Schatzkästlein der Natur Das Lüderholz an der Großen Steinauvon Firouz Vladi, Osterode am Harz Manche Abschnitte des Karstwanderweges haben sehr eigentümliche Reize, manche vermitteln geradezu lehrbuchhaft Erscheinungen der Geologie und des Karstes. Dies ist umso schöner, wenn auch der geowissenschaftlich weniger interessierte Wanderer auf seine Kosten kommt: mit schönen Waldbildern oder geheimnisvollem Relief. Ein solches Schatzkästlein der Natur ist das Lüderholz. Dies liegt im Forstrevier Rehhagen zwischen Osterode und Herzberg und ist über die B 243, Abfahrt Hörden, und die Stichstraße von der Aschenhütte nach Mühlenberg zu erreichen. In einem Rechteck östlich der Stichstraße, südlich der Bahnlinie Osterde – Herzberg, westlich der Großen Steinau und nördlich der B 243 liegt ein leicht reliefiertes Waldgebiet, das durch zahllose Erdfälle auffällt. Der Karstwanderweg Südharz führt von der Stichstraße ausgehend in einer Schleife durch diesen prächtigen und artenreichen Laubwald, in dem Buche, Eiche und Hainbuche mit nurmehr geringem Nadelholzanteil dominieren. Etwas wird der Naturgenuss durch den Geräuschpegel getrübt, der von der nahen B 243 ausgeht. Gewässer bilden die z.T. stetig, z.T. periodisch grundwassergefüllten Erdfälle sowie die Gr. Steinau, die allerdings in Trockenwetterzeiten auf halber Strecke zwischen Bahn und B 243 versiegt. Das Lüderholz bildet eine Zone äußerst aktiver Erdfallbildung im Verzahnungsbereich der Niederterrassenkiese der Gr. Steinau mit denjenigen der Sieber. Als Niederterrassen werden die an der Oberfläche ebenen Aufschüttungen von Flusskiesen bezeichnet, die während der jüngsten oder Weichsel-Kaltzeit zur Ablagerung gelangten. Sie werden aus dem unter Permafrostbedingungen aus dem Gebirge abtransportierten Gesteinsschutt gebildet. Das sind hier insbesondere Kulmgrauwacken und -schiefer der Siebermulde sowie Quarzite des Acker-Bruchberg-Zuges. Im Lüderholz tritt eine große Anzahl von z.T. deutlich ausgeprägten Terrassenkanten und -stufen auf, die fallweise bis nordöstlich der Bahnlinie zu verfolgen sind. Sie liegen alle im Übergangsbereich vom Akkumulationsmaximum der Niederterrasse zur holozänen bis rezenten Talaue. Die Abbildung gibt eine Übersicht über die Oberflächenstrukturierung des Lüderholzes auf der Grundlage der Grundkarte 1:5.000. Geröllanalysen aus 32 Proben, verteilt über das Lüderholz und das Gewässerufer sollten die Formeneinheiten stratifizieren. Sie zeigen so wenige Unterschiede, dass von einer Konstanz des Liefergebietes im mittleren und jüngeren Quartär ausgegangen werden kann. Beachtenswert ist das regelmäßige Auftreten von Schlacken in Proben aus den unteren Böschungen der Terrässchen am westlichen Ufer der Gr. Steinau. Sie bezeugen massive Umlagerungen und Neuaufschüttungen von Kiesen bis ins Mittelalter hinein. Die Gleichförmigkeit der Schüttungen beweist, daß das Lüderholz eine ausschließliche Akkumulation der Gr. Steinau darstellt. Am südlichen Rand des Lüderholzes verzahnen sich im unteren Teil eines Aufschlusses Kiese der Gr. Steinau und Granit führende Kiese der Sieber. Nach oben hin fehlt aber in diesem Aufschlussbereich Material der Sieber. Demnach hat sich der Schuttfächer der Gr. Steinau während der Akkumulation der Niederterrasse zunehmend nach Süden fortgebaut. Die grauwackenreichen Kiese des Lüderholzes zeigen keinerlei Verwitterungsspuren, wie sie aber für die Oberterrassen charakteristisch wären, so dass sie als junge Kiese, also solche der Niederterrasse, im rückwärtigen Teil als Kiese der jüngeren Mittelterrasse (Warthe-Stadium der mittleren oder Saale-Kaltzeit) gedeutet werden müssen. Das Liegende bildet der flach unter den Kiesen auskeilende und offensichtlich schon stark zerschlottete Werra-Anhydrit des Zechstein 1 mit einer möglichen Restbedeckung aus Schutt des Hauptdolomits des Zechstein 2. Der Ausbiss des Werra-Anhydrit befindet sich im Holozän in vehementer Rückverlegung. Die stark wasserdurchlässigen Kiese und der gewässerbegleitende Grundwasserstrom der Steinau fördern die Erdfalltätigkeit, die nach Augenzeugenberichten und dem Studium der Morphologie frischer Erdfallwände, die allesamt noch im Kies angelegt