Der Aufschluß
Sonderband 28 (Göttingen)
46 - 51
Heidelberg 1978

Zur Geologie und Petrographie
des Südharzer Rotliegenden*)

Von Georg MÜLLER, Clausthal

Abgesehen von älteren geognostischen Beschreibungen setzte vor 120 Jahren die geologisch-petrographische Erforschung der Ilfelder Rotliegendmulde sehr plötzlich ein. Von 1858 bis 1862 erschienen zahlreiche Publikationen u. a. von A. BÄNTSCH, J. JASCHE, C. F. NAUMANN, F. A. ROEMER, G. ROSE und A. STRENG. Die erste Spezialkarte 1:25000 wurde von E. BEYRICH und v. ECK (1870) mit den Blättern Benneckenstein, Ellrich, Nordhausen-Nord und Zorge vorgelegt. Neubearbeitungen dieser Blätter und ihrer Erläuterungen erfolgten 1893 durch E. BEYRICH und 1928-1934 durch W. SCHRIEL und R. v. GAERTNER.

Während SCHRIEL (1928-1934) die ganze Schichtfolge des Ilfelder Beckens in das Unterrotliegende stellte und in 12 Stufen gliederte (ru 1 - ru 12), ist die Zugehörigkeit der unteren und der obersten Glieder der Serie stets umstritten gewesen. Die Ergebnisse der Bearbeitung der Fossilien der untersten Schichten ließen lange Zeit auch ein oberkarbonisches Alter zu (E. WEISS 1881). Erst STERZEL (1901) erhärtete wieder ihr Unterrotliegendalter. Die stratigraphisch höchsten Schichten galten früher (BEYRICH 1870, 1893) und auch heute wieder nach KÖCKE (1959) und STEINER (1966) als Oberrotliegendes.

Da die bisher gefundenen Fossilien meist auch oberkarbonisches Alter zulassen, die übrigen Sedimente jedoch fossilleer sind, schlägt SCHWAB (1970) vor, anstatt einer Pseudostratigraphie der Sedimente besser ihre Gliederung nach der tektonofaziellen Entwicklung des Saar-Saale-Troges vorzunehmen. Damit wird die jeweilige Sedimentbildung auf den zu dieser Zeit erreichten Entwicklungsstand der intermontanen Senke innerhalb des variscischen Orogens bezogen.

Die petrographische und petrochemische Bearbeitung der Gesteine der Ilfelder Mulde beschränkte sich im vorigen Jahrhundert, abgesehen von kurzen Kennzeichnungen in den Erläuterungen zu den Kartenblättern, auf die gründlichen Untersuchungen der Ergußgesteine von A. STRENG (1858-1875) und von G. ROSE (1859).

Eine über qualitative Befunde hinausführende eingehende petrographisch-gesteinschemische Untersuchung der klastischen und pyroklastischen Sedimente des Ilfelder Rotliegenden erfolgte erstmals durch Georg MÜLLER (1962). Gleichzeitig erfuhren die Felsitporphyre eine moderne petrologische Bearbeitung durch Alfred SCHNEIDER (1963). Von SCHRIEL (1928) stammt die petrographische Dreiteilung der Ilfelder Schichten in die Altere Konglomeratserie, die Zone der eruptiven Decken und die Jüngere Konglomeratserie. Diese Dreiteilung ist von allen späteren Bearbeitern bestätigt worden. Wie stellt sich aber nun die Sedimentationsgeschichte der Ilfelder Becken nach dem heutigen Stand der Untersuchungen im kurzen Überblick dar?

Am Ende des Oberkarbons bildete sich mit dem Aufstieg der Unterharzschwelle westlich des Saar-Saale-Troges eine Nebensenke aus, der Saar-Selke-Trog. Teile dieses Troges sind das Ilfelder und das Meisdorfer Becken, deren Sedimente auf das engste genetisch verwandt sind. Erst durch den späteren Aufstieg des Harzes und die nachfolgende Abtragung wurde die Verbindung zwischen den beiden Teilbecken unterbrochen.

Die tiefsten Teile des Ilfelder Beckens sind mit fanglomeratischen Sedimenten ausgefüllt. Die Korngrößenverteilung, Zusammensetzung, Art der Wechsellagerungen, Bindemittel und Färbungen der sandigen Tone, Sande, Arkosen und Konglomerate weisen auf semi- bis vollaride Klimabedingungen hin (Abb. 1). Die kaum gerundete Schuttfracht entstammt dem unmittelbar benachbarten Bereich des heutigen Oberharzes.

Abb. 1. Aufschluß im ru 1 am Forstweg im Kl. Kunzental zwischen Gr. Kunzental und Ehrenplan, Bh. Zorge.

