Walkenrieder Wassergärten

Projekt zur nachhaltigen Entwicklung der Gipskarstlandschaft am Südharz

 
( 1 )  Einzigartige Ausgangslage

Wasser! In Teichkaskaden aufgestautes Wasser zu Füßen von 70 Meter hoch aufragenden Gipsfelsen. Fließgewässer, die, von Norden aus dem Harz kommend, in den Riedflächen der Goldenen Aue an Wildheit verlieren. In Flussbetten versickerndes und in Gipshöhlen versickertes Wasser. Geologisch eine rasante Erosion durch die Konfrontation von Wasser und Anhydrit (Gips). Eine in Europa einmalige humide Gipskarstlandschaft am Südharzrand zwischen Sangerhausen und Osterode. Das macht die Dramatik und auch den visuellen Reiz des Harzvorlandes in und um Walkenried aus. Vielfach ist dieser Sachverhalt allerdings verdeckt. Teiche verlanden oder wurden völlig zugeschüttet. Busch- und Baumgruppen verhindern oft den Blick in die weite Landschaft.

Und das Land hat natürlich Geschichte. Hier waren sächsische Kaiser, die Ottonen, zu Hause. Hier ließen sich im 12. Jahrhundert Zisterziensermönche nieder, engagierten sich in Landwirtschaft und Bergbau, waren nicht zuletzt ideologische Speerspitze der in Richtung Osten expandierenden Politik. Hier installierten die Nazis im 2. Weltkrieg ihre auf Aggression ausgerichtete Raketen- Produktion (Wernher von Braun, V2, etc.), für die KZ-Häftlinge im Lager Dora schuften mussten und zu Tausenden in den Tod getrieben wurden. Hier verlief schließlich im Kalten Krieg der „Eiserne Vorhang“ zwischen Ost und West, die Grenze zwischen BRD und DDR. Ein Gebiet mit historisch und baugeschichtlich europäischer Dimension.

Geschichte brannte sich ein ins Land. Auch ökonomisch: Massiver Gipsabbau durch chemische und Baustoffindustrie, Verkehr und Zersiedelung schlugen tiefe Wunden in die Gipskarstlandschaft. Und der Prozess der Landschaftszerstörung, des „Landschaftsverbrauches“, ist noch lange nicht zum Stillstand gekommen. Walkenried läuft im Zuge dessen permanent Gefahr, an ökologischer, landschaftsästhetischer und damit auch an touristischer Attraktivität weiter einzubüßen.


Baudenkmal Kranichteiche in Richtung Sachsenstein

Deshalb sind Überlegungen, Engagement und vor allem wirksame Maßnahmen gegen die von Menschen verursachte Erosion dringend geboten. Eine Art Notwehrakt. Das Projekt „Walkenrieder Wassergärten“ ist als Bestandteil dieser überfälligen Notwehr zu begreifen.

( 2 )  Ziel: Schlummernde Schätze heben

Die Situation fordert behutsame gestalterische Maßnahmen geradezu heraus. Im Mittelpunkt steht das Wechselspiel von Gipskarst und Wasser. Anzustreben sind Erhalt und Erweiterung von stehenden Gewässern. Ziel wäre die Entfaltung intensiver Vegetation und Fauna (Renaturierung). Im Umfeld Walkenrieds entstünde eine Keimzelle vegetativer Dynamik mit überregionaler Ausstrahlung. Voraussetzung hierfür wären ein Stopp von Gipsabbau, der Rückbau von Straßen und Bahnanlagen sowie eine Straffung der Besiedlungsstruktur. Als flankierende Maßnahme ist eine großzügige Erweiterung der bestehenden drei Naturschutzgebiete unabdingbar. Zugleich sind gezielte Eingriffe auf der formal-ästhetischen Ebene (Gartengestaltung in Uferzonen, Blickachsen, etc.) nötig, um schlummernde Schätze des einmaligen Landschaftsbildes zu heben.


