Älteste Familie der Welt entdeckt Die seit 10 Jahren laufenden und kurz vor dem Abschluss stehenden Ausgrabungen in der am südwestlichen Harzrand gelegenen Lichtensteinhöhle haben zu sensationellen Ergebnissen geführt: In der weitgehend unversehrten bronzezeitlichen Kulthöhle aus dem 8. bis 10. Jahrhundert v.Chr. wurde ein Fundensemble mit zahlreichen Spuren von Kulthandlungen sowie Resten von 39 Menschen entdeckt und unter der wissenschaftlichen Leitung des Kreisarchäologen Dr. Stefan Flindt untersucht und geborgen. Die Lichtensteinhöhle, die wissenschaftlich wichtigste in der weltweit bedeutenden Höhlenlandschaft des Harzes, hat sich damit als ein in seiner Dimension noch gar nicht zu überblickender Glücksfall für die Forschung erwiesen, denn Knochen und Beifunde besaßen aufgrund der stetigen „Kühlschranktemperaturen“ von ca. 8 Grad Celsius sowie der besonders günstigen chemischen Bedingungen im umgebenden Gipsgestein konservatorisch einzigartige Lagerungsbedingungen. Sind die Funde selbst schon aufregend genug, so gelang es den Forschern des Anthropologischen Instituts der Universität Göttingen unter der Leitung von Dr. Susanne Hummel, anhand genetischer Fingerabdrücke aus den Menschenknochen ein verwandtschaftliches Beziehungsgeflecht in urgeschichtlicher Zeit nachzuweisen. Erstmals konnte der Stammbaum der weltweit ältesten, anhand genetischer Fingerabdrücke nachzuweisenden Familie – und dieses sogar über drei Generationen hinweg – verfolgt werden. Die Rekonstruktion war aufgrund der ungewöhnlich guten DNA-Erhaltung möglich, die eine sichere Ermittlung des genetischen Fingerabdruckes überhaupt erst erlaubte; sogar die Haarfarbe einiger Familienmitglieder konnte sicher bestimmt werden. Die prähistorischen Menschenknochenfunde aus der Lichtensteinhöhle sind insbesondere auf molekularer Ebene der besterhaltene Fundkomplex der Welt; sie sind, wie bereits die ersten molekulargenetischen „ancient DNA“-Analysen an den Menschenknochen zeigen, nicht nur für die Archäologie, sondern vor allem auch für die medizinische Forschung, darunter auch die AIDS-Forschung, sowie für die Populationsgenetik von einzigartiger Bedeutung. | © LK OHA | | © LK OHA |
Die vereinten Ergebnisse aus den archäologischen und anthropologischen Forschungen haben das Fenster in die Vergangenheit ein ganzes Stück weiter geöffnet. Erstmals erlauben sie den Blick auf eine nicht mehr anonyme, sondern in ihrem familiären Beziehungsgeflecht detailliert erkennbare Menschengruppe, die vor 3.000 Jahren am südwestlichen Harzrand in Niedersachsen lebte. Der Landkreis Osterode am Harz beabsichtigt, dieses weltweit bedeutende Fundensemble zusammen mit einem originalgetreuen Teilnachbau der Lichtensteinhöhle in einem Höhleninformationszentrum an der verkehrsmäßig günstig gelegenen Iberger Tropfsteinhöhle bei Bad Grund/Harz der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Ob die Präsentation einer der bedeutendsten Fundstellen der Gegenwart realisiert werden kann, hängt indes davon ab, ob die Niedersächsische Landesregierung ihr Wahlversprechen hält, in der notleidenden Region die – wie es Wirtschaftsminister Walter Hirche ausdrückte – „Premiummarke Harz“ zu etablieren und sich finanziell an den Kosten für ein in dieser Form in Deutschland konkurrenzloses Höhleninformationszentrum von nationaler und