Ein vorübergehender Klimawechsel schuf bereichsweise üppigen Pflanzenwuchs in sumpfigen Niederungen. Pyrithaltige Schiefertone mit reicher fossiler Flora und ein Flöz sehr aschenreicher Steinkohle von geringer Verbreitung und Mächtigkeit kennzeichnen diese Stufe. Über den Bergbau, der durch die Konkurrenz der hochwertigen Ruhrkohle zum Erliegen kam, und vor allem über die geologischen Verhältnisse in den Stollen unterrichten Publikationen von WEIGELT (1922) und SCHARF (1924).

Die Rückkehr zum ariden Klima zeigen bereits das Konglomerat und die roten Arkosen im unmittelbaren Hangenden des Kohlenhorizontes an. Die maximale Mächtigkeit der Serie der Fanglomerate mit den eingelagerten kohleführenden Horizonten (SCHRIELs ru 1 - ru 4) beträgt im obersten Elsbachtal zwischen 150 und 200 m, nimmt jedoch zu den Rändern des Beckens hin schnell ab. Die Gliederung der unteren Sedimente in 5 Stufen (ru 1 - ru 5 nach SCHRIEL 1928) ist nicht für das ganze Ilfelder Becken repräsentativ. Deshalb unterscheidet STEINER (1966) im Anschluß an V. KÖCKE (1959) nur 3 Stufen, nämlich die steinkohlenführende Stufe - ru 2, die sie unterlagernden Sedimente - ru 1 und die die Kohle bis zum Melaphyrerguß überlagernden Sedimente - ru 3.

Im Ostteil der Ilfelder Mulde liegt auf dieser Serie klastischer Sedimente eine Ergußgesteinsdecke von Metalatiten bis max. 90 m Mächtigkeit (Ilfelder Melaphyre). Im Westen hingegen ist eine kräftige epirogenetische Ausdehnung des Beckens über das Zorgetal hinaus bis in den Raum von Bad Sachsa festzustellen (Abb. 2)1). Die Sedimentation klastischen Materials unter ariden Verhältnissen dauerte an (SCHRIELs ru 6) und überdeckte schließlich auch die Melaphyre (Zwischensedimente). In die roten Sandsteine eingeschaltet finden sich partiell verkieselte Kalkkrusten von mehreren Metern Mächtigkeit.

Die Auffüllung des Ilfelder Troges mit Abtragungsschutt wurde nun erneut durch vulkanische Ereignisse unterbrochen. Im alten Zentrum des Beckens wurde eine Folge differenzierter Schmelzen gefördert, die die sog. Porphyritdecke (max. 300 m Mächtigkeit) aufbauen. Es handelt sich hierbei um autometasomatisch veränderte latitische Ergußgesteine, deren Tuffe im weiten Kranz die Ergußdecken umspannen. Wahrscheinlich erst gegen Ende der Eruptionen rissen am westlichen Rande des Troges Spalten auf, die alkalirhyolithische Magmen förderten (Felsitporphyre westl. Bad Sachsa). Gegenüber der älteren Vorstellung soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Rhyolithe von Bad Sachsa und die Latite bis Rhyolithe der Ilfelder Decken petrogenetisch (MÜLLER 1962, SCHNEIDER 1963) nicht voneinander getrennt werden dürfen und mit dem sogenannten Zwischensediment (SCHRIELs ru 6) auch stratigraphisch das gleiche Liegende besitzen (Abb. 2). Alle Vulkanite des Ilfelder Rotliegenden einschließlich der unteren Serie von Basiten sind durch sehr hohe Kalium-Gehalte gekennzeichnet und zeigen hierin eine deutliche Verwandtschaft zu den Ganggesteinen des Mittelharzes (Siehe auch dieses Heft S. 25).

Die latitischen bis rhyolithischen Glas- und Kristalltuffe wurden zum großen Teil als Lockermassen umgelagert, partiell mit brecciösem Schutt und anderem klastischen Material vermischt und füllten als Schuttströme die Senke zwischen der Decke im Osten und dem Beckenrand mit den Alkali-Rhyolithen im Westen (Abb. 2).

Die Gliederung der pyroklastischen Sedimente von SCHRIEL in 4 Stufen (ru 7-10) hat nur begrenzten Wert. Nach den Mineralbeständen lassen sich zwei Arten von Tuffen unterscheiden. Die zuerst geförderten Glastuffe (ru 7 und 8 SCHRIELs) enthalten Andesin-Oligoklaseinsprenglinge in einer heute rekristallisierten kalifeldspathaltigen Grundmasse. Die typischen Strukturen der ehemaligen Glaspartikel sind teilweise noch sehr gut erhalten (Abb. 3).

