Ölunfälle im Südharzkarst Hin und wieder berichtet die Lokalpresse über auslaufendes Öl durch Unfälle von Öltankfahrzeugen. Im Normalfall wird der verseuchte Boden abgebaggert und das Unglück ist lokal begrenzt. Selbst im Grundwasser läßt sich der Schaden wegen der langsamen Grundwasserbewegung mit entsprechenden Aufwand meist in Grenzen halten. Anders in Karstgewässern. Infolge der vergleichsweise raschen Wasserbewegung, mit unter Umständen unbekanntem Ziel, können hier Ölunfälle unabsehbare Folgen haben. Umso merkwürdiger, daß die spektakulärsten Vorkommnisse dieser Art im Südharzkarst journalistisch so gut wie unbeachtet blieben! Schweröl im Spatenborn Der Spatenborn ist eine kleine Karstquelle 500 m nördlich der Kutzhütte bei Walkenried. Sie schüttet 1 bis 2 l/s und entspringt einem flachen Schichtfugengerinne, wie es nur für das Verbreitungsgebiet der Quellungshöhlen typisch ist. Das Wasser fließt an der Austrittstelle (285 m NN) in der Grenzzone zwischen unvergipsten und vergipsten Anhydrit, also in durch Quellung bedingten Hohlräumen. Ein viel kleineres, leider durch forstliche Maßnahmen (im Naturschutzgebiet!) ruiniertes Seitenstück zum Spatenborn war der sog. "Kleine Spatenborn" am Sachsenstein; die gleiche Situation zeigen aber auch Rinnsale in einigen Zwerglöchern wie dem ebenfalls durch Wegebauten (ebenfalls im Naturschutzgebiet) zerstörten Kleinen Wasserloch und dem Großen Wasserloch. Diese sind, bzw. waren, typische kleine "Zwerglöcher". Die Herkunft des Spatenbornwassers war bisher unbekannt. Es galt als trinkbar und diente der Überlieferung zufolge, zeitweise auch der Wasserversorgung der Kutzhütte bzw. der um 1875 gegründeten Pfeifferschen Gipsbrennerei, der späteren Kutzhütte II. Das Wasser versinkt nach etwa 50 m Lauf je nach Schüttung ganz oder teilweise in einer Spalte plattigen Anhydrits, der die Bachsohle bildet. Das restliche Wasser versickert nach weiteren 100 m in einer Mulde am Rande der Spatenbornwiese. Sein Verbleib ist unbekannt. Das mit Fichtenhochwald bestandene Gelände wurde um 1951 kurz vor der Schließung der Zonengrenze von den Branderoder Waldbesitzern abgeholzt und anschließend wieder bepflanzt. Im Mai 1970 kam der Münsterländer des Revierbeamten völlig mit Öl verschmiert aus dem inzwischen hier aufgewachsenen, ziemlich undurchdringlichen Fichtendickicht. Die Reinigung des Hundes gelang selbst nach Anwendung von Waschbenzin nur unvollkommen. Die Suche nach der Ursache der schwarzen Schmiere führte zur "Wiederentdeckung" der in Vergessenheit geratenen Quelle, deren Wasser ja noch in der Dickung versickerte. Der Bach bot ein Bild des Grauens. Hunderte toter, ölverschmierter Vögel und Lurche säumten seinen Lauf. Aus dem Quelltopf quollen dicke Fladen einer schwarzen, zähflüssigen und klebrigen Masse. Der Ölteppich hatte sich bis zur letzten Versickerungsstelle des Baches an der Spatenbornwiese ausgebreitet. Der Braunschweiger Ornithologe R. Hößler berichtete am 25. März 1971 in einem Leserbrief (der auch verschiedenen Behörden zugeleitet wurde) über den unglaublichen Zustand der Quelle. An der Quelle war eine primitive Steinbarriere aufgeschichtet, hinter der sich die Ölbutzen ansammeln konnten. Fünf offene Fässer von je 200 Litern Inhalt mit dort abgeschöpften Öl standen im Walde. Am Ölschlamm des Baches fand Hößler am 21. März 1971 mehrere Singdrosseln, 1 Schwarzdrossel, 2 Kreuzschnäbel, 2 Schwanzmeisen, 