Im Jahre 1988 gelang die Entdeckung einer einzigartigen großen Höhle, der Numburghöhle. Seit rund 60 Jahren als kleine Höhle bekannt, wurde sie schlagartig zur größten Höhle des Kyffhäusergebietes. Riesige Säle und hohe Dome, die sogar die Größe des Großen Domes der Heimkehle übertrafen, sorgten für Aufsehen. Im Oktober des Jahres 1988 tauchte die Höhle aus dem Wasser auf. Das Auftauchen besorgte der 15 km weit entfernt umgehende Kupferschieferbergbau bei Sangerhausen. Dieser hatte beim Beheben seiner großen Wasserprobleme einen Absenktrichter im gesamten Karstwasserspiegel geschaffen, der 1988 zusehends den Karstwasserspiegel in der Badraer Schweiz zwischen Kelbra und Auleben absenkte. Die kleine Numburghöhle war bis zu diesem Zeitpunkt eine unscheinbare Quellhöhle. Die Quellen hatten bereits Jahre vorher ihre Schüttung eingestellt. 1988 fiel der Wasserspiegel aber so schnell, daß auch die Wasserflächen der kleinen Höhle trocken fielen und damit eine riesige Höhle aus dem Wasser auftauchte. In den nachfolgenden Monaten wurde die Höhle zum Gegenstand einmaliger Erlebnisse und großer Entdeckungen. Während der Forschungsarbeiten fiel der Wasserspiegel weiter und damit wurden tiefer liegende Teile der Höhle zugänglich. Letztendlich hatte sich der Wasserspiegel so weit unter das betretbare Höhlensohlenniveau verzogen, daß an dieses Wasser kaum noch zu denken war. Lage der Höhle im Berg Allerdings konnte in der Zwischenzeit auch nachgewiesen werden, daß dieses Karstwasser ebenfalls im Einzugsbereich der großen Pumpen des Thomas-Müntzer-Schachtes Sangerhausen lag. Der Bergbaubetrieb selbst war kaum noch in der Lage, die anfallenden Wassermassen zu heben. Dazu war das Wasser stark salzhaltig, es konnte in dieser Konzentration nicht einfach an die Umwelt abgegeben werden. Das salzhaltige Wasser selbst wirkte sich negativ auf Pumpen, Schieber und Rohrleitungen aus. Die Kosten der Wasserhaltung überschritten bald alle vernünftigen Werte. Mit der Entwässerung des Karststockwerkes wurden die darüberliegenden Schichten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. An großen Störungszonen waren bald mehrere Grundwasserstockwerke miteinander verbunden. So fielen Brunnengalerien trocken und letztendlich versuchte sich auch das Wasser des Kelbraer Stausees einen Weg in die Tiefe zu bahnen, da die darunterliegenden, sonst grundwasserführenden Schichten, ebenfalls entwässert wurden. Damit wurde klar, daß das Betreiben weiterer Wasserhaltung im Kupferschieferbergbau in diesen Dimensionen nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Das sogenannte Westfeld des Grubengebäudes des Thomas-Müntzer-Schachtes wurde abgeriegelt und man stellte die Wasserförderung und den Bergbau in diesen Feldesteilen ein. Daraufhin stellte sich der alte Karstwasserspiegel innerhalb weniger Monate wieder ein und man konnte das Wasser in der Höhle ansteigen sehen. Es dauerte nur wenige Wochen und die große Höhle war für alle weiteren Zeiten der Nachwelt entrückt. Der Wasseranstieg erfolgte teilweise so schnell, daß nicht mehr alle Arbeiten abgeschlossen werden konnten und ein Teil der Ausrüstung in der Höhle verblieb. Befahrungsbericht " ... Am 20. Oktober 1988 weilte der Biologe Rolf Eckert aus Berlin am Karstmuseum. Er arbeitete an der Feststellung der Spinnenfauna der Harzer Höhlen. Da im Eingangsbereich der Höhle sehr viele Spinnen lebten, führten wir ihn an diesem Tage zur Numburghöhle. Dieter Marquardt sollte ihm bei der Arbeit helfen. Christel und Reinhard Völker, sowie Karl-Heinz Schmidt waren mit einem neuen Schlauchboot ausgerüstet und hatten sich das Ziel gestellt, den geheimnisvollen Höhlensee zu überqueren. Das Boot wurde mit Mühe an