In den Tuffen, die vorwiegend das ru 9 und 10 SCHRIELs ausmachen, fehlen hingegen die Plagioklaseinsprenglinge gänzlich. Dafür treten in den Kristalltuffen bis zu 60 Vol.- % idiomorphe Sanidinkristalle auf. Ferner sind für sie bis zu 5 mm große korrodierte Quarzeinsprenglinge typisch, die teilweise Gas-Flüssigkeitseinschlüsse enthalten (Abb. 4).

Alle diese Tuffe stammen ihren mineralogischen und petrographischen Merkmalen entsprechend aus den gleichen Förderstellen, die die Schmelzen der Ilfelder Ergußgesteinsdecken lieferten. SCHRIELs Meinung, daß die Tuffe des ru 9 und 10 von den Felsitporphyren bei Bad Sachsa herstammen, wurde schon von KRUCKOW (1952) bezweifelt und konnte auch von MÜLLER (1962, 1965) nicht bestätigt werden.

Nach dem Abklingen der vulkanischen Tätigkeit wurden die oberen Teile der Decken denudiert. Ihre Schuttmassen bilden das Porphyrkonglomerat (SCHRIELs ru 11, STEINERs ro 1). Anschließend wurde die weitgehend eingeebnete Landschaft von Flugsanden überdeckt (Walkenrieder Sand) und vom Zechsteinmeer überflutet.

Abb. 2. Schematischer Schnitt des Südharzer Rotliegenden (10fach überhöht).

Abb. 3. Strukturen rekristallisierter Glaspartikel in einem Tuff an der Straße Unterzorge-Wieda zwischen km 3,0 und 3,2. Vergrößerung: 54-fach.

Exkursionsroute (siehe Karte der Abb. 5)

Ausgangsort: Waldschwimmbad Zorge im Kunzenbachtal, Nordausgang des Ortes Zorge. 2,5 Stunden Fußmarsch oder Befahrung der gesperrten Forstwege mit Sondergenehmigung des Forstamtes Walkenried.

Das Kunzenbachtal aufwärts bis zur Einmündung des Kl. Kunzenbachs in den Gr. Kunzenbach. Rechts ab in das Tal des Kl. Kunzenbachs. Vorsicht! Im Kl. Kunzenbach verläuft die Grenze zur DDR.

(1) Nach 500 m auf der rechten westlichen Seite kleiner Steinbruch in der Südharz- Grauwacke, welche die Rotfärbung der präpermischen Landoberfläche zeigt. Es folgt schon stark überwachsen das Profil der fanglomeratischen Sedimente des ru 1 (Abb. 1). Bemerkenswerterweise enthalten die Fanglomerate Tonhorizonte, deren Corrensit-Anteile trotz ihres hohen Alters von 250 Millionen Jahren noch quellfähig sind. Sie wurden aus Gruben 150 m oberhalb des Forstweges gewonnen und unter anderem als Bett zur Abdichtung des Schwimmbades Zorge verwendet. Blick nach Osten über die Grenze zum Gr. Ehren-Berg, der aus mächtigen Ergußgesteinsdecken des Perm aufgebaut wird.

(2) Nach 800 m Wanderung bachaufwärts am Ehrenplan Rhyolith der Ilfelder Decken (Probe 813 Chem. Anal. in A. SCHNEIDER 1963).

(3) Nun nach W in das obere Elsbachtal. Nach 1 km Aufschlüsse rechts des Forstweges mit weißfleckigen roten und grünen Sandsteinen des ru 6 (Zwischensediment-Hangendes der basischen unteren Ergußdecke und Liegendes der oberen sauren Ergußdecken). Im hangenden Grenzbereich sind in die Sandsteine partiell verkieselte Kalke einer Eindampfungspfanne eingelagert, deren Blöcke am Forstwege liegen.

(4) Im Elsbachtal und an der nördlichen Bachschulter kohlenstoff- und pyrithaltige Schiefertone (Brandschiefer des ru 2 als Vertreter der Kohleflöze). Diese Schiefertone enthalten zahlreiche Pflanzenfossilien (STERZEL 1901, SCHRIEL 1954), vor allem Arten von Callipteris, Calamites, Pecopteris, Walchia, Cordaites u. a.

Rückkehr durch das Gr. Tränkental zum Ausgangsort.

Vom Nordausgang Zorge nach Süden durch den Ort Zorge hindurch bis nach Unterzorge, rechts abbiegen auf die Straße nach Wieda.

Abb. 4. Korrodierter Quarzeinsprengling in einer Porphyrbrekzie, der einen Gas-Flüssigkeitseinschluß zeigt. Ostertal, Bad Sachsa. Vergrößerung: 54-fach.