sind, gegenwärtig noch anhält. In der Zone der aktivsten Erdfallbildung des Lüderholzes liegt auch bei längeren Trockenwetterphasen die Versickerungsstelle der Gr. Steinau. Sie versiegt in ihren eigenen Kiesen in flachen Schwalglöchern. Dieses Wasser geht z.T. in das tiefere Karstgrundwasser über, das an der Rhumequelle nach etwa viertägigem Verlauf wieder austritt; einen anderen Teil schütten die Quellen auf der südöstlich der Aschenhütte am linken Ufer der Kleinen Steinau gelegenen Nonnenwiese, auf der für die Stadt Herzberg Trinkwasser gewonnen wird. Bohrproben aus Erdfallsedimenten im Lüderholz (CHEN 1982) geben einen guten Einblick in die Wald- und Vegetationsgeschichte sowie die Siedlungs- und Agrargeschichte der näheren Umgebung. Erste Getreidepollen datieren bereits aus der Jungsteinzeit. Noch im 13. Jh. wurde das Lüderholz als Eichenhudewald genutzt. Zwischen 1596-1732 wurde es als „geschontes Eichenmastholz ohne Unterwuchs“ beschrieben, in dem auch Fichten vorkamen (BEGEMANN 2003). Der artenreiche Laub- bzw. Laubmischwald erlaubt einen guten Durchblick und lässt so ein Erfassen der Morphologie des Lüderholzes zu, wie dies beim Passieren des Karstwanderweges gut möglich ist. Ein Teil der geologisch, geomorphologisch und karsthydrogeologisch besonders interessanten Erscheinungen, insbesondere die Zone der rezenten Erdfallbildung zeigt sich zwischen dem wassererfüllten Erdfallsee des Kesselsumpfes und dem anschließenden linken Ufer der großen Steinau. Dieses Gelände ist weglos, aber gut zu begehen. Auf der in der Karte grün markierten Route konnten wir anlässlich einer quartärgeologischen Exkursion diese Karstzone erkunden, wobei in der derzeitigen Niedrigwasserführung die Steinau gequert und der Feldweg entlang des östlichen Ufers in Richtung Mühlenberg genutzt werden konnten. Dies war attraktiver als der Verlauf des Karstwanderweges entlang der Asphaltstraße. Bei Niedrigwasser ermöglicht, wie sich im Gelände zeigte, auch die blau markierte Route ein Queren des Bachbettes unter der Bahnbrücke. Ein Vergleich lohnt mit zwei Gebieten im ehem. Landkreis Osterode am Harz, die einen geologisch und geomorphologisch, ja auch waldbaulich fast identischen Aufbau zeigen; dies sind „Die Birken“ oder der Pöhlder Wald zwischen Pöhlde und Scharzfeld, eine Niederterrasse der Oder über Hauptanhydrit, und der Mackenröder Wald zwischen Nüxei und Mackenrode, eine gemeinsame Niederterrasse der Steina und der Ichte, ebenfalls über Hauptanhydrit. Auch diese beiden karstmorphologisch eindrucksvollen Gebiete werden durch den Karstwanderweg erschlossen und laden zum Besuch bzw. zur wissenschaftlichen Exkursion ein. Osterode am Harz, im Oktober 2006 GPS-Koordinaten Literatur
Dieser Text schließt einen überarbeiteten Textauszug und einen überarbeiteten Kartenauszug ein aus: VLADI, Firouz (1976): Quartärgeologische Untersuchungen zu den Terrassen der Sieber am Südwestrande des Harzes.- 109 S.; Hamburg (Dipl.-Arb. am Geol. Paläont. Inst.).
BEGEMANN, Ina (2003): | Palynologische Untersuchungen zur Geschichte von Umwelt und Besiedlung im südwestlichen Harzvorland (unter Einbeziehung geochemischer Befunde).- 132 S., 24 Abb.; Dissertation Math.-Nat. Fak. Univ. Göttingen | CHEN, Su-Hwa (1982): | Neue Untersuchungen über die Spät- und Postglaziale Vegetationsgeschichte im Gebiet zwischen Harz und Leine.- Dissertation Universität Göttingen, S.102 | CHEN, Su-Hwa (1988): | Neue Untersuchungen über die spät- und postglaziale Vegetationsgeschichte im Gebiet zwischen Harz und Leine (BRD), Flora, 181, 147-177 | CHEN, Su-Hwa (2000): | Pollen profile of section Luederholz-1 in northern Germany, PANGAEA, doi:10.1594/PANGAEA.56804 s.a.: http://doi.pangaea.de/10.1594/PANGAEA.56804 | DEICKE, Matthias (2003): | Erdfallablagerungen des südlichen Harzvorlandes - Archive der Umweltgeschichte der letzten Jahrtausende.- Dissertation der geowissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen, S.105 | RICKEN, Werner (1982): | Quartäre Klimaphasen und Subrosion als Faktoren der Bildung von Kies-Terrassen im südwestlichen Harzvorland.- Eiszeitalter Gegenwart, 32: S.109-136 |
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