Norddeutschlands größte Karstquelle - verlandet sie?

von Andreas Hartwig

Die Rhumequelle hat eine durchschnittliche Schüttung von 2,5 m³ Wasser/sec, ihre höchste Schüttung beträgt ungefähr 5,5 m³, ihre geringste Schüttung, die bisher gemessen wurde, betrug 0,9 m³ /sec. Ihr Wasser kommt zum größten Teil aus dem Pöhlder Becken, der weiten Niederung der Oder zwischen Scharzfeld und der B 27/Auekrug. Von der Rhumequelle liegt das Pöhlder Becken ca. 6 km in nordöstlicher Richtung. Ungefähr 20 % des Wassers der Rhumequelle entstammt der Sieber, die in dem Abschnitt zwischen Herzberg und Hörden, also 9 km nördlich der Rhumequelle, versinkt. 50 bis 80 m tiefer treten die versunkenen Grundwässer an einer tektonischen Störung in der Rhumequelle wieder zutage.

Bei Tauchgängen am 28.2. und 22.8.1987 mußte ich feststellen, daß die Rhumequelle nur noch 5,7 m tief ist. Im Jahre 1955/56 betrug die Tiefe jedoch noch 9,6 m, wie Hugo Haase durch Tiefenlotungen ermittelte. Im Jahre 1966 wurde diese Tiefe noch durch Alexander Wunsch, Hamburg, bestätigt. 1987 konnte am jetzigen Grunde der Rhumequelle nur noch ein kleines Loch von 25 cm Durchmesser an der Stelle vorgefunden werden, wo früher ein Schacht bis 9,6 m Tiefe reichte und von den Tauchern verfolgt werden konnte. Dieser Schacht ist jetzt mit Schlacke, Splitt, Pflöcken, Ziegeln und Flaschen aufgefüllt. Demnach ist die Wegebefestigung, die 1987 und in früheren Jahren bei Frühjahrshochwässern in den Quelltrichter (Schacht) abgerutscht war, in den Schacht gelangt. Durch wiederholte Aufschüttungen zur Herstellung der Uferböschung und Wegebefestigung ist dieser Prozeß immer wieder aufs Neue verursacht worden. Abfälle, wie z. B. Flaschen, sind jedoch mengenmäßig nur im geringeren Umfange in der Schuttmenge enthalten.

Der Böschungsabhang von der abgerutschten Wegestrecke bis zum Schacht ist übersät mit Blockwerk und Pflöcken. Die ehemalige hohe Felskante unter Wasser (Zechsteindolomit), entlang der das Wasser aufsprudelt, weist jetzt nurmehr weniger als einen halben Meter Höhe auf. Der in die Quelle hineingerutschte Splitt aus der wassergebundenen Decke des Wanderweges sowie vermutlich auch Partikel der in die Ufer früher eingebrachten Kraftwerksasche aus dem Kraftwerk Rhumspringe sind allenthalben am Quellgrund gegenwärtig, in den zahlreichen aufsteigenden Quellarmen bilden sie ein stets in sprudelnder Bewegung befindliches Polster.

Der Landkreis Osterode als untere Naturschutzbehörde wurde 1987 und von dort der Landkreis Göttingen in Kenntnis gesetzt (die Kreisgrenze läuft unmittelbar durch den Hauptquelltrichter). Auf meine Anregung wurde gemeinsam ein Konzept entwickelt, das die Rückführung der Rhumequelle und insbesondere ihrer Ufer in einen naturnahen Zustand vorsieht, der ihrem rechtlichen Status als Naturdenkmal und Landschaftsc:hutzgebiet gerecht wird. Dazu wird es erforderlich sein, die Halbinsel als Rückzugsort für Wasservögel abzusperren und hier sowie umlaufend um die Ufer die Uferbefestigung zu entfernen bzw. verfallen zu lassen, so daß naturhaft flache Böschungskanten entstehen können. Im Bereich des gegenwärtigen Böschungsrutsches müßte ein Teil der eingebrachten Massen aus Schlacke, Splitt und Gesteinsbrocken sowie Pfähle ggf. durch Wegbaggern beseitigt werden. Im Bereich des gegenwärtigen Böschungsrutsches erstreckt sich nach Westen ein Feuchtgebiet mit weiteren kleinen Quellaustritten; durch Aufgabe des Weges soll dieses für Amphibien mit dem Hauptquelltrichter besser verbunden werden. Der aufzugebende Weg soll an dieser Stelle durch einen angehobenen Bohlensteg ersetzt werden.


Die geologisch-tektonische und hydrologische Situation der Rhumequelle,
(aus: HERRMANN, 1969).

Um die gegenwärtige Unterwassersituation zu dokumentieren, führte ich am 6.2.1988 einen neuen Tauchgang durch zusammen mit Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde in Niedersachsen e.V., bei dem auch Herr Vladi als Vertreter der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Osterode anwesend war. Die Situation unter Wasser wurde durch eine mitgenommene Unterwasser-Videokamera ausführlich aufgenommen und auf Videoband gespeichert. Die Anwesenden konnten auf einem von Holger Koch zur Verfügung gestellten Monitor den Tauchgang unter Wasser verfolgen. Die Videokamera mit integrierten Halogenscheinwerfern wurde von H. Koch als Unterwasserausführung hergerichtet und zur Verfügung gestellt. Es gelangen sehr brilliante Farbaufnahmen von der Umgebung des Quelltrichters, der Felswand und der Füllmassen sowie von der Uferbefestigung und von einer Forelle. Die Situation über Wasser wurde durch Ernst Schuhose, Bad Gandersheim, ebenfalls auf Videoband festgehalten. Weiterhin haben Bernd und Marianne Schuhose, Holger Thies und H. G. Mendel beim Zustandekommen der Tauchdokumentation fleißig mitgeholfen.

Eine Ausräumung des Schachtes, die aus Gründen der Wiederherstellung des Naturdenkmales zweckmäßigerweise erfolgen sollte, kann, wie eine anschließende ausgiebige Diskussion erbrachte, nicht durch einen Bagger von über Wasser her erfolgen. Am schonendsten wäre eine Ausräumung im Airlift-Verfahren und bzw. oder Ausräumen des groben Materials durch Taucher per Hand. Zuvor müssen jedoch, um dann weitere Böschungsrutsche zu vermeiden, die Überwasserarbeiten an den Ufern und Wegen abgeschlossen sein.

Die topographische Situation der Rhumequelle wurde am 13.2.1988 durch mich einschl. Darstellung des Unterwasserreliefs aufgenommen (siehe Plan).

Schrifttum:
FRICKENSTEIN, R. & WUNSCH, A. (1966):Über die Tiefe der Rhumequelle im Südharz. - Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforsch. 12(4): 98-100
HAASE, H. (1958):Neue Forschungsergebnisse von der Rhumequelle. - Heimatkalender des Kreises Osterode 1958, S.36-41
HAASE, H. (1967):Taucher in der Rhumequelle! - Heimatkalender des Kreises Osterode 1967, S. 25-27
HERRMANN, H. (1969):Die geologische und hydrologische Situation der Rhumequelle am Südharz. - Jh. Karst- u. Höhlenkunde 9, S.107-112


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