Von Herbert SPERLING, Goslar Einleitung Zu den bedeutendsten Vererzungen im Bereich des Erzbergwerkes Grund sind die des von Gittelde/Münchehof (im W) über Bad Grund nach Clausthal (im E) verlaufenden Silbernaaler Gangzuges zu rechnen. Das Bergwerk Grund stellt die einzige, heute noch in Förderung stehende Grubenanlage im Oberharz dar. Geschichte des Bergbaues, der heutige Betrieb im Erzbergwerk Grund und seine wirtschaftliche Bedeutung Diese Grube „Hilfe Gottes“, die sich im Bereich von Bad Grund und westlich davon befindet, und die östlich der Bergstadt sich anschließende Grube „Bergwerkswohlfahrt“ sind seit dem Jahre 1931 als Betriebsabteilungen zum Erzbergwerk Grund zusammengelegt (vgl. Abb. 1), das sich damit über fast sechs Kilometer in ost-westlicher Richtung erstreckt. Der tiefste bergmännische Aufschluß ist die in ca. 700 m Teufe gelegene 19. Sohle, die die z. Zt. wichtigsten und zwei Kilometer voneinander entfernten Tagesschächte des Erzbergwerkes - Wiemannsbuchtschacht (im E) und Achenbachschacht (im Zentralteil des Bergwerkes) - verbindet und von letztgenanntem Schacht aus noch ca. 2 km nach W in den Westteil der Lagerstätte aufgefahren worden ist (Abb. 2). Von dieser Sohle aus wird z. Zt. die Lagerstätte mit auf- und abwärts gerichteten Bohrungen untersucht. Der Bergbau geht gegenwärtig im Silbernaaler Gangzug in 450-700 m Teufe um, d.h. im Bereich der 14. Firste (östlich und westlich Achenbachschacht) und der 18. Firste (am Wiemannsbuchtschacht). In der Grundner Lagerstätte sind bisher ca. 12,5 Mio t Roherz mit über 900000 t Blei, 300000 t Zink und 2000 t Silber gewonnen worden. An Erzvorräten sind z. Zt. mehrere Mio t aufgeschlossen worden. Trotz intensiver Such- und Untersuchungsarbeiten ist das Gesamt-Roherzvolumen jedoch noch nicht bekannt. Die Jahresförderung beträgt z. Zt. etwa 430000 t Roherz mit durchschnittlich 10% Blei und Zink. |
Abb. 1. Schächte, Stollen, bedeutende Untersuchungs-Querschläge und Übertage-Lokalitäten im Bereich der Grunder Erzgänge
(a = Westschacht; b = Achenbachschacht; c = Knesebeckschacht; d = Wiemannsbuchtschacht;
e = Medingschacht; f = 5. Lichtloch); HG = Hauptgang; DG = Diagonalgang; EG = Eichelberger Gang).
Abb. 2. Silbernaaler Gangzug-Seigerriß, vgl. Abb. 1.
1. Form der Erzgänge Liegendster Gang (im N),aufgeblättert (Abb. 1). Diese Gänge sind in sich wiederum sowohl im Streichen als auch im Einfallen gekrümmt (SPERLING 1973, 1976). Die wirtschaftlich wichtigsten Erzgänge sind z. Zt. der Hauptgang, der Liegende Gang und der Eichelberger Gang. Unter Zuhilfenahme des erarbeiteten paragenetischen Schemas der Grunder Erzgänge ist es möglich, die Mehrphasigkeit der tektonischen Bewegungen an den Grunder Erzgängen zu ermitteln, die nach der postnamurischen Faltung (BEDERKE 1962, FIGGE 1964) einsetzten und vor dem Zechstein 1 im wesentlichen abgeschlossen waren, denn die an den Grunder Erzgängen meßbaren Verwurfsweiten von oft mehreren hundert Metern sind in dem überlagernden Zechstein nur in auf Dekameter reduzierten Dimensionen wiederzufinden. Der Hilfe Gotteser Gang ist im Zechstein lediglich an schwachen Störungen und der nur lokal auftretenden jüngsten hydrothermalen Mineralisation - der Mineralisationsphase IIIc - erkennbar (Abb. 3). Abb. 3. Durchtrümerung der Mineralisationsphase II durch die Mineralisationsphase III im Hilfe Gotteser Gang (Grube Hilfe Gottes, Westfeld, 12. Sohle, 1950 m westlich Achenbachschacht (vgl. Abb. 1); Punkte = Zinkblende; schwarz = Bleiglanz; Kreuze = Kalkspat; Häkchen = Eisenspat; Leiter-Signatur = Quarz; s = Grauwacke; t = Tonschiefer) Für die Entstehung der Oberharzer Erzgänge dürfte die an den Grunder Erzgängen gemachte Beobachtung von Bedeutung sein, daß bereits vor den bruchtektonischen Bewegungen tektonische Beanspruchungen des Gesteins in Form von Verbiegungen verschiedener Art stattgefunden haben. So sind in gleichen Bereichen die Faltenachsen in ihrem Einschieben und die Schichten selbst S-förmig mit bis zu 