die Abstiegsstelle geschleift und bereits ausgepackt, als der erste feststellte, daß es in dem im August entdeckten See gar kein Wasser mehr gab. Der Wasserspiegel war durch das anhaltende Pumpen des Schachtes weiter abgesenkt worden. Nun packte uns das Entdeckerfieber... Rolf und Dieter wurden herbeigerufen. Ralf vergaß sofort seine Spinnen. Der "See" war völlig leer. Wir betraten eine geräumige Halle. Der Boden bestand aus bizarrstem Anhydritschutt. Die Oberfläche der sehr labil gelagerten Trümmer war mit einer feinen und nassen Schlammschicht überzogen. Es war sehr schwierig und anstrengend, einen sicheren Stand auf diesem. Material zu bekommen. Wir tasteten uns immer am Rande der Halle entlang. An der hangwärts liegenden Begrenzung des Raumes stiegen wir ständig über von außen einfließende Trümmermassen und Schlammberge. Wir kannten das Spaltensystem von außen, das also war die Verbindung zur Höhle. Zwei tunnelartige Fortsetzungen führten weiter nach unten. Die Schlammassen waren aber noch so naß, daß wir darin versanken. Anfangs floß der Schlamm nur oben in die Stiefel hinein, bald aber mußten wir uns gegenseitig aus dem Schlamm herausziehen. Man konnte kein Bein mehr bewegen. Wir hatten Angst, im uferlosen Morast zu versinken. Mehrere Gänge trennten sich. Eine unsägliche Entdeckerfreude bemächtigte sich unserer. Überall ging es weiter. Die Querschnitte der Gänge waren so groß, daß man immer aufrecht weiter laufen konnte. Reiner versank in einem Gang bis zu den Hüften im Schlamm. Er mußte sich ausgraben und mit Mühe auf einen nackten Felsblock ziehen. In dieser Richtung ging es also zur Zeit nicht weiter. Aber rechter Hand gab es auch einen großen Gang. Der zähe Schlamm ließ uns kaum noch vorwärtskommen. Aber da verlor sich plötzlich das Licht unserer Lampen in der Dunkelheit. Ein riesiger Raum zeigte sich, die Halogenlampe konnte nur ein schwarzes Loch zeigen. Mit viel List und Tücke überwanden wir die letzte Schlammstelle, die uns fast in die Tiefe zu ziehen drohte. Aber das konnte uns nun nicht mehr aufhalten. Bald standen wir am Anfang eines riesigen Domes, am Fuße einer meterhohen Verbruchshalde. Blöcke von mehreren Kubikmetern und kleinstückiger Verbruch häuften eine riesige Halde auf. Auch jüngster Verbruch, wenige Stunden alt, lag mit frischen Abrißflächen auf morastigem Untergrund. Nach ehrfurchtsvollem Staunen und Bemustern der Wände nach weiteren möglichen Verbruchsereignissen tasteten wir uns auf diesem Berg weiter. Auch hier war der Verbruch mit einer feinen Schlammschicht überzogen. Der Schlamm machte das Besteigen des Berges zu einer schwierigen Angelegenheit. Alles an uns war morastig, man konnte kaum noch die Füße heben. Es war so glatt, daß man sich kaum halten konnte. Am besten war es, sich auf allen Vieren zu bewegen. Viele Blöcke lagen im Gleichgewichtszustand. Schon ein Anfassen brachte sie zum Umstürzen. Durch die Lage im Wasser waren sie an der Unterseite total korrodiert. Sie besaßen keine Auflagefläche mehr. Selbst festliegende Steine brachen durch das Gewicht beim Begehen in sich zusammen. Jeder Schritt mußte überlegt werden. Als wir den Trümmerberg bestiegen hatten, wölbte sich über uns eine Kuppel von gut 12 m Höhe. Auch der Trümmerberg selbst hatte diese Höhe. Der Raum war somit etwa 25 m hoch und hatte einen Durchmesser von gut 40 Metern. Der ungeheure Verbruch brachte dem Raum spontan den Namen "Chaosdom" ein. Ein Abstieg vom gegenüberliegenden Teil des bestiegenen Trümmerberges war unmöglich. Dort stand noch Wasser und gab keinen Weg frei. Aber in einer Wand war eine canonartige Schlucht sichtbar. Diese war an einigen Stellen maximal einen Meter breit und mindestens 12 m hoch. Der