internationaler Ausstrahlung zu beteiligen; so würden auch dem Harztourismus die bitter nötigen Impulse verliehen. Die interdisziplinären Forschungen in der Lichtensteinhöhle werden seit 1993 von der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Osterode am Harz in Zusammenarbeit mit dem Anthropologischen Institut der Universität Göttingen und der Universität Basel durchgeführt. Seit 2002 finden die Ausgrabungen, die durch Forschungsmittel des Landes Niedersachsen gefördert werden, in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege statt. Ansprechpartner sind Dr. Stefan Flindt, Landkreis Osterode am Harz, Archäologische Denkmalpflege, Tel. 05522 960-652 oder 0160 96469010, und Dr. Susanne Hummel, Anthropologisches Institut der Universität Göttingen. Pressemitteilung vom 10.09.04 pressestelle@landkreis-osterode.de
Bewohner des Sösetals zur DNA-Beprobung in Förste (Januar 2007) DNA-Beprobung: Sind Osteroder Urahnen der Menschen aus der Bronzezeit? Es wäre eine absolute wissenschaftliche Sensation, einmalig weltweit, und würde Osterode nicht nur in den Fokus der Fachwelt rücken. Und noch mehr: Die Bürger können an dem Gelingen des Projektes mitwirken. Am Institut für Zoologie und Anthropologie der Georg August Universität Göttingen wird zurzeit mit einer Forschungsarbeit begonnen, die weltweit die erste dieser Art ist. Es soll eine Bevölkerung auf so genannte Residenzkontinuität untersucht werden. Konkret will man feststellen, ob die Menschen, deren Knochen aus der Bronzezeit im Jahr 1980 in der Lichtensteinhöhle zwischen Förste und Dorste gefunden, wurden die Urahnen der heutigen Bevölkerung des Landkreises Osterode sind. „Hierbei wird menschliche DNA (Desoxyribonukleinsäure), die die genetischen Informationen von Lebewesen enthält, analysiert“, erklärte die Forschungsleiterin Dr. Susanne Hummel vom Anthropologischen Institut Göttingen. Neuartig am Forschungsprojekt sei, dass erstmals die DNA-Muster der heutigen Bevölkerung unmittelbar mit sehr alten DNA-Mustern verglichen werden können: nämlich mit den DNA-Mustern, die aus Knochen oder Zähnen stammen, die in der Lichtensteinhöhle gefunden wurden und die von den Forschern auf ein Alter von 3000 Jahren datiert wurden. Die Göttinger Studentinnen Mireille Otto und Michaela Riesen bei einer DNA-Untersuchung
„Die Lichtensteinhöhle ist sozusagen ein wissenschaftlicher Glücksfall“, verdeutlichte Kreisarchäologe Dr. Stefan Flindt, der sich seit Jahren mit der Kulthöhle und der dortigen einmaligen Fundsituation beschäftigt. In ihr wurden viele bronzezeitliche Skelettteile gefunden, die so gut erhalten sind, dass es möglich war, ihre DNA in Göttingen vollständig zu analysieren. Statt zu verrotten, blieben die Knochen unter einer dicken Sinterschicht erhalten. So konnten trotz ungeordnet vorliegender Knochenfunde daraus 40 Individuen identifiziert werden. Kreisarchäologe Dr. Flindt und Göttinger Wissenschaftlerinnen hofften dringend auf die Mithilfe der Bevölkerung der Ortschaften Dorste, Förste, Eisdorf, Nienstedt, Marke, Ührde und Schwiegershausen, um mögliche Verwandtschaftsbeziehungen über mehr als 100 Generationen hinweg von der heute lebenden Bevölkerung zu den bronzezeitlichen Menschen aus der Höhle festzustellen. Interessenten, die sich zur Probennahme zur Verfügung stellen oder aber auch solche, die sich nur über