Humide Gipskarstlandschaft Südharz im Bereich Walkenried

Die angestrebten Aktivitäten resultieren auch aus dem historisch hoch aufgeladenen Background der Region. Landschaft als Spiegel historischer Prozesse zu begreifen, ermöglicht, Zeitgeschehen am Südharz besser aufzuarbeiten. In diesem Sinn ist der Bereich Walkenried als „Erinnerungslandschaft“ zu behandeln. Die Klosteranlage, die auf die Zisterzienser zurückgehenden Teichagglomerationen und auch die Reste der Nazi-KZ-Folterstätten sind als Kern dessen zu sehen. Die historischen Gebäude müssen schneller einer umfassenderen Nutzung zugeführt werden. Sie bedürfen einer intensiveren Pflege bis hin zur Rekonstruktion. So könnten Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur auf lokaler Stufenleiter weiter entwickelt werden, könnte sich eine adäquate Form der Holocaust-Reflexion herausbilden.
 

Ikonografisches Zeichen für Erinnerung: Zisterzienserkirche Walkenried
(frühgotische Version)

Die implizierte nachhaltige Entwicklung umfasst gleichermaßen umweltentlastende, sozial- ökonomische und kulturelle Effekte. Sie soll beispielsweise Chancen für einen zukunfts- orientierten (“sanften“) Tourismus vergrößern. Insofern ist das Projekt tourismuspolitischer Natur. Gleichzeitig sollen „weiße Flecken“ gesetzlicher Planungsverpflichtungen beseitigt werden. Zielsetzung insgesamt: Steigerung von Landschaftswert und Strukturpotentialen im Rahmen eines Pilotprojektes. Hierfür steht das Label „Walkenrieder Wassergärten“. Der Zielkonflikt zwischen erhöhter touristischer Attraktivität und Naturschutz liegt auf der Hand. Seine Lösung gleicht gewissermaßen der Quadratur des Kreises. Dieser Herausforderung stellt sich das Projekt.

Folgende Fragen werden eingehender zu behandeln sein:

  • gibt es bei bereits eingetretenem Landschaftverbrauch (beispielsweise Gipsbrüche oder Gleisanlagen) Möglichkeiten für eine schöpferischen Wendung, für eine Umfunktionierung?
  • inwieweit muss das Prinzip "sanfter Tourismus" im Verbund mit benachbarten Orten (Bad Sachsa) revidiert werden (Entwicklung einer neuen Badekultur über „Wellness“ hinaus)?
  • ist es denkbar, das Ortsbild in Anknüpfung an bauliche Traditionen der Zisterzienser gestalterisch zu straffen? Kann das durch Installierung neuer ikonografischer Zeichen (Treppenanlagen, Turmbauten, Glaspavillons) geschehen?

( 3 )  Arbeitskreis als Impulsgeber

Zum Thema liegen Forschungsergebnisse der amtlichen Denkmalpflege, von Forstbehörden und Universitäten vor. Darüber hinaus erfolgten Untersuchungen durch den Verein für Heimatgeschichte Walkenried und Umgebung e.V., durch Kreisbehörden sowie im Zuge der Spurensuche der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Beachtlich ist auch das Engagement der Gesellschaft zur Förderung des Biosphären- reservates Südharz/Kyffhäuser (GfB). Das Bundesumweltministerium veranlasste das F+E-Vorhaben „Möglichkeiten des Schutzes und der Nutzung des Südharzes und der vorgelagerten Gipskarstlandschaft“. Ergebnis: Plädoyer für ein Biosphärenreservat. Doch von den drei betroffenen Ländern installierte bisher lediglich Sachsen-Anhalt ein Biosphärenreservats-Relikt.