untere Teil stand im Wasser und man konnte diese Schlucht so ohne weiteres nicht erreichen. In der gleichen Wand befand sich aber eine Öffnung, die man erreichen konnte. Dort schien es weiterzugehen. Mit Hilfestellung von Ralf konnte Reiner hinein kriechen und bald waren alle in ihr verschwunden. Es war ein Gang mit den schönsten Querprofilen, so wie ihn das Lehrbuch als einen typischen Lauggang aufzeichnet, vielleicht sogar noch eine Idee schöner als im Lehrbuch. Nach etwa 15 m war der Gang leicht verschüttet und es schien, als wäre hier das Ende erreicht. Nur zog ein Luftstrom merklich an der rechten Seite. Ein Griff in diese Seite, es ging weiter, der nächste Schock . . . Die Lampe tastete wiederum ins Leere. Wir kamen in einen Dom, der alles vorher Gesehene vergessen ließ. Wir hockten zusammen eine ziemliche Weile am Eingang dieses riesigen Raumes. Ein Blick auf die vereinbarte Kontrollzeit sagte, daß uns nur noch wenige Minuten blieben. Hätten wir die Zeit überzogen, wäre die Rettungsmannschaft, bestehend aus Kollegen des Karstmuseums, aufgebrochen. Diese wußte nichts von unserer Entdeckung, wobei unsere Spuren im Schlamm wohl kaum zu übersehen waren. Aber ein kurzer Abstecher in diesen großen Raum mußte die verbliebene Zeit noch bringen. Mit vorsichtigen Schritten begannen wir, ein im Raum liegendes Trümmergebirge zu besteigen. Es zog sich mit guten hundert Metern Länge durch den Dom. Auch hier lagen die Blöcke ähnlich gefährlich, wie im "Chaosdom" bereits angetroffen. Über einen "Gebirgspaß" erreichten wir jedoch den Gipfel dieses Trümmergebirges. Dieser Aussichtspunkt vermittelte uns einen überwältigenden Eindruck von der Größe des Raumes. Das Gewölbe erhob sich 16 m über unseren Köpfen. Die Halle selbst lag bestimt 15 m hoch mit Trümmern verfüllt, man konnte an keiner Stelle den wahren Boden betreten. Der Raum hatte einen Durchmesser von mindestens 60 Metern. Er erinnerte an den "Großen Dom" der Heimkehle. Warum sollte er nicht genauso heißen? Nun fehlte nur noch eine Gipfelfahne. Wenn man das über der Erde erzählte, wer würde es glauben? Noch ein kleiner Rundgang an den Wänden des Domes, vorbei an wunderschönen Gipslappenbildungen, bizarren Korrosionsformen, Tropftrichtern im Schlamm und der herrlichen Maserung des Gesteins. Die Zeit war um, wir mußten umdrehen. Die Kunst bestand darin, den Entdeckergeist zu bezähmen, die Sicherheit ging vor. Ralf und Dieter sahen das zähneknirschend ein. Diese Entdeckung war sehr nachhaltig, in der Nacht träumten wir alle von der großen Höhle und am Morgen standen wir noch wie unter Schock. Aber wir brannten darauf, das Ende der Höhle zu finden. Eine Fortsetzung hatten wir von unserem Gipfel aus nicht gesehen. Mit Fotoausrüstung ging es los. Wir wollten diesen Teil der Höhle dokumentieren. Wie sollten wir die Größe der Höhle schildern, wenn nicht durch Bilder? Das Fotografieren erforderte sehr viel Licht. Selbst bei schwarz-weiß Aufnahmen verbrauchte eine solche Halle bis zu 60 leistungsstarken Elektronenblitzen. Beim Fotografieren im "Großen Dom" wurden die Blitzgeräte an verschiedenen Positionen postiert. Dabei entdeckten wir einen großen Tunnel, der weiter in den Berg hinein führte. Ralf brannte darauf, diesen Tunnel sofort zu untersuchen. Das aber wäre eine Veränderung unseres Programmes gewesen. So wurde wieder mal mit den Zähnen geknirscht und die fotografische Dokumentation zu Ende gebracht. Neue Entdeckungen waren angesagt, aber auf den darauffolgenden Tag verschoben. Der 22. Oktober war ein Sonnabend. Ralf, Christel und Reiner wollten den weiteren Weg erkunden. Der Weg bis zum "Großen Dom" kam uns nun schon sehr bekannt vor. Es erstaunte uns die Tatsache, daß der Schlamm