Kann eine Sage 3000 Jahre leben ?

Die Lichtensteiner Kurrende

"Auf dem Lichtenstein, zwischen Dorste und Osterode hört man oft einen Gesang und ist doch niemand sichtbar. Der Spielmann Wolf sah dort aus einem Loche einmal wohl dreißig Schüler in blauen Zarschmänteln hervorsteigen und singend in den reinsten Tönen und ohne nur einmal im Singen anzuhalten, wie eine gute Kurrende auch nicht muß, bis nach dem Buchenholze gegenüber hingehen, wo zu Himmelfahrt das Fest gefeiert wird, das die Osteröder den Füllenmarkt nennen, weil die jungen Leute dort so gern über den Strang schlagen. Wer aber dann, wenn die Schüler aus der Grube gestiegen sind, das Herz hätte, dahinein  zu steigen, der könnte große Schätze herausholen. Der Spielmann Wolf hatte es nicht, darum ist  er als ein armer Teufel gestorben."

(Text nach Heinrich Pröhle: Harzsagen - 1853).

Nur Tage nach der
Entdeckung: Von
der Tragweite des
Fundes überzeug-
ten sich die Wissen-
schaftler (v.l.n.r.)
Dipl.-Geol. F. Vla-
di, Osterode; Prof.
B. Herrmann,
Göttingen; ltd.
Grabungstechni-
ker F.-A. Linke,
Goslar und Dr.
R. Maier,
Hannover
Foto: Vladi

Dem Rätsel auf der Spur

Die Sage im Kopfe untersuchten Anfang 1980 Höhlenforscher am Fuße des Lichtensteins, hart über dem Sösetal, eine kleine Spaltenhöhle. Die Biologin Kathrin von Ehren aus Hamburg entdeckte nach Überwindung unsäglicher Engstellen die ersten menschlichen Gebeine. Danach waren sie nach fast 3000 Jahren die ersten Menschen in den dann folgenden fünf kleinen Räumen. Nach dem schlichten Bronzeschmuck war der Fund datierbar, anhand der Schädel und Zähne der allenthalben verteilt liegenden Skelette zählten die Entdecker in dieser Nacht 30 Jugendliche.

Der Fund war nicht nur, wie den beteiligten Wissenschaftlern sofort klar war, eine Sensation; er löste tiefes Grübeln aus: konnte sich in Dorste das Wissen um die dreißig Knaben im Lichtenstein über bald 3000 Jahre erhalten haben? Bis heute konnte - auch von den Sagenforschern - dieses Rätsel nicht beantwortet werden.

[ zurück ]

Impressum / Datenschutz