(5) Nach 300 m sind links an der bis zu mehr als 10 m hohen Straßenböschung auf eine Länge von 200 m rekristallisierte Glastuffe des ru 7 und ru 8 aufgeschlossen (MÜLLER 1962,1965).

(6) Nach weiteren 400 m Richtung Wieda rechts in der Straßenböschung gegenüber einem großen Parkplatz ein geschichtetes Porphyrkonglomerat mit Ergußgesteinsgeröllen bis zu 300 mm Ø. Die mürben Zwischenmittel sind tuffogener Natur (SCHRIELs ru 11, ro 1 nach STEINER 1966).

Fahrt zum nördlichen Ortsausgang von Walkenried. Abbiegen nach Osten ehemalige Straße nach Ellrich (jetzt DDR).


Abb. 5. Exkursionsroute durch das Südharzer Rotliegende.

(7) S der Straße liegen am östlichen Ortsende von Walkenried am Nordhang des Kupferberges aufgelassene Sandgruben, welche Formsande für die Eisengießereien in Wieda, Zorge und Bad Lauterberg geliefert haben. Der Walkenrieder Sand (ru 12 SCHRIELs, ro 1 nach STEINER 1966) zeigt in 10 m hohen Aufschlüssen schöne Kreuzschichtungen. Es handelt sich um terrestrische Flugsande, die im Grenzbereich des Meeres abgelagert wurden analog zu den heutigen Verhältnissen im Küstenbereich der Sahara gegen den Atlantik. Tatsächlich handelt es sich um einen gering verfestigten Sandstein, dessen Formqualität durch den Gehalt von Kaolinit und Illit im Bindemittel bestimmt wird (11,6% Ton im Sandstein dieses Aufschlusses). Zur Klosterruine Walkenried im Ortskern. Hinter der Ruine im Bachbett der Wieda findet sich der nächste Aufschluß.

(8) Dort wird mit einer gut sichtbaren Diskordanz der Walkenrieder Sand transgressiv vom Zechsteinkonglomerat, dem Kupferschiefer und dem Zechsteinkalk überlagert. Dieser Aufschluß wurde als Fundort von gut erhaltenen Exemplaren des Fisches Palaeoniscus freieslebeni bekannt (Aufschluß 29 mit schematischer Skizze der Geolog. Wanderkarte Harz).

(9) Hinter dem Kurpark von Bad Sachsa am Tennisplatz biegt von der Straße zum Katzenstein das Kuckanstal in westl. Richtung ab. Dort finden sich nach 250 m rechts und links des Weges Aufschlüsse in Felsklippen feinlamellar ausgeflossener Rhyolithschmelzen. In den Felswänden zeigen sich die Hohlräume großer ehemaliger Gasblasen, die von den Lamellen umflossen werden (SCHNEIDER 1963).

Schriftenverzeichnis

MÜLLER, G. (1962): Klastische und pyroklastische Sedimente des Südharzer Rotliegenden. Beitr. Mineral, u. Petrogr. 8, 440-490.

MÜLLER, G. (1965): Beiträge zur Stratigraphie des Südharzer Rotliegenden. Geol. Jb. 82, 755-770.

SCHNEIDER, A. (1963): Rhyolithischer Vulkanismus des Südharzer Rotliegenden. Beitr. Mineral, u. Petrogr. 9, 148-174.

SCHWAB, M. (1970): Tektonik, Sedimentation und Vulkanismus im Permosiles Mitteleuropas. Ber. deutsch. Ges. geol. Wiss. A. Geol. Paläont. 15, 29-45.

STEINER, W. (1966): Das Rotliegende des Ilfelder Beckens und seine Beziehungen zu benachbarten Rotliegendvorkommen. Ber. deutsch. Ges. geol. Wiss. A. Geol. Paläont. 11, 67-118.

VIERECK, L. (1978): Geologische Untersuchungen im Gebiet des Gr. Knollen mit besonderer Berücksichtigung der Rotliegend-Vulkanite. Dipl.-Arbeit (unveröffentl.), Geologisches Institut Univ. Göttingen.

Auf eine ausführliche Literaturangabe muß aus räumlichen Gründen verzichtet werden, jedoch findet sich die ältere Literatur sämtlich in den oben zitierten Publikationen, vor allem in der umfassend referierenden Arbeit von W. STEINER (1966).
 

*) Überarbeitete Fassung aus dem Sonderheft 17 zum Aufschluß 1968.

1) Nach neuesten Untersuchungen von VIERECK (1978) konnte die Ausdehnung bis in den Bereich des Gr. Knollen nachgewiesen werden (Anm. d. Red.).


Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Georg MÜLLER, Mineralogisch-Petrographisches Institut der TU, Adolf-Römer-Straße 2A, D-3392 Clausthal-Zellerfeld.

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