immer weiter abtrocknete und schon bei weitem nicht mehr solche Probleme machte, wie am Tage der Entdeckung. Mit dem Betreten des Tunnels betraten wir Neuland. Der Tunnel war so groß, daß ein Sportflugzeug durch ihn hätte fliegen können. Beim Flugzeug dachten wir aus irgendwelchen Gründen an Franz Josef Strauß und so erhielt der Tunnel den Arbeitsnamen Franz-Josef Tunnel. Da unsere Ergebnisse aber auch einer hochwohllöblichen staatlichen Kommission vorgelegt wurden, erschien es Reiner nicht als ratsam, diesen Namen auf die später angefertigte Karte der Höhle zu übertragen. Er fürchtete damals, sicher nicht zu unrecht, mit Schwierigkeiten. So wurde der Tunnel in Stolberg-Tunnel umbenannt. Stolberg, Ersterforscher der kleinen Numburghöhle, hatte diese Ehre bestimmt verdient. An den Wänden des Tunnels fanden wir weitere Gänge, die wir jedoch erst einmal nicht weiter untersuchten. Der Boden des Tunnels war ebenfalls von chaotisch gelagerten Verbruchsmassen bedeckt. Der Tunnel endete nach rund hundert Metern in einem weiteren schwarzen Loch. Dieser Verbruchsdom übertraf seine beiden Vorgänger noch um einiges. Zwei zuckerhutartige, Trümmerberge ragten in die Höhe, wie zwei gewaltige Berge. Der höchste Gipfel erreichte eine Höhe von 20 Metern über der Verbruchsshalle. Was jenseits dieser Gipfel lag und welche Aussicht von diesen zu genießen war, blieb vorläufig unklar. Wir beschlossen, zuerst eine würdige Gipfelfahne zu häkeln und danach den Gipfel zu besteigen. Jetzt ging es erst einmal weiter geradeaus. Am Fuße der Berge mußte eine beachtliche Trümmerhalde mit riesigen und recht frischen Trümmern überwunden werden. An einer steilen Seite der Trümmermassen abgestiegen, kamen wir wieder in einen Tunnel. Dieser war nicht mehr von so gewaltigem Querschnitt, wie alle varangegangenen Räume, aber 5 m Breite und 3 m Höhe hatte er auch an jeder Stelle. Faszinierend war das blendend weiße Anhrdritgestein. Bizarrste Auslaugungsformen, kleine angesetzte Gangstücken, die plötzlich aus dem Nichts heraus entstanden, um in den Gang zu münden und viele aktive Tropfstellen charakterisierten diesen Höhlenteil. Staunend durchwanderten wir den Tunnel. Die hangwärts liegende Wand schien aus Schutt zu bestehen. In diesem rotbraunen Schutt gab es einige Löcher, die wir aber bei diesem Vorstoß noch nicht näher untersuchen wollten. Nach einiger Zeit hörten wir deutlich Wasser plätschern. Ein kleiner Bach tauchte auf. Er verschwand zu unseren Füßen in einem Loch und floß irgend einer unbekannten Höhlensohle zu. Das Loch war erfüllt von wild zernagtem Gestein. Der Bach kam uns entgegen, wir mußten also erkunden, wo er herkam. Und immer wieder beeindruckten die kleinen Seitengänge, mit idealen Gangquerschnitten, wieder was fürs Lehrbuch. Sie waren deutlich an Klüfte gebunden und wiesen eine wunderschöne horizontale Decke und schräge Seitenflächen auf. Sie begannen mit vollem Querschnitt aus unerklärlichen Gründen förmlich im Nichts. Ein Stückchen Kluft im Gestein und dann sofort diese Formen ... Die Höhle machte einige Windungen, die spätere Einmessung zeigte jedoch, daß diese Windungen nur durch den Bach und den Verbruch vorgetäuscht wurden. In Wirklichkeit hielt der Tunnel eine Richtung. An etlichen Stellen hatte der Bach kleine Wasserflächen angestaut. Der Tunnel machte nach gut 150 m Länge plötzlich einen jähen Knick und Wasser und Morast machten das Vordringen fast unmöglich. Voll unter dem Eindruck des Gesehenen beschlossen wir, die Erkundung einzustellen. Durch die schmierigen und morastigen Stellen unseres Weges benötigten wir noch über 2 Stunden, um wieder an das Tageslicht zu gelangen. Später, als alles abgetrocknet war, gelang der Rückzug