dieses Projekt informieren wollten, waren eingeladen, am 20. Januar in die Grundschule Förste zu kommen. Die Untersuchung war vollkommen schmerzfrei, ohne Nebenwirkungen und dauerte nur wenige Sekunden. Ähnlich wie bei Vaterschaftsanalysen oder bei der Polizeiarbeit wurde zur Probenentnahme ein Abstrich der Mundschleimhaut mithilfe eines Wattestäbchens entnommen. Besonders wichtig für das Forschungsprojekt sind alle Frauen und Männer, deren Vorfahren aus dem Sösetal stammen, insbesondere solche, von denen mindestens ein Eltern- oder Großelternteil aus den benannten Ortschaften stammt. Bevor man zur Probennahme kam, sollte man sich am Morgen die Zähne putzen, damit es keine Verunreinigung durch bakterielle DNA gab. Das aktuelle Forschungsvorhaben ist Gegenstand der wissenschaftlichen Abschlussarbeiten der beiden Studentinnen der Abteilung für historische Anthropologie und Humanökologie unter der Leitung von Dr. Susanne Hummel. Falls tatsächlich Übereinstimmungen bei den DNA-Proben aus der heutigen Bevölkerung mit den Proben aus der Lichtensteinhöhle festgestellt werden können, wäre es möglich, eine ununterbrochene mütterliche oder väterliche Stammbaumlinie nachzuweisen. Skelette aus der Bronzezeit, spannende Fundsituation im Berndsaal der Lichtensteinhöhle
Beprobung in Förste: Erbgut wird mit dem aus der Bronzezeit verglichen (Januar 2007) 300 Bürger als Ahnenforscher Rund 300 Bürger im Alter von zehn bis 80 Jahren kamen am Sonnabend in den Musiksaal der Grundschule Förste. Die Dorster, Förster, Nienstedter, Eisdorfer, Marker, Ührder, Schwiegershäuser und Wulftener Einwohner wollten aber nicht gemeinsam musizieren, sondern sich in den Dienst der Wissenschaft stellen. Sie waren dem Aufruf des Kreisarchäologen Dr. Stefan Flindt, der Forschungsleiterin des Anthropologischen Instituts Göttingen, Dr. Susanne Hummel sowie Mireille Otto und Michaela Riesen, die ihr Examensarbeiten über die Ahnenforschung in der Lichtsteinhöhle schreiben, gefolgt. Herausgefunden werden soll, ob in dieser Region noch direkte Nachkommen der Menschen aus der Bronzezeit leben, deren Knochen in besagter Höhle vor gut 25 Jahren gefunden wurden. Einige Ahnenforscher hatten sogar ihre Familien-Stammbäume mitgebracht und fachsimpelten mit anderen Interessenten. Wieder andere – so ein Mannheimer Bürger – hatte es nicht geschafft, am Sonnabend nach Förste zu kommen. Da mit der Aktion in der Grundschule Förste dieses Projekt aber noch nicht abgeschlossen ist, besteht aber immer noch für alle, die wissen wollen, ob ihre Vorfahren schon in der Bronzezeit hier gelebt haben, die Möglichkeit das herauszufinden: Zum einen sollte das Telefon in die Hand genommen und entweder die Nummer von Dr. Hummel (0551/393942) oder die von Michaela Riesen und Mireille Otto (0551/392388) in der Zeit von 9 bis 18 Uhr an Wochentagen angewählt werden. Jung und alt wollte wissen, ob ihre Ahnen in der Lichtensteinhöhle liegen. Dr. Flindt und Dr. Hummel (links) waren ebenso erfreut über die große Anzahl von Interessenten wie Mareille Otto und Michaela Riesen (mit Mundschutz)
Als das Forschungszentrum in der Grundschule Förste langsam seine Pforten schloss, ließen es sich Dr. Flindt und Dr. Hummel nicht nehmen, der Stadt Osterode dafür zu danken, dass sie so unbürokratisch die Schule für diese Maßnahme zur Verfügung gestellt hatte. |