15 Blaumeisen, 4 Zeisige, 20 Goldhähnchen, diverse Kohlmeisen und eine große Zahl meist unbestimmbarer Vogelarten. Die zahllosen verendeten Lurche wurden nie bestimmt. Selbst ein totes Rehkitz wurde gefunden. Die Suche nach dem Urheber der Katastrophe war zunächst von der Beweislage her ergebnislos geblieben. Die verdächtigte Gipsfabrik erklärte sich für nicht zuständig, da sie kein Schweröl feuere, hatte aber nach Bekanntwerden des Vorfalls die ersten, von Hößler erwähnten Maßnahmen eingeleitet. Daß sie bei einem (zeitlich nicht mehr festzulegenden) Ortstermin (ein späterer Termin fand am 13.7.71 statt) mit 6 Rechtsanwälten zugegen war, zeigt immerhin die Bedeutung des Vorwurfs. Erst durch eine Indiskretion stellte sich heraus, daß sehr wohl in den fünfziger Jahren für einen neuen Drehofen eine Schwerölfeuerung eingerichtet und hierzu ein betonierter Tank angelegt worden war. Wie sich weiter ergab, war dieser Tank zwar stillgelegt und entleert, jedoch waren durch Risse des aus heutiger Sicht unsachgemäß gebauten Tank unbemerkt größere Ölmengen in eine benachbarte, unterirdische Feldbahnstrecke gesickert. Diese Strecke war Teilstück einer längst abgeworfenen alten Feldbahnbeförderung vom früheren Steinbruch am Röseberg zum Brecher, das ehemalige Mundloch im Steinbruch ist seit Jahrzehnten unter Abraum verschüttet. Ein Einstieg war nur noch durch einen Keller der früheren sog. Sackkammer, unter dem die Strecke verläuft, möglich. In diese Strecke war auch Abwasser der später in der Sackkammer eingerichteten Kantine gelangt, so daß die Arbeiter dort einen See aus Öl und Schmutzwasser vorfanden, auf dem einige Küchenabfälle herumschwammen. Es ist nicht erweisbar, daß die Firma bei der späteren Umstellung der Feuerung auf Leichtöl nicht mehr benötigtes Schweröl (so Hößler), oder "Altöl" (Harzkurier vom 27.5.1981), gezielt in den alten Stollen unter dem Werksgelände geleitet habe; umgekehrt ist natürlich die Behauptung absurd, daß ein solches Vorgehen nach damaligen Bestimmungen legal gewesen wäre (Harzkurier vom 27.5.1981). Aus der erwähnten Strecke bzw. aus den Rissen im Schweröltank resultieren also die beträchtlichen Ölmengen, die noch immer - wenn auch stark verringert - aus dem Spatenborn kommen. Etwa zwanzig 200 Liter Fässer Öl wurden Anfang April 1971 aus dem Stollen geschöpft und abgefackelt. Die Schätzung der Gesamtmenge von 20 bis 30 Kubikmetern (Harzkurier vom 27.5.1981) versickerten Öls erscheint indessen zu hoch gegriffen. Die Firma Börgardts beauftragte nach der Aufdeckung der beschriebenen Umstände den bekannten Geologen Prof. Dr. Herrmann mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts. Auf dessen Vorschlag wurde anstelle des provisorischen, ein gemauertes Auffangbecken erbaut, von dem das angesammelte Öl täglich abgeschöpft wurde. Der Bachlauf bis dahin wurde mit Maschendraht abgedeckt. Das ölverseuchte Erdreich im Versickerungsbereich des Baches wurde abgebaggert und in Folien im Steinbruch Mehholz wenig sachgerecht deponiert. Bemerkenswert ist, daß durch diesen unfreiwilligen Markierungsversuch die Herkunft des Spatenbornwassers aus Bereichen jenseits der orthographischen Wasserscheide (etwa 305 m NN) nachgewiesen wurde, trotz eines benachbarten sehr tiefen Steinbruchs, der diese Karstwasserbahn nicht angezapft hat. Die große zeitliche Verzögerung zwischen Aufgabe des "Tracers" und dem Austritt, sowie dessen