in der halben Zeit. Am darauffolgenden Sonntag versuchten Christel und Reiner die Lage der Höhle mit einem einfachen Kompaßzug einigermaßen genau zu bestimmen. Bei den ständigen Auf- und Abstiegen über Trümmerberge war uns der Eindruck gekommen, als würde die Höhle unter den Kelbraer Stausee reichen. Diese Erkenntnis hätte ja eine große Bedeutung gehabt. Die grobe Handvermessung war so gut, daß die spätere genaue Vermessung die gleichen Umrißkonturen erbrachte. Übrigens zeigte die Vermessung, daß die Höhle nicht unter den Kelbraer Stausee reichte, sondern von diesem weg in Richtung der Straße Kelbra-Badra führte. Die Aufmessung begann an dem Punkt, an dem am Tage vorher die Erkundung eingestellt wurde. Christel bestand darauf, an dieser Stelle noch eine kleine Erkundung in Richtung Neuland zu wagen. So überwanden wir den Morast und die Wasserflächen, stiegen über sehr labile Trümmermassen und gelangten kurze Zeit später in einen riesigen Raum. Blendend weißes Gestein, chaotische Trümmermassen waren der erste Eindruck. Der Raum war so unübersichtlich, daß wir seine Weite nicht einsehen konnten. Überall plätscherten Bäche. Ihre Bachbetten waren erfüllt mit Kieseln und Schottern, ein völlig ungewöhnliches Bild. In den Bachbetten lag roter Sandstein, große wasserbedeckte Morastflächen von rotbrauner Farbe stellten sich uns entgegen. Die rauschenden Bäche kamen von einer dunkelen, noch nicht richtig ausmachbaren Wand. Sie hob sich dunkel vom weißen, völlig zermahlenen Gipsgestein ab. Man mußte zu ihr hinaufsteigen. Die dabei zu überwindenden Verbruchsmassen waren äußerst instabil und gaben bei jedem Schritt nach. Hier war vor uns nie ein Mensch gewesen und die Auslaugung hatte einen völlig instabilen Verbruchsberg entstehen lassen. Größte Trümmermassen brachen unter unseren Füßen zusammen; es war ein sehr seltsames, unbehagliches Gefühl. Aber die dunkle Wand zog uns magisch an. Ich weiß heute nicht mehr, was wir zuerst dachten, als wir unmittelbar vor der Wand standen. Es dauerte wohl eine geraume Zeit, bis uns klar wurde, was hier los war. Wir standen vor einer Sandsteinwand! Dadurch endete die Höhle hier schlagartig. Eine gewaltige geologische Störung, wie sie schöner in einem Lehrbuch kaum gezeichnet werden konnte! Solche Störungen gab es für den Geologen in der Phantasie, in der Natur so etwas echt zu sehen und anfassen zu können, das war schon was. Ein Nichtgeologe vermag diese seltsamen Gefühle bestimmt kaum nachzuempfinden. Der Sandstein gehörte hier nicht hin. Er mußte mindestens 60 Meter unter der Höhle liegen, noch unter dem das Sulfatgestein begrenzenden Zechsteinkalk und dem Kupferschiefer. Aus den deutlich sichtbaren Klüften und aus Schichtflächen lief das Wasser in kleinen Bächen heraus. Es war ungesättigt und verrichtete im anstehenden Gips auf der Seite der Höhle sofort intensivste Auslaugungstätigkeit. Damit war die Herkunft dieser völlig instabil gelagerten Verbruchsberge vor der Sandsteinwand geklärt. Die Bäche von der Wand verzweigten sich, verästelten, verschwanden teilweise unter Schuttbergen und im unergründlichen rotbraunen Höhlenlehm. An einer Stelle vereinigte sich das Wasser und floß dann als Bach im Wassergang entlang, ehe es in tieferen Stockwerken wieder verschwand und dem Salzwasserspiegel in der Tiefe zufloß. Tief beeindruckt verweilten wir längere Zeit an dieser Stelle, genossen den guten Geschmack des Wassers und trösteten uns damit, daß bei einem gewaltsamen Einschluß unserer kleinen Expedition zumindest genügend Trinkwasser vorhanden wäre. In diese Richtung konnte die Höhle nun nicht mehr weiterführen. Aber parallel zur Sandsteinwand ging es in einem chaotischen Verbruchszug weiter... " |