Der Gipsofen ging, nachdem er einige Zeit vom Vorbesitzer, dem Kalkbrenner Karl Leimecke, an den Kalkbrenner Karl Bruchmann d.Ä. verpachtet war, im Jahre 1871 in dessen Besitz über 2). Bruchmann war es wohl, der den Höhleneingang zuwerfen ließ, so daß die Höhle bald in Vergessenheit geriet. Erst sein Sohn Karl Bruchmann d.J. (geb. 14.9.1873), der von seinem Vater um das verborgene Naturdenkmal wußte, bemühte sich Ende der zwanziger Jahre um seine Wiederauffindung. Im Juli 1928 gelang die Freilegung des verschollenen Mundloches. Die wissenschaftliche Untersuchung legte Bruchmann in die Hände von Friedrich Stolberg, der am 22. Juli 1928 mit Bruchmanns Neffen Herbert einen Plan der Höhle aufnahm (Abb. 1). Schon im September (11.9.) bekam die Höhle internationalen Besuch durch Teilnehmer der Harztagung des Hauptverbandes deutscher Höhlenforscher. |
Die Neuhofer Höhle im Sachsenstein .Harz.
Abb. 1: Grundriß und Profile der Sachsensteinhöhle (vermessen 22. Juli 1928 von F. Stolberg)
Bruchmann verfolgte zügig sein eigentliches Ziel, nämlich die Erschließung als Schauhöhle. Im März des folgenden Jahres waren die Arbeiten - Wegebauten und Anlage einer elektrischen Beleuchtung - beendet, so daß die Höhle am 5. Mai 1929 feierlich der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. Eine große Menschenmenge war anwesend, darunter Hermann von Frankenberg (damaliger Vorsitzender des Harzclubs), Fräulein Ralla Wienrich von der Heimkehle, Schröder von der Questenhöhle und die ganze "Gesellschaft für Höhlenforschung im Harzgebiet" mit Fritz Stolberg an der Spitze. Bruchmann, vielleicht auch seine vielseitig interessierte Frau Elisabeth, hatte für die Feierlichkeit eigens ein dramatisches Spektakelstück in Szene gesetzt, das mit dem Auftritt des Berggeistes wie folgt begann:
Die Nordhäuser Höhlenforscher, insbesondere Fritz Stolberg, waren später häufige und gern gesehene Gäste bei Bruchmanns. Anläßlich eines Besuchs mit Walter Schäfer im Juli 1931 gelang diesem an ziemlich versteckter Stelle im Lehm ein höchst bemerkenswerter, um nicht zu sagen merkwürdiger Fund, nämlich eine Hellebarde, welche die Eigentümlichkeit hatte, daß die zum Stechen vorgesehene Spitze seitlich, das zum Hauen gedachte Beil indessen vorn an der Tülle saß. Bruchmann warb ja seit 1930 mit dem historisch zweifellos etwas bedenklichen Slogan für die Höhle: "früher Schlupfwinkel der Ritter von der Sachsenburg und der Mönche (!) vom Kloster Walkenried"! Die Situation war etwas peinlich, doch tat das der Freundschaft keinen Abbruch. Großartige Besucherzahlen hatte die Höhle nie aufzuweisen, doch hatte man dem Mangel an Sintergebilden durch andere Attraktionen abgeholfen. Da gab es eine "Zwergenrutschbahn" -eine einfallende Schichtfläche an der Westwand der großen Halle -, einige Gartenzwerge, das "Lamm", kunstvoll aus Steinen zusammengebaut und mit Glühlampen als Augen, die aber nie brannten, ein "versteinerter Baumstamm" (!) und eine "Gletschermühl", sogar mit Mahlstein darin, das war ein von unten durch Verbruch angeschnittener Karrentrichter mit einem Dolomitblock. Im Frühjahr mußte der Führungsbetrieb ruhen, weil die Vorhöhle oft bis zur mit Laugnäpfchen übersäten Firste unter Wasser stand. Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinem Vater im Februar 1947 auf Schneeschuhen zu Bruchmanns fuhr, um die Höhle zu besuchen; aber es war nichts zu machen; das Wasser war knietief. Es gab Tränen, doch auch das half nichts. Immerhin durfte ich in den tief verschneiten Eingang hinuntersteigen und in die überflutete Vorhöhle blicken. Das benachbarte Gipswerk war bis zum 2. Weltkrieg von geringer Bedeutung. In der Geschichte der Harzer Gipsindustrie hat es trotzdem die Besonderheit, daß dort Versuche zum Untertageabbau gemacht worden sind.
