bis 1945 war Juliushütte ein grauenvolles Außenlager des Konzentrationslagers "Dora" (Mittelbau) im Kohnstein bei Nordhausen. Bis zur Wende 1989 fuhren viele westdeutsche oder ausländische Besucher der innerdeutschen Grenze zu sogenannten Übersichtspunkten. Ein bevorzugtes Ziel war die Aussichtsplattform auf dem Berghang oberhalb von Juliushütte. Die Besucher blickten von hier aus auf den Ellricher Burgberg, auf den Grenzbahnhof Ellrich, in dem im innerdeutschen Bahnverkehr täglich einige Güterzüge abgefertigt wurden und auf geringe Teile der Stadt Ellrich. Direkt im Vordergrund hatte sich die Natur das Gelände am Pontelteich, auf dem einst Juliushütte stand, längst zurückerobert. Als 1984 eine Studentengruppe der Universität Hannover das Pontelteichgelände untersuchte, weil es Naturschutzgebiet werden sollte, wurde, wie der Hamburger Geschichtsforscher und Schriftsteller Manfred Bornemann in seiner 1992 in Nordhausen erschienenen "Chronik des Lagers Ellrich 1944/45" schreibt, "ein vergessenes Konzentrationslager neu entdeckt." Vergessen war es wohl nicht - aber das Wissen um seine Existenz doch ziemlich verdrängt worden. Das Gelände dieses grauenvollen Lagers wurde nach 1945 durch die Zonengrenze, später durch die innerdeutsche Grenze, den "Eisernen Vorhang", zerteilt. Das ehemalige Lager wirkte wie "Niemandsland" - und wurde auch so behandelt. Als in den 50er Jahren die DDR-Machthaber die "Reste" von Juliushütte als Ziel für ihren Propaganda-Tourismus entdeckten, wurden immer mehr regimetreue Menschen auf östlicher Seite an die Grenzsperren in Ellrich herangekarrt. Sie sollten sich ein Bild von den "Mißständen im kapitalistischen Westen" machen. 1963 besuchte Dr. Rainer Barzel als damals junger Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen den Walkenrieder Ortsteil Juliushütte, in dem aber seit 1960 niemand mehr wohnte. 1964 finanzierte der Bund den Abbruch der Gebäude, die Beseitigung der Trümmer und Aufforstungen. 1877/78 hatte der Fabrikant Julius Bergmann auf dem Gelände am Fuße des Pontelberges in der Nähe der östlichen Zufahrt zum Eisenbahntunnel Ellrich-Walkenried eine Gipsfabrik gegründet und ihr seinen Namen gegeben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Unternehmen zur damals größten Gipsfabrik in Deutschland. Wegen Überkapazitäten bei der Gipsgewinnung wurde das Unternehmen 1927 gegen Abfindung geschlossen. 1936 ließ sich der Fabrikant Armin Trinks aus Erfurt mit einer Holzmehlfabrik in den Fabrikgebäuden des ehemaligen Gipswerkes nieder. Das Werk produzierte noch nach dem 2. Weltkrieg, brannte aber am 4. August 1953 total nieder. Die Ellricher Feuerwehr, die einsatzbereit direkt an der Grenze ausharrte, musste erst die Genehmigung aus Erfurt einholen, ehe sie zum Löschen rüber durfte. Da war es für die Rettung der Gebäude zu spät. Die Wehr aus Walkenried hatte einen zu langen Anfahrweg. Auch sie konnte nur noch Reste retten. Die Firma Trinks siedelte damals nach Bad Lauterberg um. Das Feuer hatte auch fünf Familien obdachlos gemacht. Das Ende von Juliushütte begann sich abzuzeichnen. Es wurde noch ein langes dahinsiechen bis zum endgültigen Abbruch 1964. Es folgten noch weitere 25 Jahre deutsche Teilung. Ab und zu tauchten Spaziergänger oder Badefreunde am Pontelteich auf. Das Wissen um das in unmittelbarer Nähe gelegene Konzentrationslager war mehr oder weniger verdrängt. Nur gelegentlich mag es beklommene Gefühle gegeben haben. Manfred Bornemanns Broschüre von 1992 mit der grauenvollen Chronologie der Jahre 1944/45 hilft, daß aus Verdrängen nicht Vergessen wird. Quelle: Harz-Echo 08.03.00 [ zurück ] |