zeitliche Streckung über zwei Jahrzehnte, ist durch die zähflüssige Konsistenz des Öls bedingt. Bedenklich im Hinblick auf den früher üblichen Genuß des Quellwassers ist die damalige Einleitung der Abwässer einer Klärgrube in einen Graben im unmittelbaren Einzugsgebiet dieses Gerinnes. Im Sommer 1981 erfolgte durch das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung ein Markierungsversuch mit 6 kg Uranin, der die Beobachtungen der Ölaustritte bestätigte. Der Markierungsstoff wurde außer am Spatenborn in Spuren nur am sog. "Röseteich" (richtig: Fauler Sumpf 2), nicht aber am Höllstein nachgewiesen. Entgegen dem Gutachten ist damit der vermutete "Fließweg Kutzhütte - Spatenborn - Röseteich" durchaus nicht erwiesen; die Öl- bzw. Traceraustritte liegen gegenüber der Eingabestelle auf der Wasserscheide genau entgegengesetzt. Ein Abfluss des Wassers von der Eingabestelle nach beiden Seiten ist viel wahrscheinlicher. Auf Zusammenhänge der Wasserführung des Faulen Sumpfs und des Hubertuskellers wurde vom Verfasser bereits 1976 im Blatt 4429/19 (Hubertuskeller) des Niedersächsischen Höhlenkatasters hingewiesen, wobei ein Wasseraustritt im Faulen Sumpf nur bei abgelassenen Teich bei gleichzeitigem Versiegen des Höhlenbaches im Hubertuskeller beobachtet wurde. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Tracer also auch im Hubertuskeller aufgetreten. Wie dieser Höhlenbach ist die wichtigste Karstquelle am oberen Höllteich, unweit der Sachseneiche, bei dem Markierungsversuch vermutlich aus Unkenntnis ebenfalls nicht beobachtet worden. 1 Wieso das Unternehmen dann 1989 eine große Feier zu seinem hundertjährigen Bestehen begehen konnte, ist eine andere Frage. Dieselöl im kleinen Trogstein Der Verbleib des Wassers der an sich wenig bedeutenden Bachschwinde des kleinen Trogsteins bei Tettenborn-Kolonie war nie Gegenstand besonderer Untersuchungen. STOLBERG vermutete zunächst einen Zutritt des Wassers in den aus der Großen Trogsteinhöhle zur Fitzmühle fließenden Höhlenbach (1926:16), glaubte ihn aber nach der Entdeckung der Trogstein-Zuflußhöhle in dieser wiederzufinden (1923:35). HAASE (1936:38) vermutete wegen der unterschiedlichen hydrographischen Eigenschaften beider Gewässer ebenfalls eine untergeordnete Beteiligung des Schwindbachs am Höhlenbach der Zuflußhöhle. Wie beim Spatenborn, brachte auch hier erst ein unfreiwilliger Tracerversuch mit Öl Klarheit. Entsprechend Stolbergs ursprünglicher Vermutung tritt das Schwindwasser an der Fitzmühle aus. Am 14. Dezember 1977 hatte der Besitzer der früher an der Fitzmühle im Landschaftsschutzgebiet ungenehmigt angelegten aber jahrelang geduldeten Angelteiche bei einem Kontrollgang auf der Wasseroberfläche einen starken Ölfilm bemerkt. Zahlreiche Fische waren verendet. Aus der Schwinde des Kleinen Trogstein stieg starker Ölgeruch auf. Die Nachforschungen ergaben, daß am 12. Dezember beim nächtlichen (!) Füllen eines Öltanks der Firma Hassepass oberhalb des Kleinen Trogsteins etwa 5 Kubikmeter Heizöl im Boden versickert waren. Der Fahrer des Öltransporters hatte die Stutzen eines vollen und eines leeren Tanks verwechselt, dies aber offenbar erst nach einer Weile bemerkt. Der Fahrer bzw. die Ölfirma sahen aber zunächst keinen weiteren Handlungsbedarf, da das dünnflüssige Öl ja im Boden verschwunden war. Das Öl hatte aber seinen Weg von der Versickerungsstelle in ein offenes Karstgerinne gefunden