30° Richtungsänderung in der Horizontalen als auch in der Vertikalen verbogen (Abb. 4). Diese Verbiegungen sind, zerhackt durch die Erzgänge mit all ihren Partialbewegungen, außer- und auch innerhalb der Erzgänge wiederzufinden. Der südliche Teil der torsionsartig beanspruchten Bereiche ist steil schräg aufwärts nach SE (in den Westfeld-Erzmitteln) oder nach Osten (im Ostfeld-Erzmittel) und der nördliche Teil entsprechend steil schräg abwärts nach NW oder W verbogen worden. Der Biegungsvorgang wurde nach Überschreitung der Elastizitätsgrenze von den oben bereits genannten bruchtektonischen Bewegungen abgelöst. Bemerkenswert ist in den Westfeld-Erzmitteln die Parallelität zwischen südöstlicher, torsionsartiger Verbiegungsrichtung einerseits und dem flach nach NW gerichteten Einschieben der Vererzungszonen andererseits, was nicht unbedingt rein zufällig zu sein braucht. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Grunder Erzgänge diagonale Seitenverschiebungen mit stark gewelltem, streichendem Verlauf und gekrümmtem Einfallen sind. Sie sind zwischen der postnamurischen Faltung und dem Zechstein 1 bzw. zwischen tiefstem Stefan und höchstem Rotliegenden entstanden.
Der Einfluß des Ganggesteins auf die Mineralisation der Erzgänge Die Silifizierung hat das Ganggestein offensichtlich gehärtet und die tektonisch geschaffenen Gangspalten standfest gemacht. Eine ähnlich hohe Standfestigkeit kommt auch wegen des primären, relativ hohen Quarzgehaltes den Grauwacken und Konglomeraten zu. Die tonigen Ganggesteine dagegen wurden bei mechanischer Beanspruchung relativ leicht zerbrochen und sogar verruschelt und bei Anwesenheit von Wasser verlettet. Die schwach kohlehaltigen Tonschiefer und Sandbandschiefer wurden dabei an tektonischen Bewegungsflächen mit mm-dicken, glänzenden Kohlefilmen überzogen. Es ist auffallend, daß in der Nähe dieser kohlehaltigen Gangtonschiefer Quarz nur in geringen Mengen als Erst-Mineral einer Mineralisationsphase vorkommt, im Gegensatz zu dem relativen Quarzreichtum im Bereich der Grauwacken im Gang. Die Gangtypen Das Erzmittel des Laubhütter Ganges ist aufgrund der relativ sporadischen Aufschlüsse noch nicht gangtektonisch typisierbar. Im folgenden werden die einzelnen Gangtypen beschrieben: Achsenverbiegungs-Gangtypus Wiemannsbuchter Gangtypus Die ältesten Trümer des Hauptganges und des Eichelberger Ganges treten zur Mitte des Gangzuges gewandt auf. Die jüngeren Trümer liegen im nördlichen Teil des Hauptganges und im südlichen Teil des Eichelberger Ganges. Bergwerksglücker Gangtypus Gangversteilungs-Gangtypus Zur Frage der Hohlraumschaffung Die auf Seite 88 genannten Ergebnisse lassen zumindest vermuten, daß die Gründer Erzgänge nicht deshalb vererzt sind, weil sie als diagonale Seitenverschiebungen Dehnungsstörungen sind, sondern weil sie in der Horizontalen und Vertikalen gekrümmt sind. Es können als Beweis hierfür mehrere Abschnitte innerhalb bedeutender Oberharzer Gangzüge (z. B. Silbernaaler Gangzug bei Clausthal und Lautenthaler Gangzug östlich und westlich Lautenthal) genannt werden, welche überhaupt kein Erz führen, vermutlich aufgrund ihres „nur“ gleichförmigen Streichens und Einfallens. Die oben beschriebenen Gangtypen haben gezeigt, daß die vererzten Bereiche mehrere tektonische Merkmale aufweisen, auf die die für Hohlraumschaffungen und damit auch für die Bildung von Erzmitteln notwendigen tektonischen Bewegungen bezogen werden können. Es handelt sich um Abwärtsbewegungen nach oben mehr oder weniger ausspitzender, d. h. keilartiger Schollen zwischen Schaufelflächen, um geringfügige Setzungserscheinungen, um drehende oder kippende Abwärtsbewegungen von Zwischenschollen und um en bloc-Bewegungen in der Horizontalen und Vertikalen an meist gewellten Störungen (Abb. 5). Entsprechend der Hohlraumbildungen - leere oder mit Gesteinsbruchstücken gefüllte Spalten - ist es zur Bildung von Brekzien-, Ringelerz-, Lagenerz- und Bändererz-Trümern oder von einfach gebauten Trümern gekommen.