Nach dem Kriege nahm das Werk einen bedeutenden Aufschwung. Der unmittelbar hinter dem Werk gelegene Steinbruch war bald erschöpft, und es bot sich an, den alten, über der Höhle gelegenen Bereich wieder in Abbau zu nehmen. Vorsichtshalber behauptete man erst einmal: "Wenn das Gipswerk Sachsenstein nicht weiter in die Höhlengegend hinein brechen kann, muß der Betrieb eingestellt werden, und 35 bis 38 Leute werden arbeitslos 3). Da die Höhle - von der Neuhöfer Weidegenossenschaft an Bruchmann verpachtet - aber in das Naturdenkmalbuch des Kreises Blankenburg eingetragen war, mußten zur Aufhebung des Naturschutzes Gutachten über die Schutzwürdigkeit des Naturdenkmals eingeholt werden. Der Archäologe Dr. Nowothnig bescheinigte als "Gutachter" die Unbedenklichkeit des Abbaus, sofern die Belange der Vorgeschichtswissenschaft gesichert seien. Weitere Gutachter wurden nicht gehört, zumal Nowothnig mit einem weiteren Fachgelehrten, dem Forstmeister Tägtmeyer, als Vertreter der Naturschutzbehörde auftrat. In der Presse wurde unterdessen der in Aussicht genommene "Abbau in engem Kontakt mit der Naturschutzbehörde, damit keine vorgeschichtlichen Zeugnisse verlorengehen", als Kompromiß gefeiert! Man war sich darüber einig, daß die Aufrechterhaltung des Betriebes (!) und Devisen wichtiger seien als "ein paar Schulklassen eine durch Auswaschung entstandene Gipshöhle von mittelmäßiger Schönheit zu zeigen", zumal ja nicht weit davon die Einhornhöhle zu bewundern sei! Dr. Stolberg erfuhr von dieser Entwicklung erst, als es zu spät war. Er schrieb darüber in einem Brief (vom 16.1.51): "Meine Meinung über den Fall Sachsensteinhöhle ist die, daß es in Zukunft gar nicht mehr soweit kommen darf, daß eine Schauhöhle derartig herunterrutscht, daß sie als Naturdenkmal nicht mehr zu halten ist. Im Übrigen belaste ich niemanden, denn die Zeiten sind wirtschaftlich bitter und es ist immer verlockend, aus Steinen Brot werden zu lassen. Aber die Nachwelt wird anders urteilen und wir alle, die Höhlenforscher und ich selbst inbegriffen, stehen vor der Geschichte schuldig da...Der Abbau des Höhlengebietes zog sich etwa von 1952 bis 1965 hin; gegenüber der Naturschutzbehörde hatte man damals erklärt daß für 40 bis 50 Jahre aus der Höhlenfläche gefördert werde. 1955 begann bereits der Abbau am Trogstein, nachdem nur fünf Jahre zuvor Sein oder Nichtsein des Gipswerkes von der Freigabe des Naturdenkmals abgehangen hatte! Die Höhle wurde geschlossen und der Eingang zugeschüttet. 1957 wurde das Dach der Höhle mehrfach aufgeschossen. 1961 erfolgte durch den Verfasser mit E. Rode eine letzte Befahrung des Höhlenrestes, wenig später war nur noch das letzte Drittel der "Großen Halle" als weit geöffneter Höhlenrachen übrig (Abb. 5).
Inzwischen ist auch dieser Rest längst verschwunden. Der Erschließer der Höhle, Karl Bruchmann, starb am 1.8.1955, seine Frau Elisabeth (geb. 16.4.1884) am 13.8.1956. Beide waren nicht nur den Nordhäuser Höhlenforschern, sondern auch uns jungen stets interessierte Zuhörer und Mentoren, wir verdanken insbesondere Frau Bruchmann die erste Begegnung mit dem Werk Bieses, das uns eine Offenbarung war. Das Lokal vor der Höhle wurde nach deren Schließung zwar weiterbetrieben, aber wenig besucht; nach dem Tode von Bruchmanns wurde es von einem Pächter weitergeführt, der es zu einem bei der dörflichen Jugend weithin berühmten Tanzetablissement erhob. Endlich wurde die früher so gastliche Stätte zur Fremdarbeiterunterkunft. Sie steht noch heute; die Inschrift "Zur Sachsensteinhöhle" ist aber längst erloschen, und nur die Erinnerung an die Höhle und ihre Betreuer lebt fort. Schrifttum: Fritz Reinboth
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