Aktuelles zur Erdfallgefährdung im Bereich der Theisenschlammdeponie bei Helbra (Sachsen-Anhalt) Die August-Bebel-Hütte in Helbra Der Hüttenstandort Helbra, am östlichen Harzrand bei Eisleben (MTBl. 4434) gelegen, gehörte zu den Produktionsstandorten, in denen das ehemalige Mansfeld-Kombinat der DDR jahrzehntelang Rohkupfer, aber auch stark verschmutzte Kupferschrotte aufarbeitete. Umweltgruppen wiesen seit der Wende immer wieder auf die Gesundheitsgefährdung hin, die von diesem Standort ausgeht, und so wurden denn später neben den schon bekannten hohen Schwermetallgehalten in den Böden der Umgebung auch kritische Dioxinbelastungen entdeckt. Die Hütte steht in Sanierung. Ein besonderes Gefahrenpotential stellen die sog. Theisenschlämme dar, die 1979 bei der überhasteten und technologisch hinsichtlich der Konsequenzen nicht abgesicherten Stillegung der ehemaligen Bleihütte des Mansfeld-Kombinates aufgehaldet wurden. Es handelt sich um Rohhüttenflugstäube, die extrem hoch mit Schwermetallen und anderen Problemstoffen belastet sind (150 g/kg Pb, 200 g/kg Zn, 50 g/kg Cu, 5 g/kg As, 1000 - 3000 ng/kg TE halogenierte Dioxine und Furane, 15.000 - 20.000 Bq/kg Radioaktivität, bedingt durch Th 232, Po 210, Pb 210 u.a. radioaktive Isotope). Die kritischsten Theisenschlammdeponien sind die sog. Teiche 9 und 10 im Bereich der Helbraer Hütte; es sind nach Aussagen von örtlichen Umweltschützern quasi illegale Atommülldeponien am Harzrand (FOCUS 1995). Wenn man die hohen, aus den Urangehalten des Kupferschiefers stammenden Radioaktivitäten des deponierten Materials und die Genehmigungssituation in Betracht zieht, kann man diese Aussage nicht als ganz falsch bezeichnen. Um die Sanierung der Theisenschlammdeponien gab es seit der Wende heftige Auseinandersetzungen, die lange Zeit auch gerichtsanhängig waren. Es ging immerhin um die Handhabung von 250.000 t strahlender Giftschlämme, die ohne gültige Genehmigung offen auf dem Gelände der ehemaligen Kupferhütte lagerten. Zur Erdfallgefährdung im Bereich der Theisenschlammdeponie Im nördlichen Randgebiet des Geländes der Rohhütte Helbra und vielleicht noch weiter nach Süden reichend befinden sich Schlotten, d.h. Gipshöhlen, die im Hauptanhydrit und Werraanhydrit teils isoliert, teils in Verbindung stehend angetroffen wurden. Das aktive Erdfallgebiet entlang der Bösen Sieben, also am Rande des Haldengebietes der August-Bebel-Hütte, markiert den oberflächlichen "Ausbiß" dieser Verkarstungszone. Um die Frage der potentiellen Erdfallgefährdung im Bereich der Theisenschlammdeponie gibt es eine spannende geologische Auseinandersetzung. In einer gutachterlichen Stellungnahme der Fa. Noell Umweltdienste GmbH (NUD) vom 24.3.1994, die im Rahmen des "Umweltschutz-Pilotprojektes Mansfeld AG" erstellt wurde, heißt es zur Erdfallgefährdung im Bereich der Rohhütte Helbra und der Theisenschlammdeponie: "In der Mansfelder Mulde liegt eine latente Erdfallgefährdung in einem mehrere Kilometer breiten Streifen entlang des Muldenrandes vor. Dort sind die Zechsteinsalze abgelaugt und die Anhydrite weitgehend oder vollständig in Gipse umgewandelt. In dieser Zone entstehen im Untergrund Lösungshohlräume von z.T. beträchtlichen Abmessungen (> 20 m Durchmesser), die örtlich dazu neigen, noch oben durchzubrechen und letztlich zu Erdfällen an der Oberfläche führen. Diese haben in der Regel nur Durchmesser von wenigen Metern, es sind aber auch Erdfälle mit erheblich größerem Durchmesser bekannt (> 20 m). Die Theisenschlammteiche am Standort Helbra liegen innerhalb der latenten Erdfallzone. Als kritisch für den Verbleib der Schlämme an Ort und Stelle muß eine akute Erdfallgefährdung mit nachgewiesenen und aufwärts-wandernden größeren Hohlräumen im Untergrund angesehen werden. Dies wurde bisher nicht nachgewiesen, kann aber auch nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Indizien aus dem Vorhandensein von Störungen, von bekannten Schlotten in nur ca. 200 m Abstand (Helbraer Schlotten) und aus der generellen Orientierung dieser Hohlräume in Richtung Teich 10 ... machen es unbedingt erforderlich, der Frage der Erdfallgefährdung mit einem gezielten Untersuchungsprogramm nachzugehen, bevor eine endgültige Entscheidung über den Verbleib der Schlämme am derzeitigen Ort ... getroffen werden kann. Beim Antreffen kleinerer Hohlräume im Untergrund der Teiche kommt evtl. eine Untergrundvergütung mit Injektionen in Betracht ... Die besten Erfolgsaussichten für eine Hohlraumerkundung bietet eine Verfahrenskombination mit Bohrungen, Reflexionsseismik von der Erdoberfläche und seismischer Tomographie. ... Die Kosten des Programms sind wesentlich von der Tiefe der Bohrungen abhängig. Bei 100 m tiefen Bohrungen wurden Gesamtkosten von ca. 0,5 Mio. DM kalkuliert."(NUD 1994). Was für die zuständige Treuhand und ihre Nachfolgeinstitutionen so teuer und schwierig werden könnte, wird natürlich nochmals geprüft, immer auch in der Hoffnung, die potentielle Gefahr "weggutachten" zu können. Das von der Treuhand mit Fax vom 3.11.1993 eingeschaltete Geologische Landesamt Sachsen-Anhalt kommt in einer kurzfristigen Stellungnahme (GLA 1993) bereits weniger als 14 Tage später somit denn auch zu einer anderen Einschätzung und schreibt unter dem 15.11.1993 zusammenfassend an die Treuhand: "Das Geologische Landesamt geht ... davon aus, daß im Gelände südlich der Schneiderschächte keine Erdfälle im Gefolge von Subrosionserscheinungen zu erwarten sind." (Unterstreichung im Original). Gutachterlich vorsichtshalber gleich ausgeklammert bleibt die Möglichkeit von Konvergenzen im Gefolge des derzeitigen Absaufens der Kupferschiefer-Grubenbaue. Offenbar erschien diese mutige geologische Aussage einigen Verantwortlichen dann aber doch zu abwiegelnd. In einem präzisierenden Brief des Landesamtes v. 6.6.1994 an das Bergamt Halle wird zunächst das Gutachten v. 15.11.1993 verteidigt und dann heißt es, schon etwas einschränkender: "Ein völliger Ausschluß eines solchen (Erdfall-; d.A.) Ereignisses ist im Verbreitungsgebiet verkarsteter Gesteine nicht möglich. Beim stochastischen Charakter der Subrosionsprozesse und ihrer oberflächigen Folgeerscheinungen ist dieses Restrisiko auch durch hohen geophysikalisch-geologischen Untersuchungsaufwand erfahrungsgemäß nicht vollständig eliminierbar. Sollte das somit verbleibende minimale Wagnis bei der beabsichtigten Nutzung dennoch als unvertretbar erscheinen, wird die Prüfung von Sicherungsmaßnahmen (z.B. flexible Basis-Geogitterbewehrung/Fallbeispiel: Sanierung Großerdfall B 180 Eisleben-Neckendorf) empfohlen." (GLA 1994). Offenbar bleibt im Falle des Untergrundes der Helbraer Theisenschlammdeponien ein klares Gutachten- und Forschungsdefizit, und bis die Füllung dieser Kenntnislücke die Untergrundverhältnisse im Bereich der Teiche 9 und 10 nicht klarer werden läßt, scheint es außerordentlich kritisch zu sein, hier neue Sonderabfallmengen einzulagern. Friedhart Knolle Schrifttum FOCUS (1995): Teich ohne Boden. - Focus-Magazin Nr. 49/1995, S. 45/56 GLA (1993): Landesamtliche ingenieurgeologische Stellungnahme zum Erdfallrisiko im Bereich der Theisenschlammhalden. - Geologisches Landesamt Sachsen-Anhalt, 15.11.1993, Halle GLA (1994): Schreiben des Geologischen Landesamtes Sachsen-Anhalt an das Bergamt Halle v. 6.6.1994 MZ (Mitteldeutsche Zeitung, Mansfeld-Kurier): Beiträge in den Ausgaben v. 20.6.1996 ("Erdfall am Stiftsteich - Plötzlich sprangen die Türen auf - Firmengebäude am Eisleber Friedrichsberg erlitt Schäden") und 24.7.1996 ("Geologisches Gutachten nach Erdfall - Schlechte Aussichten für Eisleber Stiftsteich - Experten befürchten weitere Unruhe im Untergrund - Ähnlichkeit zu Vorfällen in 70er Jahren") Neue Dioxin-Funde in Helbra. - Ökologische Briefe Nr. 50, S. 5,1990 NUD (1994): Machbarkeitsstudie Theisenschlamm der Noell Umweltdienste GmbH, 24.3.1994 Wir danken der Schriftleitung der Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag ebenfalls veröffentlichen zu dürfen. Weiterer Nachdruck oder Veröffentlichung bzw. Verbreitung in anderen elektronischen Medien nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung. |