Inhalt der Erzgänge Der im späten Oberkarbon und im Rotliegenden erfolgte vierphasige Mineralisationsablauf ist speziell in den Westfeld-Erzmitteln des Silbernaaler Gangzuges folgendermaßen gewesen: In der Mineralisationsphase I fand eine Gesteinsauflockerung an bereits vorhandenen kleinen Scherstörungen statt. Sie wurde begleitet teils von einer Roteisen-Imprägnation, einer Dolomitisierung und einer Ankeritisierung des Nebengesteins, teils von einer Füllung der in der Regel kleinen Hohlräume zwischen den Gesteinsbrocken mit Eisenspat. Am Ende dieser Mineralisationsphase wurden die Gangbereiche lokal silifiziert. Während der folgenden Mineralisationsphase II (vgl. Abb. 3) ist es zur Bildung mehrerer, meist verschieden alter Mineralabfolgen gekommen: Quarztrümer, mit etwas Kupferkies und Pyrit, Vor und während der Mineralisationsphase III entstanden durch tektonische Akte voneinander getrennt in weitklaffenden Hohlräumen folgende Mineralabfolgen: Erzspender für diese sicherlich aszendent entstandenen, primären Derberze und Gangarten sind nicht sicher bekannt. Nachfolgende, nur noch schwache tektonische Bewegungen leiteten einen Nachschub hydrothermaler Lösungen ein, die die Minerale der Mineralisationsphasen I bis III teilweise mobilisierten und dabei zum Absatz der meist idiomorphen Minerale der Mineralisationsphase IV führten. Eine Datierung dieser Phase ist nicht möglich. Tektonisch bedingt finden sich die Zinkblende-reichen Trümer der Mineralisationsphase II im wesentlichen im Zentrum der Erzmittel. Die peripheren Bereiche der Erzmittel (grundrißlich und seigerrißlich gesehen) führen Bleiglanz-reiche Erztrümer, die den Mineralisationsphasen IIb, IIIa und IIIb zuzuordnen sind. Zusammenfassung
BEDERKE, E. (1962): Das Alter der Harzfaltung. - N. Jb. Geol. Paläont., Mh 1, 24-27, Stuttgart. BUSCHENDORF, F., DENNERT, H., HANNAK, W., HÜTTENHAIN, H., MOHR, K., SPERLING, H. & STOPPEL, D. (1971): Die Blei-Zink-Erzgänge des Oberharzes, Lief. 1: Geologie des Erzgang-Reviers, Mineralogie des Ganginhalts und Geschichte des Bergbaus im Oberharz. - Beih. geol. Jb., 118, 1-212. FIGGE, K.. (1964): Das Karbon am Nordwestende des Harzes. - Geol. Jb. 81, 771-805, Hannover. RICHTER, M. (1941): Entstehung und Alter der Oberharzer Gänge. - Geol. Rdsch. 32, 93-105. SPERLING, H. (1973): Die Erzgänge des Erzbergwerk Grund (Silbernaaler Gangzug, Bergwerksglücker Gang und Laubhütter Gang). — Geol. Jb. D 2, 205 S.. Hannover. SPERLING, H. (1976): in Geologische Karte von Niedersachsen, 1:25000, Erläuterungen zu Blatt Seesen Nr. 4127, 161 S., 18 Abb., 8 Tab., 4 Taf., 6 Kt., 78-93, Hannover. Anschrift des Verfassers: Dr. Herbert SPERLING in Fa. PREUSSAG AG, Rammelsberger Straße 2, D-3380 Goslar 1. |