und erschien - für die Firma wohl ziemlich unerwartet - schon nach 1 - 2 Tagen kilometerweit entfernt wieder an der Oberfläche. Nachdem der Teichbesitzer Alarm geschlagen hatte, kam die Freiwillige Feuerwehr aus Steina und bewarf die verseuchten Teiche mit einem Bindemittel, das aber sofort absank, und fackelte das Öl ab. Angebrannte Bäume legten von dieser Maßnahme noch lange Zeit Zeugnis ab. Später wurde eine Spezialfirma gerufen, die einen schwimmenden Ölbinder (Wicköl) auf die Teiche schüttete. In den Uferzonen des hatte sich weiteres Öl angesammelt, das später z.T. durch Abbaggern beseitigt werden mußte. Wegen der damals noch vorhandenen Teichkette gelangte der Ölfilm glücklicherweise nicht mehr in den Nixsee. Ein Ablaufen in die Nixseeschwinde hätte unabsehbare Folgen gehabt, da diese wahrscheinlich erst an der Salzaquelle bei Nordhausen ihren Austritt hat. Dies hätte zweifellos beträchtliche Schadensersatzforderungen der damaligen DDR nach sich gezogen. Ein Vertreter des Landkreises Osterode, der vom Verfasser auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, wies diese Befürchtung allerdings mit merkwürdiger Schroffheit zurück... Die Schilderung dieses Vorkommnisses gegenüber einem Beamten der zuständigen Abteilung 3, Gruppe Sicherheitstechnik, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Herrn Regierungsrat Degener, löste dessen heftigen Widerspruch aus. Dies sei alles völlig unmöglich. An den Füllstutzen eines bereits gefüllten Tanks können man gar keinen Schlauch mehr anschließen, es werde eine Verriegelung wirksam. Außerdem sei ein Auffangbecken vorgeschrieben. Es kamen noch einige Einwände und Zitate verschiedener Paragraphen und Sicherheitsvorschriften. Die Durchsetzung der deshalb angemahnten Änderung an der Tankanlage angesichts der besonderen Situation in einem Karstgebiet wurde abgelehnt. Begründung: Arbeitsplätze. Auch die örtliche Presse, die sonst über jedes umgefallene Auto und die erforderlichen Maßnahmen zum Beseitigen dabei etwa ausgelaufenen Öls eingehend berichtet, hat diesen spektakulären Vorfall auffallenderweise gänzlich ignoriert. Wegen der dünnflüssigen Konsistenz des Heizöls (bzw. Dieselöls) war die Verweilzeit im Karstgerinne vergleichsweise kurz. Trotzdem führte eine Befahrung der Fitzmühlen-Quellhöhle am 14.10.1979, zwei Jahre nach dem Öldurchgang, bei der das Bachsediment in der sog. Panikspalte aufgewühlt wurde und sich plötzlich starker Dieselgeruch ausbreitete, zu panikartigen Reaktionen und Angstzuständen.
Die Ereignisse am Spatenborn und am Trogstein sind schon jetzt für den Außenstehenden in vertraulichen Aktenschränken verborgen und nicht mehr nachvollziehbar. Die Presseberichterstattung ist trotz der Brisanz der Ereignisse äußerst unzulänglich, eine gerichtliche Klärung hat nie stattgefunden bzw. wurde auf unerklärbare Weise eingestellt. Um einer Legendenbildung - in wessen Interesse auch immer - vorzubeugen, seien deshalb wenigstens an dieser Stelle die eigenen Beobachtungen und die mündlichen Auskünfte - die Gewährsleute sind inzwischen verstorben oder verzogen - dazu festgehalten.
Quellen und Literatur
Wir danken der Schriftleitung der Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag ebenfalls veröffentlichen zu dürfen. Weiterer Nachdruck oder Veröffentlichung bzw. Verbreitung in anderen elektronischen Medien nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung. |