Fazit: Der Status quo wurde partiell dokumentiert. Aber es fehlt ein verbindliches Gesamtkonzept, das Baugeschichteund Landschaftsentwicklung in einen angemessenen Zusammenhang bringt. Der Bereich mit immerhin drei Naturschutzgebieten verfügt erstaunlicherweise bisher über keinen Landschaftsplan. Für das baugeschichtlich herausragende Ensemble vor Ort (Klosteranlage mit erstmals in Norddeutschland auftauchenden Stilelementen der burgundischen Frühgotik, ehemaliges Jagdschloss der braunschweigischen Herzöge und Domänengebäude) gibt es Nutzungsvorschläge. In Teilbereichen laufen Vorbereitungen für eine museale Nutzung. Das Herrenhaus der Domäne wurde inzwischen instandgesetzt und soll künftig Tagungszwecken dienen. Die Umsetzung der meisten Vorschläge lässt jedoch auf sich warten. Zur Überwindung der Stagnation sind neue Initiativen erforderlich. Sie sollen in dem Projekt „Walkenrieder Wassergärten“ Auftrieb erhalten. Als Projektträger wird ein Arbeitskreis tätig. Walkenried wird in dem Projekt zum Versuchsfeld für nachhaltige Entwicklung. Der Arbeitskreis wird zum Impulsgeber für ein sozusagen kulturökologisches Labor. Er trägt damit zur Unterfütterung der Bemühungen um das beabsichtigte Biosphärenreservat Südharz/ Kyffhäuser bei. Im Kontinuum von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Denkmalpflege bedürfen dabei die Begriffe „Kulturlandschaft“ und „Authentizität“ einer kritischen Hinterfragung.

( 4 )  Metadisziplinär und partizipativ!

Das Know how von Hochschulen sollte gezielter genutzt werden. Im Rahmen metadisziplinärer Vernetzung (Landschafts- und Verkehrsplaner, Architekten, Sozialwissenschaftler, Archäologen, Historiker, Forstwissenschaftler etc) ist ein überregionaler Arbeitsverbund aufzubauen. Walkenried würde dadurch noch mehr ein attraktiver Arbeitsstandort für Studierende. Zugleich ist an eine Zusammenarbeit von Fachleuten und Laien zu denken, an ein emanzipatives Kooperationsmodell. Die Umsetzung von Ideen (vor allem in der Landschafts- und Denkmalpflege) wird künftig ohne derartig unkonventionelle Arbeitsstrukturen kaum noch auskommen. Vom Laienengagement unter Berücksichtigung des Prinzips "learning by doing" ist es nur ein kleiner Schritt bis hin zur Integrierung von Freizeitprogrammen und touristischen Aktivitäten.

Die Öffnung des Arbeitskreises für alle Interessierten vor Ort und der ständige Dialog mit den Betroffenen sind unabdingbar. Der Arbeitskreis Walkenried hat also die Aufgabe, adäquate Kooperationsformen einschließlich erweiterter Partizipationsmöglichkeiten zu entwerfen. Zu Kooperationspartnern gehören auch Sponsoren, unter anderen auch aus dem Umfeld der Industrie, der Forstwirtschaft und der über die Klosteranlage verfügenden Braunschweig-Stiftung. Eine Abstimmung mit dem benachbarten Nationalpark Harz versteht sich von selbst. Eine derartige Bündelung von örtlichen und überörtlichen Triebkräften ist Grundvoraussetzung für die Bewältigung der anstehenden komplexen Aufgaben.

Walkenried ist nur ein Beispiel. Es gilt, ein, zwei, viele Walkenrieds zu schaffen.

 

( 5 ) Die nächsten Schritte
  • Spuren in der Landschaft suchen und sichern
  • Chancen des vorgeschlagenen Projektes publik machen
  • Bündnispartner gewinnen
  • Vernetzung mit ähnlich gelagerten Aktivitäten
  • Vorschläge für die weitere landschaftsökologische Entwicklung erarbeiten
 
Walkenried im Mai 2005


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